Welche Möglichkeiten haben Unternehmen, Künstler über das Entwerfen eines neuen Logos hinaus in das Firmengeschehen zu integrieren?
Leonhard Fopp*: Heute ist es wichtig, Mitarbeiter zur Selbstverantwortung und zum eigenen Handeln nicht nur zu befähigen, sondern sie auch zu motivieren. Insbesondere in der Generation Y, der es heute viel mehr um den Wert ihrer Arbeit geht. Interessanterweise ist diese besonders offen für künstlerische Aktionen und Innovationen. Das fängt schon an bei der Gestaltung der Arbeitsräume.
Inwiefern?
Wer in einem die Kreativität ansprechenden Büro arbeitet, kann auch gleich viel innovativere Ideen entwickeln. Nehmen wir Google – das ist einfach eine andere Welt! In den aufwendig gestalteten, farbenfrohen Räumlichkeiten des Konzerns herrscht ein ganz anderes Klima, langweilige Grossraumbüros gibt es nicht. Heute funktioniert eine Wirtschaft nicht, wenn es immer nur darum geht, Geld zu sparen und Stellen zu streichen – so, wie es derzeit Banken wie die Credit Suisse oder die Deutsche Bank tun. Die einzige Botschaft dieser Unternehmen ist: «Wir müssen sparen. Wir müssen Stellen streichen. Wir müssen schrumpfen.» Das ist doch völlig trostlos!
Jetzt hat natürlich nicht jedes Unternehmen so viel Geld wie Google, um seine Büroräume aussergewöhnlich zu gestalten. Können schon ein paar Bilder an der Wand helfen, die Kreativität anzuregen?
In meinem letzten Buch, «K-Faktor», schreibe ich, dass es verschiedene Stufen der Kunst-Kompetenz gibt. Es gibt Chefs, die glauben, dass es einfach zum guten Ton gehört, ein paar Bilder aufzuhängen. Also tun sie es. Aber ihnen fehlt im Grunde die Passion für Kunst und auch das Verständnis. Für sie heisst ein Picasso im Foyer, zu einer gewissen Elite zu gehören. Das ist die falsche Motivation.
Kann damit aber auch die Masse von Kunden angesprochen werden? Die bekommen von den kunstvoll gestalteten Büroräumlichkeiten irgendeines Backoffice ja nichts mit.
Kunst ist in meinem Buch einer von vier Erfolgstreibern. Nehmen wir dazu ein praktisches Beispiel: Wenn Kunden einkaufen gehen, haben sie doch viel mehr Spass, wenn sie dies in einem Geschäft mit einem ästhetisch ansprechenden Ambiente tun können – und sei es nur beim Einkauf von Unterhosen. Ich bin überzeugt, dass es Kunden gibt, die in einen Laden kommen, nur um auf die Schnelle 10 oder 20 Franken auszugeben. Dann aber gönnen sie sich in einer kunstvoll gestalteten Boutique ein wesentlich teureres Teil. In der Fachsprache entspricht dies dem «hybriden Kunden». Das ist mit Unternehmen vergleichbar, die gezielt sparen und in Kunst investieren. Das geht aber natürlich nur, wenn die Firma erfolgreich ist. Schliesslich kostet gute Kunst viel Geld.
Gibt es denn Unternehmen, die diese Philosophie erfolgreich umsetzen?
Ich kenne da beispielsweise den Unternehmer Reinhold Würth, den Schraubenhersteller aus der tiefen deutschen Provinz. Er hat beim Aufbau seines Unternehmens immer konsequent auf Kunst gesetzt, sie gekauft und auch gefördert. Er stellt in seiner Firma jedes Jahr ein Motto auf, das er seinen Tausenden von Mitarbeitenden bekannt gibt. Er sagt nicht «Jetzt machen wir uns auf zur Spitze», sondern er instrumentiert Kunst dazu, seine Botschaft auszudrücken. Er lässt Künstler Werke erstellen, die dann zum Beispiel in der Hauszeitschrift zelebriert werden oder auf Plakaten und Ausstellungen zu sehen sind. Das stellt für mich eine gelungene Verknüpfung von Kunst und Unternehmensführung dar. Diese Kunstwerke helfen das Jahresziel populär zu machen. Und schon ein kleines Objekt auf dem Schreibtisch der Mitarbeitenden kann motivierend wirken. Selbst ein Hintergrundbild auf dem Laptop ist inspirierend! Ich habe zum Beispiel einen Kunden, der auf Brandsanierungen spezialisiert ist. Auf sein Unternehmensgebäude haben seine Mitarbeiter ein Feuer gemalt – ein Riesenerlebnis, von dem die Belegschaft noch heute spricht, nach dem Motto «Weisst du noch, damals als wir das Feuer gemalt haben ...». Das sind Emotionen pur!
Aber setzen nicht ohnehin schon viele Firmen wie Nike, Coca-Cola und Sixt auf Emotionen?
Ich spreche immer von der doppelten Unternehmensführung, wobei es sowohl um die Gewinnoptimierung und die Kostenaspekte als auch um die emotionale Basis geht. Ich behaupte nicht, dass wir das Finanzielle nicht brauchen. Das muss jede Firma beherrschen, das ist sozusagen die Pflicht, die ohnehin für jede Führungskraft selbstverständlich gilt. Das Anspruchsvolle aber ist das Essenzielle, das Originelle, das Authentische, der Weg zurück zu den unternehmerischen Basics, bei denen es wirklich um die Ursubstanz und Urkompetenz eines Unternehmens geht, das könnte man als Kür bezeichnen. Nehmen Sie Victorinox. Die Schweizer Messer sind wegen der authentischen Geschichte des Unternehmens weltweit bekannt. Für mich wissen nur wenige Firmen, wie man wirklich erfolgreich Essenzielles emotional mitteilt.
Was macht Ihrer Meinung nach ein schnell wiedererkennbares und ästhetisch ansprechendes Symbol aus?
Heute haben Symbole oft eine beschränkte Wirkung, da jede Glaubensgemeinschaft bereits ihre eigene Symbolik verwendet. In dieser Hinsicht gilt es – insbesondere als internationale Marken wie Apple oder Nike – sehr aufzupassen, niemandem «auf den Schlips zu treten». Vielleicht steht der angebissene Apfel in manchen Kreisen nicht für den Garten Eden. Bei uns kann das Symbol des Obstes funktionieren, bei einem Andersgläubigen, der eine andere Geschichte hat, aber vielleicht nicht. Von religiösen Symbolen sollten Firmen deswegen Abstand halten. Bei Archetypen ist das Gegenteil der Fall, nimmt bei diesen doch jeder Mensch unbewusst ähnliche Empfindungen wahr. Und darum geht es: Beim Kunden möglichst positive Assoziationen hervorzurufen.
Was wäre dafür ein Beispiel?
Denken Sie an Knorrli, die Figur des Fertigsuppenherstellers Knorr. Schon seit 75 Jahren taucht das kleine Wichtelmännchen in der Werbung des Unternehmens auf! Das Symbol kennt hierzulande jeder, meist schon aus Kindertagen. Es ist dementsprechend auch sehr positiv besetzt. Ein Symbol sollte, ganz klar, immer eine positive Wirkung haben und möglichst von einem Archetyp ausgehen. Das Konzept der Archetypen hat Carl Gustav Jung geprägt. Es handelt sich um kollektives Unbewusstes. Ein guter Künstler oder Gestalter muss in der Hinsicht einen Zugang finden – das meist intuitiv, ohne auf irgendeine Logik zu achten. Und das ist gar nicht einfach.
* Der Autor Leonhard Fopp studierte Betriebswirtschaftslehre an der Universität St. Gallen (HSG). Er ist Spezialist für Familienunternehmen und deren strategische Neuausrichtung. Er ist Mitverfasser des Governance-Leitfadens für Familienunternehmen und dozierte an mehreren Universitäten sowie Hochschulen.