Durch Familien gesteuerte Unternehmen stechen an der Börse mit einer überdurchschnittlichen Performance heraus (Mehr dazu hier HZ+). Lohnt es sich, gezielt auf solche Titel zu setzen?
Ja, ich finde, dass sich eine Investition lohnt. Gerade Familienunternehmen können auch gut als Teil eines Kernportfolios gekauft werden. Bei Familienunternehmen fällt häufig die disziplinierte Herangehensweise auf der Finanzseite auf. Deshalb haben solche Firmen oft eine gute Bilanzqualität, was ich bei einem langfristigen Engagement wichtig finde. Ebenfalls tätigen sie seltener überteuerte Übernahmen und nehmen in den meisten Fällen eine langfristige Perspektive ein, was auch dem Aktionär dient.
Was sicher eher kritisch hinterfragt werden muss, ist bei solchen Firmen die Corporate Governance. Diese ist nicht immer ganz ideal, dies würde ich im Hinblick auf die positiven Eigenschaften aber in Kauf nehmen. Gute Beispiele für Familien gesteuerte Unternehmen sind Schindler, Roche und auch Kühne+Nagel.
Der bekannte US-Investor Bill Gross warnt vor einer Zinsfalle - und sagt anhaltend tiefe Zinsen voraus. Deckt sich diese Prognose mit Ihren Erwartungen?
Ich erwarte zwar einen leichten Anstieg der Zinsen, aber in Summe bleiben die Zinsen tief. Diesbezüglich deckt sich meine Prognose mit der von Bill Gross. Allerdings habe ich nicht den Eindruck, dass die Notenbanken in der Falle sitzen. Ich habe vielmehr den Eindruck, dass die Notenbanken mit ihrer Geldpolitik zufrieden sind und darum auch gar keinen Grund sehen, sich schnell und drastisch von ihrer Tiefzinspolitik zu verabschieden.
Allerdings würde ich es sehr begrüssen, wenn die Notenbanken lauter über die Ausstiegsmöglichkeiten aus der expansiven Geldpolitik nachdenken würden. Das hilft, die Erschütterungen an den Märkten möglichst klein zu halten, auch wenn es ganz ohne nicht gehen wird. Ich bin überzeugt, dass die Notenbanken bei einer frühzeitigen Planung und einer transparenten Kommunikation der Falle entweichen können. Hier ist die Fed mit ihrer Tapering-Ankündigung ein gutes Beispiel dafür, wie es funktioniert.
«Ich erwarte zwar einen leichten Anstieg der Zinsen, aber in Summe bleiben die Zinsen tief.»
Eine gute Anlagestrategie sei langweilig, haben Sie gesagt. Was meinen Sie damit - und was sind die Bausteine dieses Prinzips?
Mit «langweilig» meine ich in erster Linie vorhersehbar. Das bedeutet, ganz klassisch, dass der Kern eines Aktienportfolios aus Dividendenwerten und Qualitätstiteln besteht. Bei Dividendenwerten setze ich auf Aktien, welche ihre Dividende in den letzten Jahren erhöht haben. Wichtig ist, dass diese aus dem laufenden, operativen Geschäft gewonnen wird. Bespiele sind SGS, Vontobel oder BKW. Bei den Qualitätstiteln denke ich an Firmen mit einer starken Marktführerschaft, einer guten Bilanzqualität sowie einem breiten Produktportfolio. Hier sind Ems, Geberit und Alphabet bekannte Beispiele. Gerade solche Firmen sind gut durch die Krise gekommen.
Nun lässt sich dieses Portfolio ergänzen, auch mit aufregenderen Komponenten. Einerseits mit Aktien, die volatiler sind und die nur für eine mittlere Haltedauer gekauft werden. Aber auch mit anderen Anlageklassen lässt sich dieser Kern ergänzen, beispielsweise mit konjunktursensitiven Edelmetallen. Anders als bei den Kernaktien, bei denen die langfristigen Ziele eine Rolle spielen, wäre hier die Marktstimmung für die Investition entscheidend.
Wechseln wir zum allgemeinen Börsengeschehen: Wie stark beschäftigt die Corona-Krise die Finanzmärkte aktuell noch?
In den letzten Wochen unterscheidet der Markt tendenziell wieder stärker zwischen Aktien, die als «Corona-Verlierer» und «Corona-Gewinner» gelten. Was die Märkte nach wie vor am stärksten beschäftigt sind die Folgen der Pandemie. Dazu gehören der Stress bei den Lieferketten, die hohen Energiepreise und die gestiegene Inflation. Die Frage ist, ob Corona das Marktgeschehen wieder stärker beeinflussen könnte.
Hier gibt es für mich drei Risiken. Erstens, wenn Chinas Null-Covid Strategie den Stress bei den Lieferketten erhöht, weil Häfen oder Produktionsstätten geschlossen werden. Zweitens, wenn die Lockdown-Massnahmen in Europa auf den Industrie- und Exportsektor übergreifen. Aktuell betrifft es wieder vermehrt Wirtschaftssektoren, die nicht an der Börse sind. Drittens, wenn der Preisdruck weiter steigt, und die Fed ihre geldpolitischen Pläne über Nacht ändern müsste. Die Aktienmärkte haben sich auf tiefe Zinsen eingestellt, weshalb jede Überraschung von Seiten der Fed negativ aufgenommen würde.
«In den letzten Wochen unterscheidet der Markt tendenziell wieder stärker zwischen Aktien, die als «Corona-Verlierer» und «Corona-Gewinner» gelten.»
Wie wird sich die Schweizer Börse kurzfristig entwickeln?
Kurzfristig, also bis Ende Jahr, bin ich für die Aktienmärkte positiv gestimmt. Zwar haben die Märkte in diesem Jahr schon eine starke Performance gezeigt, aber die Wirtschaftsaussichten sind nach wie vor überzeugend. Auch die Unternehmen blicken mehrheitlich positiv in die Zukunft. Hinzu kommt, dass wegen der tiefen Zinsen weiterhin valable Alternativen zu Aktien fehlen. In unseren Vermögensveraltungsmandaten halten wir den Schweizer Aktienmarkt weiterhin übergewichtet, gerade auch nach der Konsolidierung im November.
Wo steht der SMI in zwölf Monaten?
Er steht höher, bei rund 13'300 Punkten.
Das Ende des Börsenjahrs naht. Was sind Ihre Erwartungen für das Börsenjahr 2022?
Ich bin fürs Börsenjahr 2022 grundsätzlich positiv gestimmt. Die Wirtschaft wird sich weiterhin gut entwickeln und die Unternehmensergebnisse werden steigen. Gerade die aktuell höhere Inflation kann den Firmen sogar dabei helfen, höhere Preise durchzusetzen. Die Zinsen werden nur leicht steigen, weshalb es zu Aktien weiterhin keine Alternativen gibt. Die Zinswende in den USA wird die Märkte allerdings vor Herausforderungen stellen. Hier ist entscheidend, dass die Fed nach Plan vorgeht und offen kommuniziert. Beim Tapering hat sie das meiner Meinung nach sehr gut gemacht.
Auch rechne ich damit, dass die Märkte im nächsten Jahr wieder etwas politischer werden. Hier denke ich beispielsweise an die Wahlen in den USA. Ebenfalls auf dem Risikoradar habe ich China. Chinas Bedeutung für die Weltwirtschaft ist in den letzten Jahrzehnten laufend gewachsen. Die chinesische Politik hat sich aber in den letzten Monaten gerade bei Wirtschaftsfragen verändert. Dieser Prozess dauert an und kann die Märkte immer wieder auf dem falschen Fuss erwischen.
Cornelia Hilb beantwortete die Fragen schriftlich.
3 Kommentare
Eine Aussage über wo der SMI in 12 Monaten steht ist ein „Kaffeesatz lesen“. Da gibt es zu viele unbekannte. Das sollte Frau Hilb eigentlich wissen!
Wahrscheinlich würde sich auch ein Deutschkurs lohnen! Gleich im ersten Satz zwei dicke Fehler. Chapeau! Wie wär's mit: "Ja, ich finde, dass ..."?
Danke für den Hinweis, wir haben die Fehler korrigiert.