ies berichtete EU-Ratschef Charles Michel am Donnerstagabend nach einem EU-Videogipfel. Die gefürchteten neuen Virusvarianten sollen gezielter aufgespürt werden und die Impfkampagne besser in Schwung kommen. Es soll einen EU-Impfpass geben, aber vorerst keine Vorteile für Geimpfte etwa beim Reisen.
Michel sagte, die Mitgliedsstaaten seien sehr besorgt über die neuen, ansteckenderen Virusvarianten. Deshalb müssten die Beschränkungen aufrecht erhalten und in einigen Fällen womöglich verschärft werden. Die Grenzen müssten jedoch offen bleiben, damit der Binnenmarkt weiter funktionieren könne, fügte Michel hinzu.
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen erläuterte, ihre Behörde wolle eine Erweiterung der bereits bestehenden Corona-Ampel-Karte vorschlagen. Demnach soll für Regionen, in denen sich das Coronavirus sehr stark verbreitet, eine neue «dunkelrote» Kategorie eingeführt werden. Auf der bestehenden Karte werden Regionen auf Grundlage gemeinsamer Kriterien je nach Infektionsgeschehen schon jetzt entweder grün, orange oder rot markiert.
Von Personen, die künftig aus den dunkelroten Zonen verreisen wollen, könne vor der Abreise ein Test verlangt werden sowie Quarantäne nach der Ankunft, sagte von der Leyen. Von nicht notwendigen Reisen solle dringend abgeraten werden. Ein Verbot nicht notwendiger Reisen - wie etwa in Belgien diskutiert - ist nicht vorgesehen. Allerdings kann ohnehin jedes Land für sich selbst entscheiden.
Zu den in der EU erst langsam angelaufenen Impfungen sagte Michel, die Staats- und Regierungschefs wollten eine Beschleunigung. Es solle aber bei dem Prinzip bleiben, dass die Impfstoffe in der EU gleichzeitig und nach Bevölkerungsstärke verteilt werden.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte vor dem Gipfel für eine engere Kooperation mit den EU-Staaten geworben, aber auch Kontrollen an den deutschen Grenzen nicht völlig ausgeschlossen. «Wenn ein Land mit einer vielleicht doppelt so hohen Inzidenz wie Deutschland alle Geschäfte aufmacht, während sie bei uns noch geschlossen sind, dann hat man natürlich ein Problem», sagte sie in Berlin.
Eigentlich herrscht im Schengenraum, dem 26 europäische Länder angehören, Bewegungsfreiheit ohne stationäre Grenzkontrollen. Doch etliche Länder hatten zu Beginn der Pandemie teils unkoordiniert Grenzen dichtgemacht oder Kontrollen veranlasst. An der deutschen Grenze zu Polen staute sich der Verkehr teils Dutzende Kilometer. Verderbliche Waren kamen nicht ans Ziel, Grenzpendler hatten Probleme, ihren Arbeitsplatz zu erreichen.
Die EU-Kommission will eine Wiederholung unbedingt vermeiden. Einige Länder kontrollieren aber bereits wieder an ihren Grenzen, darunter Ungarn, Österreich und Dänemark. Die in Grossbritannien und Südafrika entdeckten Virus-Mutationen haben neue Ängste ausgelöst, weil sie ansteckender als bisherige Varianten sein könnten.
Grenzkontrollen oder -schliessungen innerhalb der EU lehnte Luxemburgs Aussenminister Jean Asselborn strikt ab. Wenn Pendler zum Beispiel nicht mehr nach Luxemburg kommen könnten, bräche dort das Gesundheitswesen zusammen, warnte er im Deutschlandfunk. Deutschland dringt darauf, dass Pendler häufiger getestet werden. Dazu sei man auch mit den Herkunftsländern im Gespräch, sagte Merkel.
Beim Impfen rumpelt es noch in vielen EU-Staaten. Beim Videogipfel habe es viele Fragen zur Transparenz und zu Lieferplänen für die verschiedenen Impfstoffe gegeben, berichtete ein EU-Vertreter. Weil die Unternehmen Biontech und Pfizer kurzfristig weniger Impfstoff als geplant liefern können, wurden in Deutschland zum Teil Impftermine abgesagt.
Der österreichische Kanzler Sebastian Kurz schrieb auf Twitter, beim Videogipfel seien sich alle einig gewesen, dass Impfstoffe so schnell wie möglich ausgeliefert werden müssten. Er erwarte die Zulassung des Impfstoffs von Astrazeneca spätestens nächste Woche.
Die EU-Kommission erwartet ebenfalls bald neue Impfstoffe und grössere Mengen und drängt die 27 Staaten zu ehrgeizigen Zielen. Bis zum Sommer sollen 70 Prozent der Erwachsenen in der EU gegen das Virus immunisiert sein, bis März bereits 80 Prozent der Menschen über 80 Jahre und des Pflege- und Gesundheitspersonals. Merkel äusserte sich zurückhaltend. Die Kanzlerin bekräftigte lediglich, dass man allen in Deutschland bis zum Ende des Sommers - also bis zum 21. September - ein Impfangebot machen wolle.
(sda/tdr)