Die Schweizerische Nationalbank (SNB) dürfe am kommenden Donnerstag ein weiteres Mal ihre expansive Geldpolitik bestätigen. Der Fokus der Finanz-Community dürfte dabei vor allem auf den Themen Schweizer Franken und Inflation liegen.
Die Nationalbank wird anlässlich der quartalsweise stattfindenden geldpolitischen Lagebeurteilung mit ziemlicher Sicherheit einmal mehr den Leitzins von minus 0,75 Prozent bestätigen. Eine Zinserhöhung, bevor die EZB eine solche vornimmt, kommt für die Währungshüter wohl nicht infrage – da sind sich die meisten Ökonomen einig.
«Die SNB wird sich an der EZB orientieren müssen, um keinen verstärkten Aufwertungsdruck auf den Franken auszulösen», sagt etwa Adrian Schneider von der GKB dazu. Und bis die EZB so weit ist, dürfte es noch eine ganze Weile dauern.
Normalerweise betont die SNB jeweils an der Sitzung, dass der Franken hoch bewertet sei und bekräftigt gleichzeitig ihre Bereitschaft, bei Bedarf am Devisenmarkt zu intervenieren. Ob der Franken noch immer zu hoch bewertet ist, darüber sind sich Ökonomen aber mittlerweile nicht mehr so einig. Viele halten den Franken zum Euro mittlerweile als «fair bewertet», auch wenn er zuletzt wieder deutlich zugelegt und mit rund 1,04 aktuell auf dem höchsten Stand seit Aufhebung des Euro-Mindestkurses im Januar 2015 liegt.
Überlegungen zum Wortlaut
Bei der SNB-Bewertung des Frankens könnte es denn auch tatsächlich zu Überraschungen kommen, meint etwa Thomas Gitzel von der VP Bank. Wie die Entwicklung der Sichteinlagen zeige, habe die SNB trotz Kursen unter 1,05 zum Euro zuletzt keine Interventionen am Devisenmarkt mehr vorgenommen. Dazu passe aber nicht, dass die SNB den Franken als teuer bezeichne. «Möglicherweise sehen wir also eine Adjustierung des Wortlautes hinsichtlich des Frankens», so der Ökonom der liechtensteinischen Bank.
Jörg Angelé von der Bantleon Bank meint hingegen, dass die Nationalbank den Kernsatz zur höheren Bewertung mit einem Hinweis ergänzen könnte. Und der würde vielleicht lauten: Die SNB ist für Interventionen am Devisenmarkt bereit, sollte sich die Aufwertung im jüngsten Tempo fortsetzen. «Sie würde damit jedenfalls deutlich machen, dass es eine rote Linie gibt für den Wechselkurs, ohne aber ein konkretes Niveau zu nennen.»
Gerade wegen des jüngsten Anstiegs des Frankens glaubt Alexander Koch von Raiffeisen hingegen nicht an ein neues Wording. Die SNB werde den Franken weiter als hoch bewertet beurteilen, womit natürlich auch der Negativzins sowie bei Bedarf weitere Devisenmarktinterventionen unverändert notwendige Instrumente blieben, sagt er. Die SNB dürfte ausserdem betonen, dass sie die gesamte Wechselkurssituation beobachte und nicht nur die Entwicklung gegenüber dem «schwachen» Euro.
Dieser Meinung schliesst sich auch Karsten Junius von Safra Sarasin an. Klar werde die SNB den Franken weiter als hoch bewertet bezeichnen, da sie sonst ihre prinzipielle Interventionsbereitschaft nicht begründen könnte, meint er.
Unterschiedliche Inflationsentwicklung
Dass der Franken höchstens noch als leicht überbewertet eingeschätzt wird, hat vor allem mit der unterschiedlichen Inflationsentwicklung in der Schweiz und dem Euro-Raum beziehungsweise den USA zu tun. Während die Inflation in der Schweiz sich mit zuletzt 1,5 Prozent noch in Grenzen hielt, lag sie im Euro-Raum bei 4,9 Prozent (Deutschland 6,0 Prozent) oder in den USA bei gar 6,8 Prozent, notabene dem höchsten Wert seit 1982.
Da sich laut gängiger Wechselkurstheorie Inflationsunterschiede über die Wechselkurse ausgleichen, kann der Franken aktuell einiges an Wert zulegen, ohne dass er effektiv stärker wird. Durch die unterschiedliche Entwicklung habe sich der faire Wert des Euro zum Franken abgeschwächt, er dürfte inzwischen näher bei 1,04/1,05 liegen als bei 1,10, hat denn auch David Marmet von der ZKB berechnet. Dennoch werde die SNB an ihrem Wording «der Franken ist weiterhin hoch bewertet» wohl festhalten, glaubt aber auch er.
Und auch Alessandro Bee von der UBS schliesst sich dem an. Wenn die SNB ihr Wording gleich lasse, obschon der Franken seit dem letzten Meeting deutlich aufgewertet habe gegenüber dem Euro, sei das ein klares Zeichen, dass sie mit einem etwas stärkeren Franken leben könne.
Was passiert an der Preisfront?
In Bezug auf die Inflation wird bekanntlich die Frage, ob es sich um ein vorübergehendes oder ein länger andauerndes Problem handelt, heisst diskutiert. Entsprechend dürften sich anlässlich ihrer Lagebeurteilung auch die hiesigen Währungshüter zum Thema äussern.
UBS-Ökonom Bee glaubt allerdings, dass die SNB den Anstieg für temporär halten wird und auch nicht mit Zweitrunden-Effekten – also einem Anstieg der Löhne wegen der höheren Preise – rechnet. Eine Meinung, die zuletzt auch das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) so geäussert hat. Hauptgrund ist vor allem, dass die Rohstoffpreise sich im nächsten Jahr wieder normalisieren sollten.
(awp/gku)