Er hätte niemals gedacht, welche Bedeutung die Schweizer Landwirtschaft in diesem Jahr erlangen würde, sagte Urs Brändli, Präsident von Bio Suisse, am Mittwoch bei einer Videokonferenz aus dem Hauptsitz in Basel. Die Bäuerinnen und Bauern stellten während dieser Krise - zusammen mit dem medizinischen Personal, den Chauffeuren und den Verkäuferinnen - die Grundversorgung der Bevölkerung sicher.
Doch auch bei den Bio-Betrieben habe die Ausnahmesituation für Licht und Schatten gesorgt. Zum einen hätten die Bio-Hofläden viele neue Kundinnen und Kunden angezogen. Auf der andere Seite seien Bio-Gärtnereien und die Betreiber von Marktständen gezwungen gewesen, neue Absatzwege für ihre Produkte zu finden.
Die Krise habe gezeigt, dass saisonale, regionale und Bio-Produkte die Konsumentinnen und Konsumenten beim Einkaufen lenkten, sagte Strasser weiter. So habe der Bio-Absatz in dieser Zeit um bis zu 30 Prozent zugenommen.
Bereits 2019 Umsatzrekord
Bereits im letzten Jahr war der Umsatz mit Bio-Lebensmitteln im Vergleich zum Vorjahr um 5,6 Prozent auf 3,2 Milliarden Franken gestiegen. Der Marktanteil nahm um 3,4 Prozent zu und betrug 10,3 Prozent. Die Westschweiz holte dabei auf: Erstmals lag der Bio-Marktanteil in der Romandie höher als in der Deutschschweiz (10,5 Prozent zu 10,4 Prozent).
Im Durchschnitt kauften jede Schweizerin und jeder Schweizer 2019 Bio-Produkte im Wert von 377 Franken. Das sei ein Weltrekord, sagte Geschäftsführer Balz Strasser. 57 Prozent der Konsumentinnen und Konsumenten legten täglich oder mehrmals wöchentlich Bio-Produkte in ihren Warenkorb.
Der Verkauf von Bio-Produkten habe im vergangenen Jahr in fast allen Bereichen und Landesteilen zugelegt. Den höchsten Marktanteil erreichen die Bio-Frischprodukte: Bei den Eiern war es fast jedes Dritte (28,7 Prozent), beim Brot 26,1 Prozent und beim Gemüse 23,1 Prozent.
Mit nur gerade 7,4 Prozent liegt der Anteil bei verpackten Konsumgütern deutlich tiefer. Dafür sei das Wachstum in diesem Segment auch fast drei Mal so gross wie bei den Frischprodukten, sagte Bio-Suisse-Marketingleiter Jürg Schenkel gemäss Communiqué.
Produktion übersteigt Nachfrage
Insgesamt produzieren 7300 Betriebe in der Schweiz und Liechtenstein nach den Richtlinien von Bio Suisse. Das sind 300 mehr als im Vorjahr. Sie bewirtschaften zusammen einen Sechstel der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche (169'360 Hektaren). Im Berggebiet war es sogar ein Viertel.
Weil immer mehr Bauern auf Bio umsteigen, habe die Produktion zum Teil sogar die Nachfrage überstiegen: Im letzten Jahr sei das bei Milch, Schweinefleisch und zum Teil bei Getreide der Fall gewesen. Dieses Problem habe Bio Suisse durch gezielte Promotionen, Degustationen und durch die Zusammenarbeit mit den Detailhändlern aber gelöst, hiess es.
Der Alnatura-Gründer über seine Lehrjahre bei Nestlé, seine Migros-Beziehung, den Kunstfleisch-Hype und das Bio-Geschäft von heute. Das Interview finden Sie hier.
Ziel: Ein Viertel Bio
Im Gegensatz dazu zeichne sich aufgrund der Corona-Pandemie in diesem Jahr nun ein Engpass bei der Milch ab, sagte Strasser weiter. Deshalb hätten sich die Biomilchakteure hätten deshalb entschieden, die Wartelisten für neue Knospe-Betriebe zum 1. Juni aufzuheben.
Doch auch wenn Bio Suisse damit rechne, dass die ein oder andere Kundin nun öfter zu den Knospenprodukten greifen werde, müsse die Nachfrage weiter angekurbelt werden. Dazu werde unter anderem das Marketing verstärkt.
Aber Bio Suisse will auch neue Wege gehen: «Wir wollen ins Sortiment von Take Aways, Kiosks und Tankstellen. Wir wollen in die Gastronomie und vor allem in die Gemeinschaftsverpflegung», sagte Strasser. Denn das strategische Ziel sei ein Marktanteil von 15 Prozent bis im Jahr 2025.
(sda/tdr)