Es ist wie das Ende der Omertà: Das französische Modehaus Chanel hat erstmals überhaupt Einblick in seine Zahlen gewährt – nach einem guten Jahrhundert des Schweigens. Demnach setzt das Unternehmen, das den Milliardärs-Brüdern Alain und Gérard Wertheimer – letzter ist in Genf wohnhaft – gehört, im vergangenen Jahr 9,6 Milliarden Dollar um. Gegenüber 2016 sei das ein Plus von 11 Prozent, so Chanel weiter. Der Betriebsgewinn lag 2017 bei 2,7 Milliarden Dollar. Chanel erreicht also eine operative Marge von 28 Prozent.
Dass Chanel ein modisches Powerhouse ist, war schon lange klar. Wie weit vorne aber das Pariser Traditionshaus tatsächlich ist, war eines der am besten gehüteten Geheimnisse der Mode-Industrie. Umsatzmässig wird Chanel nur von der Über-Marke Louis Vuitton aus dem Luxusgüter-Konzern LVMH geschlagen. Louis Vuitton setzte letztes Jahr rund 9,9 Milliarden Dollar um. Gucci – teil des Kering-Konzerns – kam 2017 auf einen Umsatz von 7,1 Milliarden Dollar.
Chanels jüngste Kollektion im Youtube-Video:
«Der Bericht wurde erstellt, um die Stärke unserer Bilanz zu unterstreichen», sagte Philippe Blondiaux, Chef von Chanel in Grossbritannien, zur «Financial Times». «Wir sind ein 10-Milliarden-Dollar-Unternehmen, wir haben 11 Prozent organisches Wachstum. Wir haben keine Schulden. Wir haben 1,6 Milliarden Dollar in bar. All das ist wichtig. Sie liefert uns die Munition, um zu bleiben, wer wir sind: privat und unabhängig», so Blondiaux weiter.
Der Manager berichtet, man habe bei Chanel intern lange mit sich gerungen, ob man die Zahlen publizieren solle oder nicht. Doch der Wunsch der Konsumenten nach mehr Transparenz habe letztlich obsiegt. «Wir kamen zum Schluss, dass uns die Kultur der Diskretion nicht mehr dient.»
Blondiaux betonte, die Veröffentlichung sei nicht als Zeichen dafür zu lesen, dass sich die Wertheimers auf einen Verkauf des Unternehmens vorbereiten würden. «Absolut nicht», betonte der Manager.
Alle würden Chanel kaufen wollen
Spekulationen darüber, dass Chanel verkauft werden könnte, gehören zum Unternehmen wie die modische Handschrift von Star-Designer Karl Lagerfeld. Klar ist: Das Interesse an Chanel bei den Rivalen Kering und LVMH, aber auch beim Genfer Konzern Richemont und der Mode-Holding Mayhoola aus Qatar wäre riesig. Insbesondere den Qatari wird nachgesagt, sie wären bereit, jeden Preis für Chanel zu bezahlen. Mayhoola kontrolliert heute das Couture-Label Valentino sowie die Marke Balmain.
Befeuert werden die Gerüchte um Chanel auch deshalb, weil die Wertheimer-Brüder beide scharf auf die 70 zugehen. Und Designer Karl Lagerfeld ist schon deutlich über 80 Jahre alt. Im Klartext: Bei Chanel kann nicht ewig alles gleich bleiben.
Zudem ist in der Luxus-Industrie derzeit einiges los: Erst letzte Woche hatte sich die spanische Luxus-Holding Puig mit Marken wie «Carolina Herrera» und «Jean-Paul Gaultier» die Mehrheit am belgischen Edel-Label «Dries Van Noten» gesichert.
Haute Couture von Karl Lagerfeld:
Chanel-Manager Blondiaux hält aber fest: «Alain (Wertheimer) ist der CEO. Er ist nicht mehr im Verwaltungsrat. Aber er ist sehr aktiv.»
Gegründet wurde Chanel 1908 von Gabrielle «Coco» Chanel. Die Familie Wertheimer kaufte 1924 eine Mehrheit der Firma, als Pierre Wertheimer – der Grossvater von Alain und Gérard – mit der Unternehmerin einen Vertrag zur Herstellung eines Parfums in seiner Fabrik unterzeichnete. Das Parfum – «No. 5» – wurde zum meistverkauften der Welt und ist bis heute erhältlich.
Gemäss «Forbes» gehört Chanel zu den wertvollsten Marken der Welt. Das Magazin schätzt den Markenwert auf rund 8 Milliarden Dollar und rangiert das Unternehmen auf den 87 Platz der global wertvollsten Marken.