Die Lebenshaltungskosten nehmen zu. Die Teuerungsrate liegt jenseits der Zwei-Prozent-Marke, was zuletzt in der Finanzkrise 2008 der Fall war. Damit liegt die Inflation über dem von der SNB festgelegten Band für Preisstabilität. Die Inflation feiert ein Comeback – und damit die Frage: Wie gehen die Notenbanker mit der Situation um? Wann werden die geldpolitischen Zügel wieder gestrafft?
Am Donnerstag wird die SNB ihre geldpolitische Lagebeurteilung präsentieren. An der Zinsschraube dürften die Hüter des Frankens nicht schrauben. Interessant werden zwei andere Punkte. Erstens: Was sagt die SNB zum Franken? Zweitens: Was sagt sie zur Inflationsprognose?
Beides dürfte unterm Strich Hinweise darauf geben, wie die künftige Zinspolitik ausgestaltet werden wird.
Erstes Problem: Der Franken
Der Franken mutierte nach der Invasion der Ukraine zur Fluchtwährung. Der Aufwertungsdruck katapultierte den helvetischen Muskelprotz sogar unter die Paritätsgrenze zum Euro. Die SNB war gezwungen, verstärkt Franken zu verkaufen und Euro zu kaufen, um die heimische Währung zu schwächen und die europäische zu stärken.
Der Aktivismus zeigt sich in den Sichtguthaben. Sie sind seit Kriegsbeginn Ende Februar um knapp drei Milliarden Franken gestiegen. In der Woche mit dem stärksten Aufwertungsdruck nahmen sie um über 2 Milliarden Franken zu.
Für SNB-Verhältnisse sind das aber kleine Summen. Die Notenbank hat in den Corona-Turbulenzen im Frühling 2020 zum Teil zweistellige Milliardensummen in die Hand genommen, um den Franken zu schützen. Das könnte ein Zeichen sein, dass die SNB gewillt ist, eine weitere Aufwertung gegenüber dem Euro in Kauf zu nehmen – dies mit Blick auf die Inflation und die Aufwertung anderer Währungen.
Gegenüber dem US-Dollar hat sich der Franken zuletzt leicht abgewertet, gegenüber dem Australischen Dollar – einer klassischen Rohstoff-Währung – stark abgewertet.
In diese Richtung äusserte sich auch SNB-Direktoriumsmitglied Andréa Maechler in einem Interview anfangs März. Man dürfe den Euro-Franken-Kurs nicht isoliert betrachten, sagte sie. Und zur anziehenden Inflation meinte Maechler, dass die Schweiz – im Vergleich zum Ausland – in einer relativ komfortablen Situation sei: «Wir haben in der Schweiz eine deutlich tiefere Inflation als in anderen Währungsräumen, und diese Differenz führt dazu, dass die Wirtschaft auch mit dem stärkeren nominalen Frankenkurs leben kann.»
Zweites Problem: Inflation
Aber wie sieht es langfristig aus? Das ist die zweite Frage für Donnerstag. Die SNB wird nicht, wie gewöhnlich, das Communiqué vom Vorquartal rezyklieren können. Es braucht grössere Justierungen. Das Wording benötigt eine Generalüberholung angesichts der Ereignisse der letzten Wochen.
In der Lagebeurteilung vom Dezember sah die SNB das Top der Inflation bei 1,4 Prozent, bevor sie bis Ende 2022 wieder auf 0,7 Prozent sinkt. Das war aber vor der Explosion der Energiepreise. Bevor das Barrel Öl wieder über 100 Dollar kostete. Bevor der Gaspreis explodierte. Bevor Weizen, Soja, Mais und Holz zweistellig anzogen.
Wie nachhaltig die Preisveränderungen sind, ist noch unklar. Die Agrarpreise dürften für mehrere Jahre hoch bleiben, schätzen Beobachter. Die Energiepreise dagegen könnten relativ schnell wieder sinken. Damit wäre der gröbste Inflationsdruck genommen.
«Wichtig wird sein, wo die SNB unter der Annahme eines unveränderten Leitzinses die Inflationsrate im nächsten Jahr sieht», schreibt Thomas Stucki von der St. Galler Kantonalbank in einer Analyse vom Montag. «Das dürfte die stärksten Hinweise auf die geplante zukünftige Zinspolitik der SNB geben.»
Die SNB habe keinen Grund, überhastet die Zinsen anzuheben. Sie könne abwarten, bis die Auswirkungen der Sanktionen gegen Russland auf die Schweizer Wirtschaft besser eingeschätzt werden können. «Ich gehe deshalb davon aus, dass die SNB in diesem Jahr ihren Leitzins noch nicht anheben wird und mit einem ersten Zinsschritt bis in den nächsten März zuwartet», sagt Stucki.
Die Experten der Credit Suisse kommen zum gleichen Schluss. Sie sprechen vom «Privileg des Nachzüglers», das die SNB habe. Während die Fed oder die EZB die Geldpolitik straffen, dürfte die Schweiz – sofern die Inflation nicht ausser Rand und Band gerät – die Füsse noch relativ lange stillhalten. Das hat den Vorteil, dass die Zinsdifferenz steigt – und damit der Aufwertungsdruck auf den Franken sinkt.