Sie sind Schritt für Schritt die Karriereleiter hochgestiegen - dank was?
Ich konnte immer Dinge tun, die ich liebe.
So einfach?
Ich bin seit 15 Jahren im Bereich Diversity, zuvor leitete ich bei der US-Bank Citi das Leadership Development und das Talent-Management-Strategie-Team. Es ist meine Leidenschaft, in grossen Organisationen Veränderungen anzustossen, die einen positiven Einfluss auf Menschen haben. Eine meiner Grosstanten kämpfte für das Frauenwahlrecht in Grossbritannien. Sie war eine frühe Aktivistin für Gleichheit und Fairness - davon habe ich wohl einiges geerbt.
War es schwierig mit vier Kindern?
Herausfordernd. Ich begann 1986, seither hat sich vieles geändert. Die Dynamik arbeitender Eltern wurde in die Firmen integriert. Auch bei der Elternzeit tat sich vieles: Als ich das erste Mal in den Mutterschaftsurlaub ging, waren 6 Wochen bezahlte Elternzeit normal. Alles darüber hinaus war unbezahlt. Heute sind es bei der UBS 26 bezahlte Wochen.
Das ist viel mehr als das gesetzliche Minimum, das bei 14 Wochen liegt.
Vor zehn Jahren waren wir mit 26 Wochen führend. Heute ist dies in einer globalen Firma, vor allem wenn sie ihre Zentrale in Europa hat, der Standard.
Arbeiteten Sie in Ihrer Karriere je Teilzeit?
Ich hatte zwei Phasen, in denen ich weniger als fünf Tage die Woche arbeitete. Einmal waren es vier Tage, und zwar während zweier Jahre. Als ich nach der Geburt meines dritten Kindes zurück zur Arbeit kam, arbeitete ich kurz drei Tage die Woche.
Ist Teilzeit kein Karrierekiller?
In meiner Erfahrung offensichtlich nicht. Das Engagement der Väter hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Ich stamme aus einer Generation, in welcher die Frauen die Balance zwischen Kinderbetreuung und Beruf übernahmen. Oft stiegen sie komplett aus dem Beruf aus oder lebten ein Flex-Work-Modell nach Tagen. In den letzten Jahren wurden die flexiblen Arbeitszeitmodelle stark ausgebaut. Die UBS ist hier ziemlich erfolgreich. 20 Prozent unserer Angestellten in der Schweiz arbeiten weniger als fünf Tage die Woche. Das ist eine erstaunlich hohe Zahl. In Asien sind es nur 1 Prozent.
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Wie viele dieser 20 Prozent in der Schweiz sind Frauen?
Die grosse Mehrheit, rund 70 Prozent. In den letzten Jahren haben viele Firmen Wege gesucht, Mitarbeitende, welche Eltern werden, stärker an die Firmen zu binden - nicht durch starre Teilzeitmodelle, sondern mittels agiler Arbeitszeitmodelle. Dies hat der Teilzeitarbeit das Stigma genommen.
Agile Arbeitsmodelle sind komplizierter als Teilzeitmodelle.
Das ist die Zukunft: Man muss mit dieser zunehmenden Komplexität umgehen können. Wir arbeiten in verschiedenen Zeitzonen, irgendjemand bei der UBS arbeitet immer irgendwo auf der Welt. Menschen verschiedener Kulturen in verschiedenen Zeitzonen mit moderner Technik zu verbinden, ist eine spannende Herausforderung - es ist die Zukunft der Arbeit.
Sie wollen die Zahl der Frauen in Führungspositionen auf einen Drittel erhöhen. Wo stehen Sie?
Wir haben diesen Weg 2016 gestartet. Wir entwickeln uns in diese Richtung und jede Abteilung hat eigene, spezifisch zugeschnittene - zum Teil höhere - Ambitionen, um dies zu erreichen. Wir wollen eine diversere Mitarbeiterschaft, das ist Teil meiner Aufgabe.
«Die Dynamiken arbeitender Eltern wurde in den letzten Jahren in die Firmen integriert.»
Carolanne Minashi
Weil es ein Trend ist?
Mit einer diverseren Mitarbeiterschaft hat man mehr Innovation, mehr Kundenorientierung, ein besseres Risikomanagement in der Firma. Das Gender-Thema ist dabei unser wichtigstes Ziel. Wir wollen mehr Frauen anstellen, weniger Frauen verlieren und mehr Frauen befördern.
Welcher der drei Bereiche bereitet Ihnen am meisten Kopfschmerzen?
Die drei Bereiche sind eng miteinander verflochten. Stellen Sie sich vor, man konzentriert sich nur darauf, mehr Frauen anzustellen, aber nicht, sie langfristig zu halten. Schwierig. Die Anstellungen von Frauen zu erhöhen, ist eine komplexe Herausforderung. In der Finanzindustrie wissen wir, dass der Pool von qualifizierten Talenten begrenzt ist. Wir stellen zwei Frauen einer Konkurrenzbank ein, diese Bank zwei von der UBS, das ist ein Nullsummenspiel, in dem niemand gewinnt.
Die Lösung?
Wir müssen andere Talentpools finden. Diesem Schritt dient unser Career-Comeback-Programm. Dieses hat uns Zugang zu vielen neuen Talenten in der Finanzindustrie eröffnet. Denn die üblichen Rekrutierungsmethoden haben diese Personen, meistens Frauen, daran gehindert, wieder in die Organisation hineinzukommen.
Die Talentmanagerin
Name: Carolanne Minashi
Funktion: Global Head of Diversity & Inclusion bei UBS
Alter: 52
Familie: verheiratet, vier Kinder
Ausbildung: Human Resource Management an der University of Westminster
Karriere: Minashi startete 2016 bei der UBS und war zuvor fast dreissig Jahre in Führungspositionen bei der US-Bank Citi tätig. Unter anderem war sie zuständig für Führungskräfteentwicklung, Talentmanagement und Employee Relations. Die Diversity-Expertin ist zudem Board Member des Women and Public Policy Program der Harvard Kennedy School.
Gerade im Investment Banking ist der Frauenanteil tief. Arbeiten dort besonders viele Machos?
Es gibt Teilbereiche im Investment Banking, da gibt es höhere Frauenanteile als anderswo. Und natürlich gibt es klassische Bereiche mit vielen Frauen: in der Kommunikation, im Branding, im HR oder im Sales. Die Trading-Funktionen sind hingegen herausfordernder bezüglich Frauenanteil, das gilt auch bei der IT. Dort ist der weibliche Pool zum Teil klein.
Hat Diversity einen Einfluss auf den Wert einer Firma?
Es gibt viele Business Cases, die das belegen. Für mich ist eine Studie von McKinsey die interessanteste, die gewisse Messgrössen aus dem Businessbereich mit Gender-Daten verglichen hat und einen Link zur Performance feststellte. Es gibt eine Korrelation.
Die Finanzindustrie ist für Frauen ein hartes Pflaster: Gemäss Beratungsfirma Oliver Wyman ist die Absprungrate von Frauen hier höher als in anderen Branchen.
Unsere Zahlen sagen etwas anderes. Frauen, die eine Bank verlassen, bleiben zu grossen Teilen in der Finanzindustrie. Unsere Daten zeigen auch, dass nur 4 Prozent der Frauen, welche die UBS verlassen, Zu Hause bleiben und nicht mehr arbeiten.
Warum verlassen Frauen die UBS?
Weibliche Fluktuation hat grössenteils die gleichen Gründe wie männliche Fluktuation. Die Frauen, die uns verlassen, waren aber länger bei der UBS als die Männer. Was wir sehen, ist, dass Frauen in der Finanzindustrie sehr loyal sind zu ihrem Arbeitgeber, zu ihren Kunden, zu ihren Teams.
Zahlen?
Sie bleiben oft doppelt so lange wie Männer. Die UBS hat sehr viel investiert, um die internen Karrieremöglichkeiten für alle transparenter zu machen - nicht nur für Frauen. Wir haben deshalb eine Plattform aufgesetzt, in welcher alle Mitarbeitenden ihren CV hochladen und Karrierepräferenzen angeben können. Die Bank hat im Durchschnitt über 2000 offene Stellen, da gibt es viele Chancen, ohne dass man die UBS verlassen muss.
Ist Diversity nicht einfach ein Buzzword?
Für uns ist Diversity ein strategisches Ziel, das entsprechend gemanagt werden muss. Wir sind gut im Kostenmanagement, im Planen von Wachstum, im Bewirtschaften von Risiken. Das Thema Gender muss in der gleichen Art geführt werden. Das tun wir, indem wir dem Senior-Management monatlich rapportieren, wie sich die Zahlen verändern - etwa bei den Anstellungen oder Beförderungen.
Wenn die Werte sinken, blinkt die Alarmlampe?
Wir glauben nicht an Quoten, aber an ambitionierte Ziele. Wir stellen auch nicht Leute ein nur wegen ihres Geschlechts oder weil sie einer Minderheit angehören. Wir sind der Meritokratie verpflichtet, Leistung ist entscheidend. Wir wollen die besten Leute einstellen und wollen den besten Leuten mit unterschiedlichem Background eine Möglichkeit geben, sich und die UBS weiterzuentwickeln.
Wie?
Wir schauen die Prozesse genau an, wie wir Leute einstellen. Wenn wir mehr Frauen wollen, müssen wir mit mehr Frauen Jobinterviews führen. Wenn es dem Ende eines Auswahlverfahrens zugeht, möchten wir deshalb, dass zumindest eine qualifizierte Frau in der Endrunde steht.
«Wir stellen Leute nicht nur wegen des Geschlechts ein.»
Carolanne Minashi
Wie überprüfen Sie das?
Wir haben Indikatoren, die wir beobachten. Aber wir wissen auch, dass wir nicht in 100 Prozent der Fälle eine qualifizierte Frau finden, weil Bereiche bestehen, in denen es schlicht fast keine weiblichen Talente gibt. Wir wissen aber auch, dass diese Vorgabe das Verhalten der Hiring-Manager und der Recruiter verändert. Es erinnert sie: Schau genauer hin und arbeite härter, um diese Ziele zu erreichen.
Es gibt Männer, die klagen: Sie würden wegen des Drucks von oben diskriminiert.
Wir wollen alle mit auf die Reise nehmen. Banken haben früher hauptsächlich weisse, heterosexuelle Männer eingestellt. Dies galt nicht nur für die UBS, sondern für die ganze Finanzindustrie. Das ist heute anders. Ich weiss aber auch: Wenn wir die Gender-Agenda zu stark betonen, verlieren wir andere Gruppen, weil sie das Gefühl kriegen, sie werden benachteiligt.
Und das Risiko steigt, dass sie zur Konkurrenz gehen.
Richtig. Deshalb betonen wir: Es geht nicht um Quoten, nicht um eine umgekehrte Diskriminierung. Es soll keine Frau einen Job kriegen, nur weil sie eine Frau ist. Wir möchten einen fairen Rekrutierungs- und Beförderungsprozess, der die Leistung ins Zentrum stellt. Aber wir sagen auch, wir brauchen qualifizierte Frauen, die wir für eine Beförderung in Betracht ziehen können. Wir wollen primär die Inputfaktoren verändern, also etwa die Pipeline stärken.
In der Konzernleitung der UBS sitzen 13 Personen. Wie viele Frauen sind darunter?
Hätten Sie mich letztes Jahr gefragt, hätte ich geantwortet: zwei.
Heute lautet die Antwort: eine Frau - und zwölf Männer.
Wir hatten zwei Frauen in der Konzernleitung, eine davon, Kathryn Shih, liess sich Ende Jahr pensionieren, nach über 35 Jahren bei der UBS. Und Sabine Keller-Busse, unser Chief Operating Officer, hat in den letzten Jahren ihre Verantwortung laufend ausgebaut.
Sie ist die einzige Topmanagerin.
Es ist die erklärte Absicht, den Frauenanteil auch in der Geschäftsleitung und im Verwaltungsrat zu steigern. Das ist nicht ein One-Quarter-Game, sondern eine längere Reise. Und es ist nicht ganz fair, wenn man einen Zeitpunkt rauspickt und daraus ein abschliessendes Urteil ableitet.
Wie glaubwürdig ist Ihre Politik, wenn sie vom Topmanagement nicht gelebt wird?
Der Anteil hängt vordringlich von der Pipeline ab. Deshalb fördern wir Frauen auf allen Stufen und unterstützen sie in ihren Karriereambitionen. Dieser Anteil steigt laufend. Beispielsweise betrug der Frauenanteil der letzten Beförderungen zu Group Managing Directors 40 Prozent. Unsere Zahlen zeigen auch, dass wir den Frauenanteil im Senior-Management jedes Jahr um 1 Prozent steigern. Wir können nicht einfach den Schalter umlegen. Wir reden von einer langfristigen, harten Arbeit. Selbst wenn wir vier Frauen in der Konzernleitung hätten, würde ich nie sagen: Super, jetzt ist die Aufgabe erledigt.
Die "Financial Times" schrieb unlängst, UBS-Mitarbeiterinnen, die eine Babypause einlegten, müssten mit einem tieferen Bonus Vorlieb nehmen. Trifft dies zu?
Dieses Thema wurde letztes Jahr von einigen Frauen in der Vermögensverwaltung in Zürich aufgebracht. Ich erfuhr im Januar davon, dann haben wir die Fälle genau angeschaut. Die UBS nimmt Pay Equity sehr ernst. Wir haben unsere bestehenden Prozesse untersucht: unsere Informationen an die Linienverantwortlichen analysiert, mit unabhängiger externer Beratung nachgeprüft, ob Frauen nach dem Mutterschaftsurlaub beim Bonus wieder auf dem richtigen Niveau starteten. Weiter haben wir angeschaut, ob alle Vorgaben, welche wir schon lange implementiert hatten, auch wirklich greifen. Zusätzlich forderten wir unsere Mitarbeitenden auf, sich zu melden, falls sie den Eindruck haben, dass sie ungerecht behandelt worden sind. Bis anhin wurden unsere Kollegen in der Personalabteilung nur von einer kleinen Anzahl von Mitarbeitenden kontaktiert.
Haben Sie nachträglich Boni ausgeglichen?
Unsere Haltung war immer klar: Wir prüfen jeden Fall und werden handeln, wenn wir Diskrepanzen finden. Klar ist aber auch, dass wir von Einzelfällen und nicht von einem Systemfehler reden. Wir haben 65 000 Mitarbeitende, von diesen werden 5 Prozent jedes Jahr Eltern. Die allermeisten Fälle wurden und werden bonusmässig korrekt behandelt.
In den Medien wurde ein UBS-Manager zitiert, wonach schwanger werden eine Frage des Lebensstils sei, dessentwegen man halt Karrierenachteile in Kauf nehmen müsse. Auch Ihre Meinung?
Um präzise zu sein: Es wurde eine Mitarbeiterin aus der Schweiz zitiert. Ich sehe es anders: Wir finden es toll, wenn Mitarbeitende Eltern werden, und unterstützen sie, wenn sie in den Mutterschaftsurlaub gehen. Und wir tun einiges, dass sie bei der UBS bleiben. Unsere Erfahrung ist, dass dies kritische Momente in einer Karriere sind.
Offenbar sehen dies nicht alle Chefs so.
Wir legen Wert darauf, dass jede Vorgesetzte und jeder Vorgesetzte in der Lage ist, diese Frauen zu beraten, und ihnen Möglichkeiten aufzeigt, mit der Bank verbunden zu sein, einen guten Mutterschaftsurlaub zu haben, zurückzukommen und sich bei der UBS weiterentwickeln zu können. Entsprechend haben wir unsere Chefinnen und Chefs instruiert und trainiert. Zusätzlich haben wir in der Schweiz ein Mentoring-Angebot für Frauen, welche in den Mutterschaftsurlaub gehen, sowie ein Forum, in welchem sich Eltern austauschen können.
Sie haben auch eine spezielle Hotline für sexuelles Fehlverhalten in der Bank eingeführt. Wie häufig wird sie benützt?
Wir nehmen dies sehr ernst und haben letztes Jahr eine Reihe von zusätzlichen Schritten unternommen.
Die wären?
Dazu gehört, neben einer seit langem bestehenden Whistleblower-Hotline, eine vertrauliche Hotline, bei der man mögliche Fälle von sexuellem Fehlverhalten melden kann. Wir haben obligatorische Trainings zu respektvollem Umgang in der ganzen Bank eingeführt und unsere Personalbetreuer spezifisch weitergebildet. Wir haben auch eine Stelle geschaffen, die alle Aktivitäten zu diesem Thema koordiniert und die Qualität unabhängig beurteilt. Wir haben eine Null-Toleranz-Politik in diesem Bereich. All diese Massnahmen zeigen, wie ernst die UBS diese Themen nimmt.