Im Februar ist der Mittelwert der Inflationsraten der Industrieländer auf 5,6 gestiegen und er lag somit um 5 Prozent über dem Vorjahreswert. Solche Inflationsraten wurden zuletzt vor Jahrzehnten beobachtet. In der Euro-Zone liegt die Inflation sogar bei 7,5 Prozent. Hauptgründe für diese Zuwachsraten sind steigende Rohstoffpreise, Engpässe in den Lieferketten und die angespannte Lage am Arbeitsmarkt. Diese Effekte lassen sich in den meisten Industrieländern beobachten.  

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Doch die Schweiz stellt eine Ausnahme dar; die Inflation ist zwar höher als in der jüngsten Vergangenheit, liegt aber im Vergleich zum Vorjahr nur bei 2,4 Prozent. Die Inflationslücke zwischen der Euro-Zone und der Schweiz hat sich in den letzten Jahren stetig ausgeweitet; eine Entwicklung, welche sich in den letzten zwölf Monaten noch beschleunigt hat.    

Unterschiede in den Warenkörben  

Die Hauptunterschiede bei der Gewichtung der Konsummuster der Haushalte in der Schweiz, der Euro-Zone und den USA liegen in den Bereichen Energie, Nahrungsmittel, Wohnen (ohne Energieverbrauch) und Gesundheitswesen.
 

Über den Autor

Der Ökonom Gian Luigi Mandruzzato ist Senior Economist des Vermögenverwalters EFG Asset Management in Lugano.       

Im Vergleich zu den anderen Bereichen sind die Preise für Energieträger am meisten gestiegen. Ganze 95 Prozent der im Februar beobachteten Inflationslücken zwischen der Schweiz und der Euro-Zone gehen auf die Preisentwicklung und Gewichtung der Nahrungsmittel und Energiekosten zurück. Für die USA liegt der entsprechende Anteil bei rund 40 Prozent  

Strompreise als Hauptursache  

Die Energiepreise spielten bei den Unterschieden in der Inflationsentwicklung eine überragende Rolle. Und dies ist fast ausschliesslich auf die Unterschiede bei den Strompreisen zurückzuführen. Im Februar stiegen die Elektrizitätspreise in der Schweiz im Vorjahresvergleich um ganze 2,4 Prozent, während die Euro-Zone für dieselbe Periode einen Anstieg von 34,3 Prozent verzeichnete. Wobei sich bei den Herstellerpreisen für Elektrizität noch grössere Lücken auftun.

Diese Entwicklung betrifft somit die Produktionskosten für Güter und Dienstleistungen in allen Wirtschaftssektoren. Die Lücke erklärt sich mit den unterschiedlichen Technologien zur Stromproduktion. Da die EU einen Grossteil ihrer Rohstoffe zur Elektrizitätsproduktion aus Russland importiert, trieb deren Preisanstieg auch die Strompreise nach oben.  

Unterschiede werden noch steigen  

Im Zeitraum vom Frühjahr 2021 bis zum Jahresbeginn 2022 stieg der Energie-Produzentenpreisindex (PPI) in der Schweiz um rund 15 Prozent. In der Euro-Zone betrug der Anstieg nahezu 70 Prozent. Sofern der Energie-PPI keine wesentlichen Änderungen erfährt, wird dieser Schock in beiden Volkswirtschaften die Inflation bis ins erste Halbjahr 2023 verstärken.

In der Euro-Zone dürfte dieser Effekt wesentlich ausgeprägter sein und die Inflation deutlich stärker anheizen als in der Schweiz, sofern die Regierungen der Mitgliedstaaten keine teuren Interventionen vornehmen, um ihn zu neutralisieren.    

SNB in deutlich besserer Ausgangslage als EZB  

Die im Vergleich mit anderen Industrieländern geringe Inflation in der Schweiz lässt sich grösstenteils auf die unterschiedliche Gestaltung der Warenkörbe hinter den Konsumentenpreisindizes zurückführen. In diesem Zusammenhang fällt der drastische Unterschied zwischen den Strompreisen in den beiden Volkswirtschaften auf.  

Preisschocks bei Erdgas, Kohle und anderen fossilen Brennstoffen tangieren die Schweiz relativ wenig, da hier 99 Prozent des Stromangebots aus erneuerbaren Energiequellen oder CO2-armen Technologien stammen.  

In den nächsten Quartalen dürften die bereits erfolgten Preissprünge im Energie-Grosshandel für Teuerungen sorgen. In der Schweiz dürften sich die Auswirkungen jedoch im Rahmen halten und keinen übermässigen Druck auf die Schweizerische Nationalbank ausüben, die Wachstumsaussichten zu vernachlässigen und ihre Geldpolitik koste es, was es wolle, zu normalisieren.  

Die Europäische Zentralbank geht dagegen das Risiko eines wirtschaftspolitischen Dilemmas ein, wenn die bereits deutlich über dem Zielwert von 2 Prozent liegende Inflation weiterhin ansteigt oder länger als derzeit erwartet auf einem hohen Niveau verharrt.  

Verbesserung der Energieeffizienz dringlich  

Und schliesslich verlangen die von den Ereignissen der letzten Monate ausgelöste Energiekrise und ihre heftigen Auswirkungen auf die Konsumentenpreise nach einer Politik, bei der Sicherheit, Zugänglichkeit und Bezahlbarkeit der Energiequellen im Vordergrund stehen. In der Schweiz und vielmehr noch in der EU stehen zwingend Verbesserungen der Energieeffizienz in der Wirtschaft und Unterstützungsmassnahmen für die innovativsten erneuerbaren Energiequellen einerseits und die CO2-armen Energiequellen anderseits an.    

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