In Ihrem Buch nennen Sie Männer «den Feind». Hilft das in der Gleichberechtigungsdebatte am Arbeitsplatz?
Jessica Bennett*: Männer sind nicht der Feind, sie sind unsere wichtigen Komplizen. Ich beschreibe die sexistischen Archetypen, auf die man im Arbeitsleben trifft. Mit dem Buch will ich das Bewusstsein dafür schärfen, dass Geschlechtervorurteile tief in unserem Arbeitsalltag verwurzelt sind und nicht selten unterbewusst mitlaufen. Männer und Frauen, die sexistisches Verhalten an den Tag legen, bemerken dies oft gar nicht.
Was für Reaktionen haben Sie auf das Buch erhalten?
Ich hatte mit lauten Skeptikern gerechnet, die anzweifeln, dass Sexismus im Büroalltag überhaupt existiert. Das Feedback war aber im Gegenteil bis jetzt überwältigend positiv – von Männern und von Frauen. Es gibt zahlreiche Männer, die meine Lesungen besuchen oder mir unterstützende E-Mails schreiben. Leider sind es aber immer noch zu wenige. Als Mitglied eines Female Fight Clubs müssen wir uns Mühe geben, mehr Männer als Komplizen zu rekrutieren. Sie sind entscheidend in diesem Kampf: Sie machen die Hälfte der Bevölkerung aus, führen unsere Firmen, stellen Politiker, Chefs, Väter, Partner und Freunde. Wir brauchen sie auf unserer Seite.
Jeder denkt an seine eigene Karriere. Haben Männer einen Anreiz, sich als «Wingman» für Frauen einzusetzen?
Ja. Das Ganze ist kein Nullsummenspiel: Frauen zu befreien heisst auch, die Männer zu befreien. Geschäfte laufen besser, kollaborativer und profitabler, wenn Frauen an Bord sind.
Viele Arbeitsumfelder sind sehr kompetitiv. Wie kriegt man die weibliche Konkurrenz dazu, sich einem Female Fight Club anzuschliessen?
Ein Female Fight Club muss nicht zwingend aus Büro-Kollegen bestehen. Oft kann es sogar lehrreich sein, die Perspektiven von Personen mit anderen Arbeitgebern oder sogar aus anderen Industrien anzuhören. Einen Fight Club können Sie noch heute gründen: Laden Sie fünf Freunde ein - auch Männer, wenn Sie wollen - treffen Sie sich einmal im Monat und reden Sie über die Probleme, die Sie im Arbeitsumfeld antreffen.
«Feminismus» ist ein oft negativ konnotierter Begriff. Wie können Unternehmen Frauenthemen aufgreifen, ohne mit spezifischen «Frauenprogrammen» sexistisch rüberzukommen?
Indem man aufhört, über Frauen-Themen und Frauen-Programme zu reden. Themen der Gleichstellung sind Themen, die uns alle etwas angehen - ob Frau oder Mann. Dasselbe gilt für die Definition eines Feministen: Das ist jemand, der an Geschlechtergleichheit glaubt. Tun Sie das, sind Sie ein Feminist, egal welchem Geschlecht Sie angehören. Anstatt «Frauenthemen» zu besprechen, sollten Unternehmen und Medien diese Themen ins Daily Business aufnehmen und nicht in Spezialkategorien abschieben. Das hat bereits Erfolg: «Feminismus» ist ein Konzept, das immer breiter akzeptiert wird.
Wenn man den amerikanischen Wahlkampf verfolgt, scheint das nicht so. Der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump hat jede nur mögliche Linie mit Frauen übertreten. Trotzdem gibt es immer noch eine Chance, dass er ins Weisse Haus gewählt wird. Wie kann das sein?
Ich bin nicht bereit, über diese Möglichkeit nachzudenken. Ich denke, dass Hillary Clinton sich durchsetzen wird. Der Ärger unter Frauen und Männern über die letzten Enthüllungen zu Donald Trump ist spürbar.
An Clinton wird oft kritisiert, dass sie zu kalt, unnahbar und karrieristisch sei. Muss sie ihr Verhalten ändern, um gewählt zu werden?
Nein. Unsere Wahrnehmung von Clinton ist von sexistischen Rollenbildern geprägt. Das sollten wir erkennen. Wir hinterfragen viel öfter, ob man Hillary Clinton vertrauen kann, als wir es bei Donald Trump tun. Das, obwohl Clinton von PolitiFact, einer Faktencheck-Organisation, als viel ehrlicher als ihr Gegner bewertet wurde. Wir zweifeln Clintons Qualifikationen für das Amt des Präsidenten an, obwohl es genügend glaubwürdige Beweise für das Gegenteil gibt. Frauen müssen doppelt so gut für einen Job qualifiziert sein um als «gut» zu gelten. Das ist alles subtiler Sexismus. Diesen setzen auch die Wähler ein, die Clinton als «schrill» bezeichnen, oder die Journalisten, die schreiben, Clinton solle öfter lächeln (Mehr dazu beschreibt Bennett in ihrem Beitrag in der «New York Times», den Hillary Clinton selbst auf ihrer Facebook-Seite geteilt hat).
Ist Clinton Mitglied eines Feminist Fight Clubs?
Definitiv. Sie ist ein OG («Original gangster» steht für jemanden, der bereits seit langem bei einer Bewegung dabei ist).
Was ist Ihr wichtigster Ratschlag an junge Frauen, sich in einem männerdominierten Umfeld durchzuschlagen?
Sie sollten verstehen, dass wir alle ein bisschen sexistisch sind – auch Frauen. Versuchen Sie festzustellen, wenn eine Frau in Meetings unterbrochen wird und überlegen Sie, ob sie einspringen können, um ihr zu helfen. Auch wichtig ist zu bemerken, wenn Sie mit anderen Frauen konkurrieren – nur weil diese Frauen sind. Und wenn Sie darüber nachdenken, wie rechthaberisch und angeberisch eine weibliche Kollegin ist, drehen Sie den Gedanken um und fragen Sie sich: «Würde ich dasselbe denken, wenn ein Mann dasselbe sagen würde?»
*Jessica Bennett ist Kolumnistin bei der «New York Times» und schreibt für Sheryl Sandberg's Nonprofit Organisation LeanIn.org. Sie ist Mitgründerin und Kuratorin der Lean In Collection. Zusammen mit der Fotoagentur Getty Images möchte Sie durch Fotografie ändern, wie Frauen im Fotobestand dargestellt werden.
*Feminist Fight Club von Jessica Bennett können Sie auf Amazon.de bestellen (12,99 Euro, bzw. 14,10 Franken).
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