Die Schweizer Inflationsrate ist im März auf 1 Prozent gesunken, den tiefsten Stand seit September 2021. Hat die SNB also alles richtig gemacht, als sie vor zwei Wochen ziemlich überraschend den Leitzins von 1,75 auf 1,5 Prozent gesenkt hat?
Der weitere Rückgang der Teuerung gibt Thomas Jordan und seinen Direktoriumskollegen recht.
Doch ganz zurücklehnen können sich die Währungshüter nicht. Denn die tiefe Inflation ist vor allem den fallenden Importpreisen zu verdanken. Bei den im Inland hergestellten Gütern und Dienstleistungen hat die Teuerung kaum nachgelassen (vgl. Grafik). Sie liegt immer noch bei 1,8 Prozent und damit sehr nah am oberen Ende des Inflationszielbandes von 0 bis 2 Prozent.
Seit diesem Jahr aber steigen auch die Importpreise wieder, nur sieht man es noch nicht in den Veränderungsraten zum Vorjahr. Entscheidend für diese Entwicklung ist der Frankenwechselkurs. Je stärker der Franken, desto günstiger die Importe. Wenn der Franken aber so wie in den letzten drei Monaten Schwächen zeigt, dann werden Güter aus dem Ausland automatisch aus Frankensicht etwas teuer.
Einladung an Spekulanten
Zum Euro hat der Franken seit Anfang Jahr 5 Prozent verloren. Die Gemeinschaftswährung notiert jetzt wieder zu rund 0.98 Franken. Der Dollar ist zum Franken von 0,84 auf 0,9 gestiegen.
Das muss der SNB noch keine grossen Sorgen machen. Auch nach dem Schwächeanfall ist der Franken immer noch eher teuer. Doch die hohe Zinsdifferenz, die die SNB mit dem Vorpreschen hinterlassen hat, ist eine Einladung für Carry-Trader. Das sind Währungsspekulanten, die die Zinsdifferenz ausnutzen. Sie leihen sich Franken für 1,5 und kaufen damit Dollars, die 5,25 Prozent abwerfen.
Tatsächlich zeigen die Positionsdaten der US-Terminbörsenaufsicht CFTC, dass Hedgefonds auf einen schwächeren Franken wetten. Sie sind in der Gesamtheit am Terminmarkt «short», das heisst, sie verkaufen Franken leer oder leihen sie sich. Die Netto-Short-Positionen haben seit 2019 das grösste Ausmass erreicht. Solche Wetten im grossen Stil schwächen die Short-Währung.
Vor diesem Hintergrund wäre es nicht verwunderlich, wenn die SNB bei einer zu steilen Frankenabwertung mit Devisenverkäufen etwas gegensteuern würde.
Sichtguthaben sinken
Laut eigenen Aussagen ist sie «bei Bedarf am Devisenmarkt aktiv». Die Frage ist, wann sie Bedarf sieht. War der jüngste Abwertungsschub schon Grund genug?
Die Bewegung der Sichtguthaben der Banken würde dazu passen. In der Karwoche sind diese Einlagen um 12,4 Milliarden geschrumpft, von 469 auf knapp 457 Milliarden Franken. So stark sind die wöchentlich publizierten Sichtguthaben seit vergangenem Juni kurz nach der letzten Zinserhöhung nicht mehr gesunken.
Das könnte ein Hinweis auf Devisenverkäufe sein. Denn wenn die SNB Devisen verkauft, belastet sie den Betrag den Sichtguthaben der Geschäftsbanken.
Doch die Änderung in den Sichtguthaben kann auch andere Gründe haben. Sie sinken auch dann, wenn die Nationalbank durch Repogeschäfte Liquidität abschöpft. Deshalb sind die Sichtguthaben nach Aufhebung des Negativzinses so stark gefallen. Auch die Liquiditätskrise rund um den CS-Kollaps brachte Bewegung in die Sichtguthaben.
Laut UBS-Ökonom Florian Germanier dürften genau solche Liquiditätssteuerungsmassnahmen Grund für die jüngste Volatilität der Sichtguthaben sein und nicht Devisenverkäufe der SNB. «Aus geldpolitischer Sichtweise wäre es doch etwas inkonsistent, mit einer Zinssenkung die Geldpolitik zu lockern und gleichzeitig mittels Devisenverkäufen die geldpolitischen Bedingungen zu straffen.»