Die «Handelszeitung» stellt die Immobilienwirtschaft ins Schaufenster: Jeden Freitag kommt eine spannende Persönlichkeit aus der Branche zu Wort und schildert ihre Sicht auf den Markt. Diese Woche lesen Sie die Einschätzungen von Myriam Reinle. Sie ist CEO der Immobilienplattform Property Captain.
Werden die Preise für Wohneigentum weiterhin so stark steigen?
Derzeit kann davon ausgegangen werden, dass die Wohneigentumspreise zwar nicht so stark wie in der Vergangenheit, aber doch weiter ansteigen werden. Der Grund dafür liegt nebst den tiefen Zinsen auch in der leicht rückläufigen Bautätigkeit, wodurch das Angebot knapp bleibt.
Zudem wird der Neubau aufgrund der Rohstoffsituation (Stahl, Holz) teurer, was auch im Wohneigentum preistreibend wirken kann. Bereits von 2020 auf 2021 war eine Bauteuerung von rund 4 Prozent festzustellen, nachdem in den Vorjahren die Bauteuerung praktisch bei null gelegen hatte. Aktuell (2021 bis 2022) erwarten wir eine Bauteuerung von weiteren rund 5 bis 8 Prozent, was die Lage weiter verschärft.
Die Zinswende ist zwar im Gange und könnte eine Dämpfung der Nachfrage in der Zukunft zur Folge haben, was jedoch momentan noch nicht absehbar ist. Die Preisentwicklung ist natürlich je nach Standort und Region unterschiedlich. An bevorzugten Lagen oder im Umfeld der grossen Ballungszentren günstigen Wohneigentum erwerben zu können, dürfte sich deshalb in naher Zukunft nicht ergeben.
Mieten oder kaufen – was rechnet sich derzeit mehr?
Eine kürzlich erschienene Studie der Credit Suisse hat errechnet, dass das Kaufen – sofern man eine Festhypothek und keine Saron-Hypothek abschliesst – aufgrund der aktuellen Zinssätze teurer ist als Mieten.
Ein rein monetär errechneter Vergleich greift meiner Meinung nach jedoch zu kurz, denn er trägt kaum dem emotionalen Wert eines Eigenheims Rechnung. Gerade die Freude, ein eigenes Haus für die Familie zu besitzen, ein Ort, an dem die Kinder aufwachsen können, wo man sich wohl und zu Hause fühlt, überwiegt doch die rein finanziellen Auswirkungen. Daher ist und bleibt die Nachfrage nach einem Eigenheim ungebrochen hoch.
Wo finden junge Familien mit einem Haushaltseinkommen von maximal 150’000 Franken heute noch Wohneigentum?
Mit einem Einkommen von 150’000 Franken und einem Eigenkapital von 170’000 Franken darf das Objekt rein rechnerisch maximal 850’000 Franken kosten. Es gibt Online-Tools, mittels derer man den maximalen Kaufpreis je nach Einkommen und Eigenmittel errechnen kann.
Bei unserem Rechnungsbeispiel ergeben unsere Daten, dass vor allem in den Regionen Bern, Freiburg, Wallis, Waadt, Ostschweiz und Tessin noch Eigentumswohnungen mit 3,5 oder 4,5 Zimmern erschwinglich sind. Davon ausgenommen sind die Ballungszentren, in denen vergleichbare Wohnungen teurer sind.
Interessant ist, dass es sich bei den verfügbaren Objekten zu 80 Prozent um Wohnungen handelt. Diese Objekte werden schnell verkauft – im Schnitt sind diese innert 65 Tagen wieder weg vom Markt.
Die Nachfrage nach Wohneigentum ist gross. Wechseln darum viele Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen unter der Hand den Besitz und werden gar nie zum Verkauf ausgeschrieben?
Studien zeigen, dass bis zu einem Viertel der Immobilien vererbt oder unter der Hand verkauft werden. Zudem scheuen viele Verkäuferinnen und Verkäufer vor einem vermeintlich komplizierten Verkaufsprozess zurück und verkaufen gar nicht erst.
Unter anderem aus diesem Grund haben wir auf Property Captain die Funktion «Blind Bid» entwickelt: Auf einen Klick werden hier den Kaufinteressierten nicht nur die zum Verkauf ausgeschriebenen Objekte angezeigt, sondern auch alle den Wünschen und finanziellen Möglichkeiten entsprechenden Einfamilien- und Reihenhäuser.
Interessierte Käuferinnen können so einem Eigentümer über Property Captain ein konkretes Kaufangebot für sein Haus unterbreiten. Eine Funktion, die auch rege genutzt wird.
Was sind Ihre fünf Tipps für Personen, die Wohneigentum zum Kaufen suchen?
- Bereits vor der Suche seine maximalen Kaufpreismöglichkeiten errechnen und sich frühzeitig um die Finanzierung kümmern: Wichtig ist, Hypothekarofferten von verschiedenen Anbietern zu vergleichen und sich unabhängig beraten zu lassen. Allenfalls gibt es auch alternative Finanzierungsmodelle wie ein Miet-Kauf, der den Eigenheimtraum schneller wahr werden lässt.
- Für die Suche bedürfnisgerechte Suchabos erstellen, um kein passendes Objekt zu verpassen: Property Captain hat mit im Schnitt 170’000 Objekten (davon ein Drittel Kaufinserate) das grösste Angebot in der Schweiz. Hier gilt auch, den geografischen Radius zu öffnen und nach einem bedürfnisgerechten Objekt innerhalb der Kaufkraft zu suchen.
- Für die Suche auch unkonventionelle Wege in Betracht ziehen, wie zum Beispiel mit der Funktion «Blind Bid» oder durch eine direkte Ansprache von Eigentümern, die gar nicht offiziell verkaufen wollen.
- Fixe Budgets planen und Sparpläne erstellen – dies ist vor allem für junge Familien wichtig.
- Für kleine Anpassungen oder unerwartete Ausgaben nach dem Kauf noch einen Geldpuffer einplanen.
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Sie bieten mit Property Captain Finanzierungsmodelle an für Hauskäuferinnen und Hauskäufer, die nicht über genügend Eigenmittel verfügen. Halten Sie die aktuellen Vergabekriterien der Banken für zu starr? Viele Menschen haben wegen der Selbstregulierung der Banken keine Chancen auf eine Hypothek.
Die Vergabekriterien der Kreditgeber – zu denen mittlerweile auch viele Pensionskassen und Versicherungen zählen – sorgen dafür, dass die Kosten für eine Hypothek auch noch bei steigenden Zinsen tragbar sind. Sie sind jedoch starr in dem Sinne, dass sie wenig Rücksicht auf individuelle Situationen nehmen.
Durch die stetig steigenden Immobilienpreise haben viele junge Familien zwar das Einkommen, aber noch nicht das angesparte Vermögen, um die gewünschte Immobilie kaufen zu können. Bis das angesparte Kapital reicht, sind die Preise bereits wieder gestiegen. Gegen diese Probleme möchten wir mit Rent2Buy Abhilfe schaffen. Bei diesem Finanzierungsmodell mietet die Kaufinteressentin das Traumhaus zuerst, bis das für den Kauf notwendige Eigenkapital angespart ist. Beim Kauf selbst kommen dann die üblichen Vergabekriterien für Hypotheken zur Anwendung.
Die Hypothekarverschuldung der Schweizer Wohneigentümerinnen und Wohneigentümer ist im internationalen Vergleich ausserordentlich hoch. Könnte diese hohe Verschuldung wegen der steigenden Zinsen zum Problem werden?
Die Schweiz ist sehr stark reguliert und finanziert vergleichsweise risikoavers. Es gibt bei Hypotheken praktisch keine Ausfallraten. Der hohe kalkulatorische Zinssatz von rund 5 Prozent, mit dem Kreditgeber rechnen, stellt sicher, dass auch eine höhere Belastung aufgrund steigender Zinsen durch den Kreditnehmer getragen werden kann.
Zudem kennen wir in der Schweiz praktisch keine Voll- oder sogar Überfinanzierungen durch Hypotheken; üblicherweise finanzieren Hypothekargeber lediglich 80 Prozent des Kaufpreises, mit der Verpflichtung einer Amortisation innert 15 Jahren auf zwei Drittel des Immobilienwertes. Wir rechnen daher nicht mit einem Anstieg an zahlungsunfähigen Hypothekarnehmenden.
Myriam Reinle beantwortete die Fragen schriftlich.