Üblicherweise strömen in diesen Tagen Wirtschaftsgrössen und Spitzenpolitiker nach Davos für das Weltwirtschaftsforum (WEF). Dieses Jahr streamen sie nur über den Bildschirm. Das Forum findet noch bis heute Freitag virtuell im Internet statt – das persönliche Treffen wird Ende Mai in Singapur abgehalten.
25 Gäste statt 8000 Besucher pro Tag: Tina Heide leitet das Grand Hotel Belvédère in Davos und bilanziert, welche Lücken Corona und der Ausfall des WEF reissen. (Abo)
Ursprünglich war das Luxushotel Bürgenstock für dieses Jahr als Austragungsort vorgesehen. WEF-Gründer Klaus Schwab hatte den Event aber im Dezember aus der Innerschweiz nach Südostasien verlegt. Der 82-Jährige sieht die Gesundheit der Teilnehmenden dort besser geschützt als in der Schweiz.
Singapurs Kampf gegen Covid-19
Schwabs Begründung ergab Sinn, in dem südostasiatischen Staat sind bislang deutlich weniger Menschen an Covid-19 erkrankt als hierzulande. Das autoritär regierte Land reagierte frühzeitig mit strengen Massnahmen auf das Virus, führte beispielsweise eine Maskenpflicht ein, verhängte Einreisesperren und schickte Besucher aus dem Ausland in die Quarantäne.
Als Schweizer Hotelier sollte Eric Piatti an der Verlegung eigentlich keine Freude haben. Doch der Romand ist ein Schweizer Hotelier, der in Singapur ein Luxushotel führt, das Golfresort Dusit Thani Laguna Singapore. «Das ist ein Coup für Singapur», findet Piatti. «Ich kann mir vorstellen, dass das WEF längerfristig in Singapur bleibt. Das WEF wird Singapur einen Platz auf der Weltbühne verschaffen.»
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Seit Dezember wird geimpft
Im Gespräch mit Piatti wird deutlich, wieso Singapur bei der Eindämmung der Pandemie so viel Erfolg hat. So startete dort die Impfung der Bevölkerung gegen Covid-19 schon im Dezember mit Wirkstoffen von unter anderen Pfizer/Biontech. Nun sind bereits bestimmte Berufsgruppen an der Reihe, auch aus der Gastrobranche.
«Alle Hotel- und Restaurantangestellten in Singapur erhalten in den nächsten zehn Tagen eine Impfung. Auch ich als Hotelmanager. Die Impfung ist aber freiwillig», erzählt der Anfangfünfziger.
Das diesjährige WEF wird viel kleiner als üblich, zwischen 1000 und 1800 Teilnehmer dürften anreisen, heisst es in den Medien. Offiziell ist über die Organisation noch sehr wenig bekannt. «Die Behörden informieren sehr zurückhaltend», sagt Piatti.
Ein Luxushotel als Tagungsort
Als Veranstaltungsort wird das berühmte Luxushotel Marina Bay Sands gehandelt. Piattis Hotel dürfte nicht zum Zug kommen, glaubt der Manager. «Wir haben bisher keine Anfragen bekommen. Unsere Anlage liegt aber vermutlich zu weit vom Zentrum entfernt, auf halbem Weg zum Flughafen. Wahrscheinlich werden bei uns nur WEF-Teilnehmer buchen, die in den anderen Hotels keinen Platz mehr finden.»
Freie Zimmer hätte das Golfresort derzeit genug: Das Haus mit 198 Zimmern ist nur zu 60 Prozent belegt. «Wir haben das Hotel im Dezember neu eröffnet und empfangen seither nur einheimische Gäste. Weil Singapurer nicht reisen können, läuft es bei uns aber ziemlich gut. Unsere beiden Golfplätze sind voll ausgelastet, und in den Restaurants ist viel Betrieb.»
«Die Regierung geht sehr umsichtig vor»
Nicht alle Singapurer freut die Vorstellung, Ende Mai Hunderte Besucher aus aller Welt zu empfangen, die den Virus einschleppen könnten. Ein Kolumnist der Wirtschaftszeitung «Nikkei Asia» nannte das Vorhaben fahrlässig. «Tut es nicht. Nicht im 2021, wenn die Pandemie wieder am aufflammen ist und das Virus mutiert.»
Eric Piatti vertraut auf die strengen Regeln der Behörden. «Niemand weiss, wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist, das Land zu öffnen. Aber die Regierung geht sehr umsichtig vor. Das WEF wird für Singapur eine grosse Chance.»
Neuseeland hat einem australischen Thinktank zufolge das weltweit beste Management der Corona-Krise bewiesen. Gefolgt wird der Pazifikstaat von den asiatischen Ländern Vietnam, Taiwan und Thailand. Singapur ist auf Platz 13 platziert, die Schweiz folgt auf Rang 53.
Das Lowy Institute mit Sitz in Sydney analyisierte total 98 Länder bezüglich ihres Umgangs mit der Pandemie. Die Denkfabrik hatte unter anderem die Infektionszahlen, die Zahl der Todesopfer und die Corona-Tests pro 1000 Einwohner untersucht.
(sda/mbü)