Sie spielte die erste Geige im Hong Kong Philharmonic Orchestra. Nun lebt die koreanische Meistergeigerin und Gattin von Martin Senn, dem Chef der Zurich Insurance Group, in Zürich und hat zwei Kinder. Auch die Finnin Pirkko Mölsä, Gattin von Josef Ackermann, ist akademisch ausgebildet und hielt ihm während seiner Karriere zu Hause den Rücken frei. Bekannt ist keine dieser Damen für ihre berufliche Karriere, sondern eher für ihren Ehemann.
Lebenspartnerinnen von Top-Managern und Diplomaten arbeiten in der Regel nicht. Doch das ändert sich. Nur noch Gesellschaftsdame zu sein, reicht vielen nicht mehr. Dieser Wandel hat nicht nur Konsequenzen für viele traditionell gelebte Partnerschaften. Auch Unternehmen, die ihre zumeist männlichen Führungskräfte ins Ausland entsenden wollen, müssen sich umstellen.
Wenn Frauen an der Seite eines prominenten Chefs tatsächlich ihre eigenen beruflichen Wege gehen, kann das Top-Manager bisweilen in grosse Schwierigkeiten bringen. Zum Beispiel, wenn der Mann Präsident der Schweizerischen Nationalbank ist und die Frau als erfolgreiche Galeristin gern mit Devisen handelt. Manche Top-Manager mögen bei der Verfolgung des Skandals um Philipp und Kashya Hildebrand aufgeatmet haben. Die Gefahr einer finanziell sehr selbstständig agierenden Frau droht ihnen in den meisten Fällen zu Hause nicht. Denn viele Gattinnen der Oberschicht beenden nach der Heirat ihre Karriere oder arbeiten gar nicht erst. Zumindest war dies lange Zeit so üblich.
Frauen passen sich an
Soziologen sind sich bei der Betrachtung der traditionellen Rollenverteilung relativ einig. «Je höher die Position eines Mannes in der Wirtschaft, desto mehr passt die Frau ihren Alltag dem seinen an», sagt der Soziologe Hans-Peter Blossfeld vom European University Institute in Florenz. In einer Langzeitstudie hat er 30000 Paare aus zwölf Ländern zu ihrer Arbeitsteilung befragt. Das Ergebnis: «Die traditionellen Geschlechterrollen stecken noch fest in den Köpfen», erklärt Blossfeld.
Professorin Tomke König von der Universität Bielefeld kommt in ihren Arbeiten zu einem ähnlichen Schluss. «Die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung ist typisch für hohe Wirtschaftskreise», schreibt sie nach vielen Interviews mit Ehefrauen von Top-Managern. Die «Ehefrau von» jemandem zu sein, verschaffe ihnen Zutritt zu Kreisen, in die Frauen sonst kaum vorstossen könnten. Die Chefzirkel, hohe Kader- und Diplomatenpositionen seien nach wie vor von Männern dominiert. Mit ihrer Position als Gattin dienten die Frauen allerdings nicht nur sich selber. «Für den Manager ist es wichtig, verheiratet zu sein», sagt Tomke. Die Ehefrauen leisteten für den Erhalt der sozialen Position wichtige Statusarbeit, für die das Geld, das die Männer verdienten, nur Voraussetzung sei.
Anders als in der Mittelschicht erheben diese Frauen keinen Anspruch auf eine Berufsbiografie, beobachtet die Forscherin. Die Damen der Oberschicht wollten in der Regel nicht berufstätig sein, auch wenn sie es sich leisten könnten, dass andere die materielle Hausarbeit für sie verrichteten. Nur so könnten sie Netzwerke pflegen und ein «gesellschaftliches Haus» aufbauen. Ihr besonderes Selbstverständnis würden sie ausserhalb ihrer Kreise nicht zur Schau stellen. Man treffe auf seinesgleichen in exklusiven Clubs, schreibt König. Dadurch grenze sich die High Society von den «Young Urban Professionals» und der Prominenz ab.
Allerdings scheint sich zum Teil ein Generationenwechsel abzuzeichnen. Jüngere Frauen wollen oft nicht einfach nur Gesellschaftsdame sein, selbst wenn sie es finanziell könnten. Das Leben als «Ehefrau von» finde in der Gesellschaft immer weniger Akzeptanz, so ein Chef. «Die Damen möchten etwas in ihrem Leben haben, auf das sie stolz sein können», sagt er. Das gehe heute eben nicht mehr nur über die Kinder oder über den Weg, das Geld des Mannes auszugeben.
Für Unternehmen kann dieser gesellschaftliche Wandel Nachteile haben. Sie müssen sich nicht mehr nur um ihren Angestellten kümmern, sondern auch um dessen Partnerin. «Die Karriere von Ehefrauen ist heute einer der wichtigsten Gründe von Kadern, einen Posten im Ausland abzulehnen», sagt Scott Sullivan, Executive Vice President von Brookfield Global Relocation Services. Das Unternehmen ist ein führender Dienstleister für Firmen, die ihre Mitarbeiter ins Ausland versetzen wollen. «Die meisten Führungspersonen sind heute mit gutausgebildeten Frauen verheiratet», sagt der Manager, der selbst mehrfach über längere Zeit im Ausland gearbeitet hat. «Sie wollen gesellschaftlich durch eine eigene Karriere beitragen, nicht einfach nur versorgt werden.»
Melissa Woods Nelson bestätigt dies. Die Amerikanerin ist seit 13 Jahren mit einem Schweizer Diplomaten verheiratet. «Das Bild von der Hausfrau, die immer glücklich von zu Hause aus die Karriere ihres Mannes unterstützt, entspricht sicher nicht mehr den Bedürfnissen und Erwartungen der grossen Mehrheit der Begleitpersonen», sagt die 41-Jährige. Allerdings ist dies als Ehefrau eines Mannes in anspruchsvoller Position nicht immer leicht.
Ihren Mann hat Woods Nelson in Äthiopien kennengelernt, sie arbeitete dort in der Entwicklungszusammenarbeit. Das Paar heiratete, er wurde immer wieder versetzt. In Ägypten konnte sie als Konsulentin in ihrem Bereich arbeiten, in Japan war dies jedoch schwierig. Sie blieb zu Hause und widmete sich den Kindern. Der berufliche Wiedereinstieg in der Schweiz war allerdings nicht leicht aufgrund der grossen Lücke im Lebenslauf. «Ich musste mich neu orientieren und brauchte dafür viel Energie und Flexibilität», sagt Woods Nelson. Doch sie habe es geschafft und sei sehr glücklich darüber. Heute arbeitet sie als Projektleiterin beim Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten.
Konflikte bei Doppelkarrieren
Melissa Nelson Woods ist mit ihrer Einstellung keine Ausnahme. Die meisten Partnerinnen von erfolgreichen Managern verfügten über gute Karrieren, auch wenn Kinder da seien, erklärt Sabine Binelli vom Schweizer Spouse Career Centre. Das Vermittlungsunternehmen hilft Gattinnen von ausländischen Kadern, in der Schweiz Fuss zu fassen. Die Damen wählten Berufsfelder, die gut übertragbar seien, sagt Binelli, etwa eine Arbeit als Lehrerin an einer internationalen Schule oder als Projektmanagerin für multinationale Konzerne mit Englisch als Firmensprache. Viele arbeiteten auch selbstständig im Home Office. Einfache Anstellungen kämen ihr bei den Vermittlungen selten unter. Konflikte bei Doppelkarrieren bleiben dabei allerdings nicht aus, wenn jeder sich auf die eigene Karriere konzentriert – obwohl es sicher nicht immer zu einem Karrierezusammenbruch des Mannes führen muss wie bei den Hildebrands.