Für die Migros hat er «Cumulus» geboren, für Coop «Naturaplan». Mövenpickbeschenkte Helmuth Höfler mit dem Restaurant-Brand «Palavrion»; der Post liess er «PostFinance» angedeihen. Höfler, Gründer der Zürcher Naming- und Markenschutzfirma Phaenomina, kennt sich aus beim Erfinden und Erkennen merk-würdiger Markennamen. Selbst wenn der ehemalige Werbetexter bisher nur einmal in der Milch-Namensschöpfung aktiv war – aus seiner Feder stammt die Molkerei-Dachmarke «Amselspitz» – verfolgt Höflerauch das Naming an der Käse-Front.
Hier hat dieser Tage die Migros auf sich aufmerksam gemacht. Sie will den Namen «Cabriolait» für einen Ziegenkäse schützen lassen. Sicher, das Kofferwort aus «Cabriolet» und «Lait» ist lustig – aber ist es auch ein passender Name für eine Käsesorte? Und was macht überhaupt einen guten Produktnamen aus? Helmuth der Täufer spricht Klartext.
Was macht einen guten Markennamen aus?
Helmuth Höfler*: Ganz einfach: Ein guter Markenname differenziert. Und er bindet den Konsumenten im Kopf an. Das heisst, der Name knüpft an etwas an, das der Mensch schon kennt – und geht dann noch ein paar Buchstaben weiter. Ein Name ist dann gut, wenn er am richtigen Ort im Hirn parkiert wird.
Und wie erfindet man einen solchen merk-würdigen Namen, beispielsweise für Käse?
Das hängt in erster Linie ab vom Briefing des Kunden. Basierend auf diesem Auftrag ordne ich meine Gedanken in Suchfeldern. Soll die Ursprünglichkeit eine Rolle spielen? Muss eine extrafeine Milch gewürdigt werden? Oder darf im Namen aufblitzen, dass der Käse auch mal streng riecht? Je nach Briefing vertiefe ich mich in die einzelnen Suchfelder und zeige dem Kunden dann eine Shortlist mit 15 bis 20 Namen, die zuvor natürlich alle markenrechtlich abgeklärt worden sind.
Hat die Migros mit «Cabriolait» einen guten Hirn-Parkplatz gefunden?
Wie gesagt: Nummer eins ist die Differenzierung – und das passt hier. Man kann sich den Namen gut merken, er ist auffällig und originell.
«Cabriolet» steht für eine Autofahrt mit Frischluft – aber davon kann bei einem Ziegenkäse wohl keine Rede sein, oder?
So weit denkt keiner. Hauptsache, der Name sitzt. Und Milch riecht im Allgemeinen ja auch ziemlich frisch. Ein Problem sehe ich eher darin, dass der Name geografisch nicht verortet ist. Ist es ein Schweizer Käse? Soll er dereinst exportiert werden? Dann dürfte es Probleme mit den Franzosen und Belgiern geben, denn dort sind ja bereits Käse unter der Bezeichnung «CabriOlait» und «Cabri au Lait» im Handel.
Schweizer Käsenamen sind seit der Käse-Marktliberalisierung 2007 offensiver geworden. Sehen Sie das auch so?
Ja, das ist mir auch aufgefallen. Offenbar hat man erkannt, dass die alte Masche – ein Käse wird einfach nach Sorte und Herkunft benamst – nicht mehr in jedem Fall zieht.
Was ist essentiell im Käse-Naming?
Dass man sich abhebt von all dem, was es schon gibt. Und dass man mutig ist im Naming. Wenn der Käse streng riecht, darf sich das ruhig auch im Namen zeigen. Ganz generell sollte man mehr Mut zum verbalen Gestank zeigen.
Der britische «Stinking Bishop» ist also adäquat getauft worden?
Wenn man Liebhaber von Stinkkäse abholen will, ist das natürlich eine optimale Wahl. Eindrücklich, wie man hier Mut zum Gestank bewiesen hat.
Englischer Humor ist eine ganz eigene Sache. Aber auch hierzulande wurde der Riech-Reichtum von Raclette-Käse schon eingesetzt. Coop kam zur Raclette-Saison mit demSlogan «Chli stinke muess es». Darf man das in einem Land, das sich in der Regel auf dem geschmacksneutralen Mittelweg am wohlsten fühlt?
Ja, das darf man. Im Käse-Naming kann ich mir eigentlich nur zwei grundsätzliche No-gos vorstellen. Erstens: Man tauft einen Käse, der nicht stinkt, mit einem stinkigen Namen. So vertreibt man alle Kunden. Und: Man versucht, sich lautmalerisch am Namen eines erfolgreichen Konkurrenten anzuhängen. Ein Fehler, den sogar namhafte Firmen immer wieder machen. Davon ist strikte abzuraten. Beim Naming muss man seinen eigenen Weg gehen.
Einige Schweizer Käse-Hersteller haben diesen eigenen Weg bereits eingeschlagen. Bitte eine Kurzbeurteilung zu diesen Namen: «Schneeflöckli».
Wenn er so lieblich ist, wie er tönt: Go for it.
«Scharfer Maxx».
Tönt knackig, verspricht schon im Namen eine gewisse Schärfe. Aber aufpassen mit den «x». Zwei davon sind das Maximum. Bei drei «x» betritt man das Terrain der Erotik-Branche. Da müsste der Käse dann wirklich Ausserordentliches leisten.
Und wie stehts mit dem einheimischen Produkt «Swizzrocker»?
Finde ich ganz passabel für einen Käsenamen. «Swizz» verweist klar auf Herkunft, «rocker» deutet Bewegung, Veränderung, Neues an.
Aber das könnte ebenso für eine Töff-Hose wie für einen Anti-Schweiss-Spray oder einen Bleistift-Jupe stehen. Von Käse ahnt man hier nichts.
Die meisten Markennamen quer durch alle Branchen lassen nicht gleich zu Beginn erkennen, für welche Produktart sie stehen. Das ist dann die Aufgabe des Kontextes, Wort und Bild, in dem die Namen auftreten. Es ist beim Naming so wie immer: Der ganze Prozess muss eingebettet sein in eine stimmige Strategie. Gut ist es beim Naming immer auch, in andere Branchen zu schauen. Der Autobauer Citroën etwa hat in meinen Augen Mut bewiesen, als er ein Modell auf den eher negativ konnotierten Namen «Cactus» taufte. Innerhalb von Strategie und Kommunikation gelang es dann, daraus das Positive herauszuschälen und den «Cactus» sympathisch zu machen.
Zurück zum Käse: Welcher Name fehlt der Welt noch?
Spannend fände ich es, einen Käse aus drei Milchsorten – von Kuh, Schaf und Ziege – zu kosten. Und zu benamsen. In einer ersten Lesung könnte ich mir den Namen «Triplette» oder quasi milchiger «Triplait» vorstellen.