Sie haben Ihrem Buch den Titel «Sozialkompetenz – ein Manager-Märchen?» gegeben. Stimmen Sie damit in das verbreitete Lamento ein, Führungskräfte hätten keine Sozialkompetenz?
Katja Unkel*: Das Gegenteil ist der Fall. Es gibt keine Kompetenzlücke. Das ganze Gerede vom Mangel an Sozialkompetenz – nichts als ein Märchen!
Moment mal bitte, das ist ja eine starke Aussage. Womit stützen Sie die?
Durch eigene Anschauung an verschiedenen Stationen meines Berufsweges. Ich habe in einer Führungsposition gearbeitet und während meiner Tätigkeit als Beraterin und Trainerin habe ich über 1000 Manager aus nächster Nähe erleben dürfen. Der Befund war immer derselbe. Den Leuten mangelt es nicht an Sozialkompetenz. Ich habe keinen solchen Fall erlebt.
Und was ist mit dieser ganzen Helferindustrie, die uns bescheinigt, der Mangel an Sozialkompetenz sei nahezu ubiquitär?
Ja, überall hören wir: «Ingenieuren und Naturwissenschaftern fehlen Sozialkompetenzen» oder: Dieser und jener Top-Manager hätten nicht das erwartete Mass an Soft Skills. Das ist leicht dahingesagt, und weil es scheinbar so überzeugend und vor allem unscharf formuliert ist, hinterfragt es keiner. Das bildet den Nährboden für die Helferindustrie, von der Sie zu Recht sprechen. Berater, Professoren und Buchautoren machen genau damit ein gutes Geschäft. Sie bescheinigen ihrer Zielgruppe das Defizit an Soft Skills, schüren den Schmerz über den Mangel – und verdienen an seiner Therapie. Die Soft-Skills-Bücher, Sozialkompetenz-Trainings und allerlei Dienstleistungen drumherum sind Legion. Etwas davon passt für jeden.
Was ist daran so schlimm?
Weil es nicht nur nichts nützt, sondern sogar schadet. Es ist das Medikament für einen Befund, den es so gar nicht gibt. Die Manager werden in die Irre geleitet. Es wird das vermeintliche Idealbild gezeigt, und dann wird ihnen erklärt, wie weit sie davon entfernt sind. Fragen wir eine beliebige Gruppe von Verantwortungsträgern nach der idealen Führungskraft; das habe ich in meinen Workshops oft genug getan. Heraus kommen Eigenschaften-Listen wie: Empathisch, durchsetzungsstark, Teamplayer, partizipativ, motivierend, leidenschaftlich, ausdauernd, zielbewusst, vorbildhaft, geduldig, wissend, leistungsfreudig. Jeder sagt gerne Ja zu diesen Eigenschaften. Aber in der Summe treffen wir dieses Idealbild in der Praxis nie an. Auch mittels Sozialkompetenz-Trainings wird es nicht erreicht. Hier werden Zeit und Geld vergeudet, ohne dass wir dem vermeintlich Perfekten näherkommen.
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*Katja Unkel ist promovierte Wirtschaftspsychologin (Universitäten St. Gallen und Klagenfurt) und heute Autorin und Management-Trainerin.