Der Ukraine-Krieg hat zu noch grösseren Fluchtbewegungen in sichere Häfen geführt. Die Flucht aus riskanten Investments zu stabileren Assets ist dabei nicht nur im Währungsmarkt, sondern auch am Aktien- und Anleihemarkt zu beobachten.

Am Devisenmarkt werden bei Unsicherheit traditionell der Dollar, der Franken und der Yen angelaufen. Allerdings war hier in letzter Zeit eine Divergenz zwischen den drei genannten Devisen erkennbar. Der JPY/USD befindet sich derzeit auf den tiefsten Stand seit über sechs Jahren und wertete seit Jahresbeginn rund 8 Prozent ab. Der Franken büsste gegenüber dem Dollar seit Jahresbeginn rund 2 Prozent ein.

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Der Ukraine-Krieg hat zusätzlich auch weitere Währungen ins Rampenlicht gerückt. So verschiedene Rohstoffwährungen. Diese könnten temporär die Gruppe der sicheren Häfen vergrössern.

Über den Autor

Salah-Eddine Bouhmidi ist Head of Markets bei IG und für das Marktresearch in Deutschland, Österreich und den Niederlanden verantwortlich. Er ist zudem als Experte bei DailyFX tätig, dem Nachrichten- und Research-Portal von IG. Bouhmidi beschäftigt sich seit über 15 Jahren professionell mit dem aktuellen Börsengeschehen und ist seit drei Jahren für Unternehmen der IG Group tätig. Zu seinen Entwicklungen gehören die sogenannten Bouhmidi-Bänder, ein innovativer und auf verschiedene Assetklassen übertragbarer Volatilitätsindikator.

Was macht eine Währung zu einem sicheren Hafen?

Sichere Häfen wurden bisher durch makroökonomische Faktoren bestimmt. Eine stabile Wirtschaft, stetig positive Handelsbilanzüberschüsse und eine geringe oder stabile Inflationsrate sind Faktoren, die einen sicheren Hafen bei Währungen ausmachen.

Politische Faktoren spielen eigentlich eine eher geringere Rolle. Allerdings kann die politische Neutralität in manchen Zeiten ein Vorteil sein. Japan zum Beispiel beansprucht die von Russland besetzten Kurilen-Inseln. Das könnte im weiteren Verlauf den Yen als rettenden Hafen im Vergleich zu anderen sicheren Häfen wie den Franken weniger attraktiv machen. Und die Bandbreite an sicheren Häfen könnte kurzfristig durch bestimmte Rohstoffwährungen, die wirtschaftlich solide sind, vergrössert werden.

US-Dollar legt in Kriegszeiten zu

Kriege wirken sich unmittelbar positiv auf den Dollar aus. In einer Untersuchung von Allianz Global Investors wurde festgestellt, dass der Dollar in den Quartalen nach Kriegsausbruch im Durchschnitt um 2 Prozent zugelegt hat. Aktuell liegt der Dollar-Index seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine rund 1,5 Prozent höher, und das bestätigt die Untersuchung von Allianz Global Investors.

Der Dollar profitiert derzeit nicht nur von seiner Stabilitätsfunktion, sondern auch von der strafferen Geldpolitik der Federal Reserve (FED). Steigende Zinsen dürften den Dollar weiter stützen.

Schweizer Franken hält, was er verspricht

Der EUR/CHF-Kurs zeigt, dass die Schweizer Währung als sicherer Hafen derzeit bestens funktioniert. Allerdings ist auch zu erkennen, dass die Schweizerische Nationalbank (SNB) immer wieder gegen die Wirkungen von Kapitalzuflüssen interveniert. Nach dem Ausbruch des Ukraine-Krieges war die Parität die Schmerzgrenze. Bemerkenswert ist, dass der Franken in der aktuellen Situation nur gegenüber dem Euro deutlich aufgewertet hat, wohingegen zum Dollar sogar eine leichte Abwertung stattfand.

In der Corona-Krise hingegen hatte der Franken sowohl gegenüber dem Dollar als auch gegenüber dem Euro zugelegt, wurde aber durch die SNB gebremst. Obwohl der Franken einige Parallelen zum Yen aufweist, zum Beispiel langsame geldpolitische Normalisierung und erhebliche Leistungsbilanzüberschüsse, bevorzuge ich derzeit den Franken. Zudem sei noch angemerkt, dass die Inflation in der Schweiz im internationalen Vergleich immer noch niedrig ist, was der SNB Spielraum dazu gibt, die Marktinterventionen zu reduzieren.

USD/JPY erreicht Sechs-Jahres-Tief

Ganz anders sieht die Lage beim Yen aus. Der Yen erreichte im März gegenüber dem Dollar sein Sechs-Jahres-Tief und wurde in dieser unsicheren Situation nicht so gefragt wie sonst in der Vergangenheit.

Das hat natürlich auch Gründe, wie zum Beispiel die Zinserhöhungen der Fed. Während die Bank of Japan bei ihrer expansiven Geldpolitik bleibt, setzt die FED erste restriktivere Massnahmen ein und stützt damit den Dollar.

Ausserdem birgt der Yen ein kleines geopolitisches Risiko. Japan beansprucht die von Russland besetzten Kurilen-Inseln, was die Attraktivität des Yen als sicheren Hafen senken könnte.

Rohstoffwährungen: Die neuen sicheren Häfen?

Seit Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine am 24. Februar haben insbesondere Währungen mit Rohstoffbezug profitiert. Der australische Dollar oder brasilianische Reals sind zwar keine klassischen Rückzugshäfen, doch gehören sie derzeit eindeutig zu den Gewinnern.

Rohstoffwährungen könnten in der nahen Zukunft stark bleiben. Das liegt daran, dass fast alle Länder Zeit brauchen, um ihre Importkanäle für Rohstoffe neu zu organisieren. Deshalb sind auch Währungen von Energie- und Nahrungsmittelproduzenten wie zum Beispiel norwegische Kronen oder kanadische beziehungsweise neuseeländische Dollar interessant.

Bitcoin auch ein potenzieller neuer «Safe Haven»?

Der Bitcoin wird in den Medien gerne als ein möglicher sicherer Hafen gesehen. Allerdings muss sich die Kryptomünze zuerst noch einige Jahrzehnte als «Safe Haven» beweisen. Seit Kriegsausbruch in der Ukraine legte der Bitcoin rund 25 Prozent hinzu. Interessant ist, dass sehr anonyme Kryptowährungen wie das Urgestein Monero-XMR im selben Zeitraum rund 60 Prozent gestiegen sind.

Ich kann mir dies vor allem durch die gegenüber Russland verhängten Sanktionen erklären. Dennoch haben Kryptowährungen meiner Meinung nach noch bei weitem nicht den Status eines echten und sicheren Hafens erlangt.

Der Franken und die Dollarwährungen, also der US-Dollar, der kanadische Dollar, der australische Dollar und der Neuseeland-Dollar, könnten im weiteren Verlauf ihre Aufwärtstendenzen fortsetzen. Bis auf den Franken sind dies alles Rohstoffproduzenten, die wirtschaftlich solide und geografisch weit von derzeitigen Konfliktregionen entfernt sind.

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