Laut den Berechnungen des Bundesamts für Statistik (BFS) sind die Nominallöhne im Jahr 2022 durchschnittlich um 0,9 Prozent angestiegen, wie es am Montag in einer Mitteilung hiess. In der letzten Schätzung im Spätherbst wurde noch ein Anstieg von 1,1 Prozent geschätzt.
Bei vielen Arbeitnehmenden sind die Lohnzuwächse durch die Inflation, insbesondere wegen steigender Mieten und Energiepreise, aufgefressen worden. Unter Einbezug einer durchschnittlichen Jahresteuerung von +2,8 Prozent gingen die Reallöhne nämlich um 1,9 Prozent zurück.
Damit werden in der Schweiz weitere Kaufkraftverluste sichtbar. Im Jahr 2021 sanken die Nominallöhne um 0,2 Prozent, und real hatte das Minus 0,8 Prozent betragen. Auch damals war die Inflation der Hauptgrund für den Rückgang.
Deutliche Branchenunterschiede
In den verschiedenen Wirtschaftszweigen gibt es teilweise deutliche Unterschiede bezüglich Lohnentwicklung. Im Industriesektor erhöhten sich die Nominallöhne im vergangenen Jahr um durchschnittlich 0,7 Prozent und damit etwas weniger stark als in der Gesamtwirtschaft.
Den stärksten Anstieg beobachtete das BFS im sekundären Sektor in der "Kokerei und Mineralölverarbeitung, Herstellung von chemischen und pharmazeutischen Erzeugnissen" mit +4,0 Prozent. Dann folgen der "Maschinen- und Fahrzeugbau" (+2,0%) und der Bereich "Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden, Energie- und Wasserversorgung, Abfallentsorgung" (+1,2%).
Am anderen Ende der Rangliste lagen etwa die Wirtschaftszweige "Herstellung von Gummi- und Kunststoffwaren, Verarbeitung von Steinen und Erden" (-2,2%) sowie "Herstellung von Datenverarbeitungsgeräten und elektrischen Ausrüstungen und Uhren" (-0,6%).
Das "Baugewerbe" verzeichnete ein moderates Plus von 0,4 Prozent und in der "Herstellung von Nahrungsmitteln und Tabakerzeugnisse" blieben die Nominallöhne unverändert.
Mehr Lohn bei Versicherungen
Im Dienstleistungssektor nahmen die Nominallöhne um durchschnittlich 1,0 Prozent zu, wobei die grössten Zunahme die "Versicherungen" (+2,7%) sowie die Branche "Informationstechnologie und Informationsdienstleistungen" (+2,4%) verbuchten. In den "Post-, Kurier- und Expressdiensten" (-0,3%) sowie "Kunst, Unterhaltung und Erholung" (-1,4%) sanken dagegen die Nominallöhne.
Unterschiede gab es bezüglich Lohnentwicklung auch nach Geschlecht: Die Nominallöhne der Männer stiegen gemäss BFS mit durchschnittlich 1,1 Prozent stärker als jene der Frauen (+0,8%).
Gewerkschaftsbund sieht Nachholbedarf
Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) bezeichnete die Situation bei der Entwicklung der Löhne und der Kaufkraft in einer Stellungnahme als besorgniserregend. Viele Arbeitgeber weigerten sich, nur schon die Teuerung auszugleichen. Dies, obwohl sie ihre Preise erhöhten und die Ertragssituation gut sei. Konkret fordert der SGB nebst dem Teuerungsausgleich auch eine Beteiligung der Arbeitnehmenden an Produktivitätsfortschritten.
Als besonders problematisch betrachtet der SGB, dass die Reallöhne gerade in Branchen mit ohnehin eher tiefen Löhnen sinken, etwa im Gastgewerbe, im Detailhandel, bei Kurierdiensten oder auf dem Bau.
Der Gewerkschaftsbund kritisiert zudem, dass die Nominallöhne von Frauen weniger stark anstiegen als jene von Männern. Angesichts der Tatsache, dass Frauen ohnehin noch immer weniger verdienten als Männer, gehe die Entwicklung in die völlig falsche Richtung.