Sehen Sie beim Stichwort «Dosenbier» auch einen Fussballfan vor sich, der sich auf dem Weg zum Stadion beim Discounter noch ein paar «Hülsen» besorgt hat? Dann ist es Zeit, umzudenken. Die Bierdose hat sich gewandelt, und mit ihr das Bier in der Dose. Dosenbier ist heute nicht nur domestiziert, sondern erwirbt sich gerade einen Ruf als Premiumprodukt.
Lange war die Schweiz ein Flaschenland. Im alles beherrschenden Kartell waren Dosen zunächst sogar verboten. Noch bis in die 1990er Jahre sah man sie wenig, sie galten als Umweltfrevler. Dann kam der Boom. Die Gründe? Dosen sind gut stapelbar und leicht und haben deswegen – je nach Transportweg – sogar eine bessere Ökobilanz als Flaschen. Damit passten sie auch besser zum mobilen Leben der Pendler und Unterwegsgeniesser. Gleichzeitig veränderten Importbier und Dosen-Drinks wie Red Bull das Trinkverhalten. 2020 wurden 44 Prozent des Biers in Dosen verkauft. Die Schweiz, das Dosenland.
Und noch etwas passierte. Nach den ganzen Calandas und Feldschlösschen tauchen zunehmend Edelbiere in Dosen auf. Vorgemacht haben es einmal mehr die Amerikaner und Skandinavier, nun ziehen auch Schweizer Craft-Brauereien nach. Bunte Etiketten zieren die Dosen, hohe Preise stehen auf den Etiketten. Die Dose ist das neue Luxusprodukt. Und das macht Sinn.
Die Dose schützt: Hinter Alu ist ein gutes Bier besser verpackt als hinter Glas. Eine Dose ist nicht nur luftdicht, sie lässt auch keine UV-Strahlung durch, und die ist der Feind des Biergeschmacks. Vor allem das Hopfenaroma wird vom Licht abgebaut, und so sind es denn auch meist intensive India Pale Ales (IPA) und Neipa-Hopfenbomben, die in den Craft-Dosen stecken. Diese Biere bleiben so länger frisch.
Dem Boom kann sich kaum einer verschliessen. Hatten Heineken und Feldschlösschen einst so etwas wie ein Dosen-Abfüll-Duopol, gibt es heute mobile Abfüller, die selbst Kleinbrauereien bedienen. Die Allschwiler Kitchen Brew setzt genauso auf Dosen wie Dr. Gabs vom Genfersee. Selbst die Adler-Brauerei aus dem Zigerschlitz bereite den Einstieg in das Dosenzeitalter vor, haben wir gehört.
Doch so sehr wir die Dose als Verpackung lieben; für eines ist sie denkbar ungeeignet. Trinken sollte man daraus wirklich nur klassisches Schüttbier. Edelstoffe mit viel Aroma gehören immer in ein Glas, damit man sie nicht nur schmeckt, sondern auch riecht. Einen Bordeaux trinken wir schliesslich auch nicht aus der Flasche.
Wie viele Kleinbrauereien startete auch Kitchen Brew in Allschwil BL zunächst mit Flaschenbier. Seit einiger Zeit werden jedoch auch Dosen abgefüllt, und es ist wohl kein Zufall, dass als eine der ersten Sorten das – im Übrigen hervorragende – New England IPA mit dem schönen Namen «Alice in Wonderland» eingebüchst wurde. Die Etikette in Lila passt gut zu den fruchtigen Aromen dieses sehr typischen Neipas. Das Bier schmeckt exotisch, wenig bitter und kommt, wie es sich für diesen Stil gehört, schön trüb daher.
Alice in Wonderland, Kitchen Brew. New England IPA, Dose zu 4,4 dl, ca. 4 bis 5 Franken.
In dieser Kolumne schreiben der «Handelszeitung»-Redaktor Michael Heim und Autor Ben Müller alternierend einmal im Monat über Bier und Wein. Heim selbst ist an einer Vereinsbrauerei beteiligt.