Wer ist nicht schon einmal orientierungslos zwischen den Regalen im Supermarkt oder Weinshop herumgeschlendert und hat sich gefragt, ob weiss oder rot, teuer oder günstig, 93 Punkte oder Goldmedaille? Man schaut auf Sticker und fliegende Kärtlein am Flaschenhals, liest über Punkte und Prämierungen.

Und erfährt vom Medaillengewinner der Expovina oder registriert die Topbewertung von Weinpapst Robert Parker. Bestnoten von den Göttern des Sommelier-Olymp. Was diese einem flüstern, muss ja gut sein.

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Dabei sind Punkte für Wein ungefähr so präzise wie die Wertungen der Kampfrichter im Kunstturnen: Ein Teil des Urteils bezieht sich auf die Technik, der andere auf das Künstlerische. Der perfekte Salto auf dem Schwebebalken liegt im Auge des Betrachters, der Weingeschmack auf der Zunge der Verkosterin.

Was eine echte Spitzenleistung ist: Der eigene Gaumen soll 23 verschiedene Alkohole, 27 verschiedene Säuren, 80 Ester und Aldehyde und dazu Hunderte Aromen von Glas zu Glas objektiv auseinanderhalten können. Wein ist aber keine exakte Wissenschaft – und ein Pauschalurteil darüber, was man trinken sollte, ist daher wenig sinnvoll.

Dennoch verlassen sich Weintrinkerinnen und Weintrinker gerne auf die Noten von Mövenpick, Falstaff und Wine Spectator und auf die Siegerwertungen der Mundus Vini und des Grand Prix du Vin Suisse. Veranstaltet werden diese Wettbewerbe von Marketingagenturen und Vereinen.

Die Teilnahme kostet Geld, die Veranstalterinnen verdienen gut daran. Wen es bei diesen Wettbewerben zu schlagen gibt, bleibt meist ein Geheimnis. Aussagekraft: null.

Typen

Das Konterfei auf der Etikette (siehe Bild) ist vom Mitglied einer Familie, die es gar nicht gibt. Emmeram ist im Weinsortiment des Gut Oggau im Burgenland der Sohn von Mechthild (Grüner Veltliner) und Bertholdi (Blaufränkisch). Den Winzern ist hier ein spontanvergorener, unfiltrierter Wein gelungen, den Tester nur schwer als Gewürztraminer identifizieren würden. Ist auch egal, weil er ganz vielen Menschen toll schmecken wird.

Wein

Emmeram 2018 Gewürztraminer, 13,5% vol. Alk., 41 Franken bei trallala-weine.ch.

Quelle: ZVG

Der bekannteste Weinrichter ist Robert Parker. Er und sein Bewertungsteam von fünf Leuten bewerten rund 7500 Weine pro Jahr. Das sind 1250 Weine pro Nase beziehungsweise 3,5 Flaschen pro Tag. Eine schier unglaubliche Leistung.

Mein Tipp: Der persönliche Geschmack entscheidet, auch wenn der Griff zum Unbekannten ein Risiko bedeutet. Wenn man einen Treffer gelandet hat, nicht einfach zum nächsten Winzer greifen. Sondern vertikal, in die Tiefe eines Winzerangebots eintauchen und mehrere Exemplare eines Weinbauers probieren.

So lernt man die Rebsorten, ihr Potenzial und ihre Eigenschaften kennen. Dann tut man sich beim nächsten Mal leichter, wenn man wieder einmal ratlos vor dem Regal stehen sollte.