Dass Glück wichtig ist, wird kaum jemand bezweifeln. Dass Glück inzwischen in manchen Firmen auf der höchsten Managementebene angesiedelt ist, dürfte aber überraschen. Chief Happiness Officer, kurz CHO, lautet der neue Titel des Zuständigen für Mitarbeiter-Glück.
Vor allem in global agierenden Firmen sollen Glückschefs dafür sorgen, dass die Mitarbeiter zufrieden sind und ihren Job mit einem guten Gefühl erledigen. Der Gedanke dahinter: Zufriedene Mitarbeiter arbeiten besser und effektiver und sorgen so dafür, dass auch die Kunden zufrieden sind - und das Geschäft floriert.
Wachsender Titelberg
Google – deren langjähriger Werbespruch «Don't be evil» lautete - hat selbstverständlich schon lange einen CHO. Bis kleinere Unternehmen das Streben nach Glück auf Konzernleitungsebene heben, dürfte es noch einige Zeit dauern.
Hier gilt das Glück der Mitarbeiter eher als deren Privatsache, nicht als strategische Ressource. Der Chief Happiness Officer ist aber nur die Spitze eines beeindruckenden Titelbergs: Neben CEO, CFO und CIO gibt es auch CISO, CTO, CDO, COO, CMO, CPO, CCO – die Aufzählung geht noch weiter.
Alle halten sich für unverzichtbar
Kaum ein Buchstabe des Alphabets, der noch nicht zum Mittelteil einer Funktionsbezeichnung wurde. Zu mancher Abkürzung gibt es drei, vier oder gar sieben verschiedene Jobbeschreibungen. Die Top-Management-Ebene des einen oder anderen Unternehmens wirkt wie ein bunter Strauss an «Chiefs». Und alle beteuern, dass sie strategisch wichtig und unverzichtbar sind.
Wofür braucht es Konzernleitungen in Dutzendgrösse mit lauter phantasievollen Titeln? Ist die Teppichetage nicht langsam zu voll? Man könne nicht behaupten, die Leitungsebenen blähten sich auf, erklärt Markus Schweizer, Managing Partner des Bereichs Advisory bei der Unternehmensberatung EY.
Für manche Firmen reichen drei Titel
«Aber ich teile die subjektive Wahrnehmung durchaus: Konzernleitungen umfassen heute mehr und teilweise andere Funktionen als früher. Viele Schweizer Unternehmen indes kommen auch weiter mit einem Chief Executive Officer (CEO) und einem Chief Financial Officer (CFO) aus, der Rest der Konzernleitung besteht dann aus den Abteilungsleitern geografischer Divisionen.
Heute sieht man aber auch Geschäftsführer, die sich vorrangig um die IT kümmern. Compliance- und Risiko-Officers gibt es seit den Krisenzeiten 2008 ebenfalls immer häufiger», sagt Wirtschaftswissenschafter Patrick Ulrich von der Universität Bamberg: «Die Leitungsstruktur auf der obersten Ebene differenziert sich aus.» Das sei ein Zeichen für mehr Teamwork bei den C-Level-Chefs.
Hohe Verwechslungsgefahr
Dabei ist die Verwechslungsgefahr zwischen den unzähligen Chief-Titeln, eine aktuelle Aufstellung kommt auf 70 Begriffe, hoch: Ein CCO kann sich als Chief Customer Officer um die Belange der Kunden kümmern. Oder als Chief Commercial Officer Marketing und Vertrieb steuern.
Als Chief Compliance Officer achtet er auf die Einhaltung von Grundregeln der guten Unternehmensführung. Im Medienbereich kennt man auch den Chief Content Officer - er ist verantwortlich für die inhaltliche Ausrichtung.
Finanzinstitute beschäftigen gelegentlich einen Chief Credit Officer, Werbeagenturen oder Designstudios haben auch mal einen Chief Creative Officer auf der Gehaltsliste. Schlussendlich darf der ein oder andere Konzernkommunikator sich Chief Communications Officer nennen.
Einige Titel schaffen Verwirrung
Ein anderer Fall ist der CIO: Ihn kennt man vor allem als Chief Information Officer, quasi der oberste Informatiker eines Unternehmens. Im Finanzwesen gibt es aber auch den Chief Investment Officer. Der CSO kann der oberste Verkäufer sein, als Chief Sales Officer.
In forschungsintensiven Unternehmen gibt es den Chief Science Officer. Der Chief Strategy Officer hat die Aufgabe, die strategische Ausrichtung eines Konzerns im Blick zu behalten oder eine bestimmte Unternehmensstrategie umzusetzen.
In letzter Zeit kommt auch der Nachhaltigkeitsgedanke mit dem Chief Sustainability Officer zum Tragen. Der CDO ist meist der Chief Digital Officer. Dabei kann ein CDO auch als Chief Design Officer arbeiten, als Chief Data Officer oder als Chief Diversity Officer auf die Vielfalt im Konzern achten.
Strategische Überlegung
Es ist nicht nur einfach Mode, ein grosses Management mit vielen schönen Titeln zu haben - auch wenn die Titel selbst manchmal durchaus eher Modeerscheinungen sind: «Chief Financial Officer» hat einfach mehr Sexappeal als «Kaufmännischer Leiter».
Dahinter stecken oftmals strategische Überlegungen, so die Experten: In der Unternehmensleitung sollten die Schlüsselerfolgsfaktoren eines Unternehmens abgebildet sein.
Das habe sehr viel mit den Anforderungen des Marktes zu tun, in dem ein Unternehmen sich bewegt, sagt EY-Consultant Schweizer. Und die ändern sich derzeit gewaltig.
Chef für Internetsicherheit
Beispiel Banken: Die Kunden vertrauen darauf, dass ihre Daten bei ihrer Bank in guten Händen sind. Banken sollen es Datendieben in Zeiten globaler Vernetzung also nicht zu einfach machen. Deshalb ist Internetsicherheit ein grosses Thema im Finanzsektor, und deshalb finden sich bei diesen Instituten relativ viele sogenannte «Chief Internet Security Officers» (CISO).
Das signalisiert den Kunden: Wir kümmern uns darum, dass die Daten bei uns sicher sind. Und: Internetsicherheit ist nachweislich nicht nur einer der vielen Punkte auf der To-do-Liste eines thematisch wesentlich breiter aufgestellten Chief Information Officers (CIO).
Novatis betont die Ethik
Aus ganz ähnlichen Gründen macht man sich beim Pharmakonzern Novartis Gedanken über ethische Grundsätze. Die Pharmabranche ist eine hoch reglementierte und überaus sensible Industrie - schliesslich geht es um die Gesundheit und das Leben von Menschen.
Welche Art von Beziehungen pflegt das Unternehmen also zur Ärzteschaft und zu anderen Kunden? Wenn es um Menschenleben und den Ruf eines Pharmaunternehmens geht, ist diese Frage essenziell - und verantwortliches Handeln ein strategischer Aspekt der Geschäftstätigkeit.
CTO im Kommen
«Wir wollen die gesellschaftliche Akzeptanz unserer Geschäftsführung weltweit auf einem hohen Niveau halten», begründet Novartis-Sprecher Patrick Barth die Berufung von Eric Cornut auf den Posten des Chief Ethics, Compliance and Policy Officers (CECPO) im Jahr 2014. Er kümmert sich darum, dass alle Mitarbeiter den Verhaltenskodex und das interne Governancesystem bei Novartis umsetzen.
Geht etwas schief, erfährt es Novartis-CEO Joseph Jimenez direkt von seinem CECPO. Diese Struktur sorgt zudem dafür, dass auch die Leitungsebene nicht allzu hierarchisch wird.
Nicht jeder ist geeignet
Das Problem bei der Inflation der C-Level-Posten: Nicht jeder ist für den Job im Spitzenteam geeignet. «Es gibt nur einen relativ kleinen Pool von Leuten, die wirklich alle Fähigkeiten eines Top-Executives mitbringen», warnt Organisationsexperte Patrick Ulrich.
Die Häuptlinge müssen nicht nur fachlich ihren Unternehmensbereich durchdringen, sie müssen vor allem soziale Fähigkeiten aufweisen.
Auch strategische Fähigkeiten sind nötig
Das werde bei der Berufung der vielen Chiefs oft vergessen. Auch strategische Fähigkeiten seien für die Berufung in die Top-Ebene entscheidend und mindestens gleichrangig mit fachlicher Kompetenz.
Einerseits müssen die neuen Officers nämlich flexibel auf eine sich ständig verändernde Umwelt reagieren können - Change Management heisst das in der Beratersprache.
Technologie wird wichtiger
Anderseits sollen die Top-Leute Stabilität und Orientierung in die Unternehmen zurückbringen, sagt Executive-Searcher Fredy Hausammann, Managing Partner für die Schweiz beim Executive-Search-Spezialisten Amrop: «Das hat in den letzten Jahren massiv gefehlt.»
Hausammann weiss auch, welche Positionen in Zukunft an Bedeutung gewinnen werden: «Bei den Themen Technologie und Human Capital Management werden die Unternehmen wohl in Zukunft die Konzernleitungen und Verwaltungsräte weiter verstärken müssen.» Es dürfte also bald einige Chief Technology Officers und Chief Human Resources Officers mehr geben.