Sie beobachte mit Sorge, dass es in der Politik immer mehr Menschen gebe, die das Rad der Gleichstellung nicht nur anhalten, sondern zurückdrehen wollten. Die Entwicklung habe mit Männern zu tun, die unter Verlustängsten litten und auf alte Rollenbilder zurückgriffen, anstatt sich mit gesellschaftlichen Veränderungen auseinanderzusetzen.

Auch zur mangelhaften Umsetzung der Lohngleichheitsanalyse nahm Sommaruga Stellung. Dass mehr als die Hälfte der Firmen die gesetzliche Pflicht zur Analyse nicht erfülle, sei «bedenklich». «In einem Rechtsstaat darf man erwarten, dass sich die Leute an das Gesetz halten, auch wenn sie davon nicht begeistert sind», betonte sie.

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Die Kritik, das Gesetz sei ein «Papiertiger», wies sie zurück. Die Analysen seien weniger aufwendig als befürchtet, und der Bund stelle das Instrument kostenlos zur Verfügung. In der Verfassung stehe seit über 40 Jahren, dass Frauen und Männer für gleichwertige Arbeit gleich viel verdienen müssten. «Dieser Verfassungsauftrag ist bis heute nicht umgesetzt. Das ist der Skandal», sagte Sommaruga weiter.

«Abwertung des weiblichen Geschlechts»

Lohndiskriminierung sei Ausdruck tieferer gesellschaftlicher Probleme «Wenn Frauen weniger Lohn erhalten, nur weil sie Frauen sind, dann ist das letztlich eine Abwertung des weiblichen Geschlechts.» Diese Annahme sei auch ein Nährboden für Gewalt gegen Frauen. Seit Jahresbeginn sei jede Woche eine Frau von ihrem Partner oder einem männlichen Familienmitglied getötet worden. «Das ist doch ein Wahnsinn!», wird die alt Bundesrätin von Tamedia weiter zitiert.

Auch zur aktuellen und künftigen Zusammensetzung des Bundesrats äusserte sich Sommaruga. Sie bedaure, dass der Frauenanteil gesunken sei. «In den letzten 175 Jahren haben ein einziges Jahr lang vier Frauen und drei Männer regiert. Ein einziges Jahr!» Wäre es jahrelang umgekehrt gewesen, hätte man wohl über kaum etwas anderes gesprochen. Fünf Männer im Bundesrat nehme man hingegen «schulterzuckend zur Kenntnis».