Wenn gesetzliche Regelungen fehlen, springen oft Grosskonzerne in die Bresche. Indem sie auf die Wünsche von Mitarbeitenden eingehen, machen sie sich als Arbeitgeber attraktiver. So ist es in der Schweiz, wo viele SMI-Firmen Eltern mehr bieten, als der Gesetzgeber vorschreibt. Und so ist es auch in den USA, wo es keinerlei gesetzlich verankerten Mutterschutz gibt. Software-Riese Microsoft geht jetzt aber noch einen Schritt weiter: Das Unternehmen will in absehbarer Zukunft in den USA nur noch mit Lieferanten zusammenarbeiten, die ihren Mitarbeitern mindestens zwölf Wochen bezahlte Elternzeit gewähren. Das gilt für alle Firmen mit mehr als 50 Mitarbeitern, wie die Firma Ende August in einem Blogpost schrieb.
Im Verlauf eines Jahres will Microsoft seine Lieferanten dabei unterstützen, die bezahlte Auszeit für junge Eltern einzuführen. Maximal 1000 Dollar im Monat sollen die Angestellten demnach erhalten, für mindestens zwölf Wochen. Beziehen können sollen die Elternzeit alle Eltern eines Neugeborenen oder eines Adoptivkindes, in allen Staaten der USA. Laut Microsoft haben bisher nur 13 Prozent aller Angestellten in den USA Zugang zu bezahlter Elternzeit.
Microsoft selbst geht in den USA und in der Schweiz über die gesetzlichen Vorgaben hinaus. Es bietet an beiden Standorten bezahlte Elternzeit: 20 Wochen für Mütter, sechs Wochen für Väter, beide bekommen in dieser Zeit ihr volles Gehalt. Zusätzlich zur Elternzeit haben die Mitarbeitenden bei Microsoft Schweiz die Möglichkeit, vier Wochen bezahlten Urlaub zu nehmen, um Angehörige zu pflegen. «Wir erwarten von unseren Mitarbeitenden, dass sie während der Arbeitszeit voll präsent sind und Leistung bringen. Doch es gibt auch Zeiten, in denen die volle Aufmerksamkeit alleine der Familie gehören muss», sagt Caroline Rogge, Personalverantwortliche bei Microsoft Schweiz. «Um diesem wachsenden Bedürfnis gerecht zu werden, verbessern wir unsere Familienurlaubsleistungen.»
Mutterschutz bezeichnet das Bündel aller Massnahmen, mit denen vor und nach der Geburt die Gesundheit von Mutter und Kind geschützt wird. Dazu zählt die Zeit des Beschäftigungsverbots, ein besonderer Kündigungsschutz für Mütter, aber auch Vorschriften, die gefährliche Arbeit in der Schwangerschaft untersagt. Mutterschutz dient also dem Schutz der Gesundheit von Mutter und Kind. Die Mindestdauer von 14 Wochen ist im Abkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) festgehalten. Die europäischen Staaten und die Schweiz bieten Frauen diesen Mindestschutz, wobei sich die Anwendung auf den Zeitraum vor und nach der Geburt unterscheidet.
Elternzeit dagegen bezeichnet die Zeit über den Mutterschutz hinaus, in der Eltern zu Hause beim Kind bleiben können, ohne den Anspruch auf ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Die Regelungen sind hier in den europäischen Staaten sehr unterschiedlich und reichen von wenigen Wochen bis zu mehreren Jahren. Häufig wird zumindest ein Teil der Zeit anteilig zum Lohn kompensiert. Meistens können Mütter und Väter diese Zeit flexibel unter sich aufteilen. In einigen Ländern besteht explizit Anspruch auf Seiten der Väter, eine Zeit für die Kinderbetreuung einzusetzen.
15'000 offene IT-Jobs bei Microsofts Partnerfirmen
Die Familienzeit ist für Microsoft Schweiz allerdings nicht das drängendste Problem, sondern der Fachkräftemangel im IT-Bereich. Es existiert ein Paradoxon: Einerseits gibt es derzeit 15’000 offene Jobs im Bereich IT/Engineering alleine bei den 4600 Partnern von Microsoft Schweiz. Andererseits finden viele IT-Mitarbeiter jenseits der 50 keine Anstellung mehr.
Um diese Situation zu verbessern, pflegt Microsoft Schweiz eine Bildungsallianz mit dem Institut für berufliche Aus- und Weiterbildung (IBAW), das der Migros Luzern gehört. Das gemeinsame Ziel lautet, bis 2021 mehr als 1500 Fachkräfte – Cloud-Architekten, Datenanalysten, Wirtschaftsinformatiker – aus- und weiterzubilden. Denn die zahlreichen offenen Stellen bei den Microsoft-Partnern, sagt Micorosoft-Schweiz-Sprecher Tobias Steger: «Das hemmt nicht nur die Firmen, das belastet auch die Schweizer Wirtschaft.»
Unternehmen wollen mit Familienfreundlichkeit punkten
Viele grosse Firmen bekommen den Druck durch den Fachkräftemangel in der Schweiz bereits zu spüren. Die Massnahmen für Familien sind sicherlich ein Bereich, mit dem die Unternehmen punkten wollen. Festzuhalten bleibt, dass auch die vergleichsweise grosszügigen Regelungen von Microsoft und anderen Grosskonzernen in der Schweiz in den meisten Fällen weit hinter den gesetzlichen Vorgaben anderer Staaten zurückbleiben.
Während zum Beispiel Deutschland ebenso wie die Schweiz den von der EU vorgeschrieben Mindestschutz von 14 Wochen kennt, haben Eltern dort im Anschluss an den Mutterschutz Anspruch auf Elternzeit bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes. Im ersten Lebensjahr beziehen Eltern dabei Elterngeld in Höhe von 67 Prozent des vorherigen Nettolohns, maximal 1800 Euro pro Monat. Nimmt auch der Vater zwei Monate Elternzeit, verlängert sich diese Phase auf 14 Monate.