Die Menschheit ist gerade am Durchdrehen – das macht es für die Hotelteams nicht einfacher. Schon gar nicht für die Empfangschefs. Sie stehen direkt an der Front und sind Spezialisten in Sachen Gleichmut, Höflichkeit, Diplomatie und schnellem Arbeiten. Denn der heutige Gast will alles, erstens sofort, zweitens sofort und drittens sofort. Wer diesen Job so exzellent macht wie Stéphane Bigiere im Fairmont Le Montreux Palace, ist Gold wert: für den Gast, für die Stimmung im Team und damit für das Hotel.
Formvollendet und zugleich entspannt den Anforderungen des Moments gerecht zu werden, in hektischen Zeiten einen ruhigen Kopf zu bewahren und situationsabhängig herauszuspüren, was für jeden einzelnen Gast relevant ist, ist ein ständiger Drahtseilakt, dem grosser Respekt gebührt – und den immer weniger Hotelmitarbeiter souverän hinbekommen.
Zukunftsdenken kommt oft zu kurz
Nathalie Seiler-Hayez, Hoteldirektorin im Beau-Rivage in Lausanne, weiss: «Früher waren Hotelmitarbeiter dankbar, wenn sie in einem führenden Haus arbeiten konnten. Heute sind die Hoteliers froh, wenn gute Mitarbeiter länger als ein Jahr bleiben.» Stimmt die Unternehmenskultur, so wie sie im Beau-Rivage Palace gepflegt wird, nimmt die Treue der Equipe zu. Seiler-Hayez bringt nicht nur den Gästen echte Wertschätzung entgegen, sondern auch ihrem Team. Ihre «gouvernante générale» Samantha Polgar ist eine von vielen langjährigen Mitarbeitenden im Haus und holt den Titel «Hausdame des Jahres 2017».
Ein Manko vieler Hoteliers liegt darin – ähnlich wie bei Topmanagern in anderen Metiers –, dass sie sich zu sehr vom Tagesgeschäft treiben lassen. Sie nehmen sich zu wenig Zeit dafür, ihrem Team zu erklären, wohin sie den grossen Dampfer eigentlich steuern wollen. Und es fehlt oft auch an Reflexion. «Ein guter Hotelier kann sein Hotel nicht so betrachten, wie es ist, sondern erkennen, was es sein könnte», sagt Daniel J. Ziegler, eine der grossen, visionären Stützen seines Fachs.
Starkes Team im Castello del Sole
Allerdings weht den leidenschaftlichen Vollblutgastgebern heute ein rauer Wind entgegen: Hotelbesitzer setzen immer öfter auf Managertypen, die ebenso gut in einem Food- oder Pharmakonzern arbeiten könnten. Weltgewandt zwar, aber ohne Nähe zum Gast. Und meist recht einfallslos, indem sie mit Vorliebe genau das machen, was die Konkurrenz auch macht: einen Tesla vor die Tür, ein Bienenhaus aufs Dach und im Winter ein Fondue-Chalet in den Garten.
Umso mehr überrascht das auf den ersten Blick traditionsbetonte Gastgeberpaar Simon V. und Gabriela Jenny. Unsere diesjährigen «Hoteliers des Jahres» sorgen Jahr für Jahr für sublime Neuerungen im Castello del Sole, ohne dies an die grosse Glocke zu hängen – zuletzt etwa mit dem architektonisch herausragenden neuen Strandcafé, dem erweiterten Wassersportangebot und dem ausschliesslich per Helikopter erreichbaren «Rustico del Sole» für ein unvergessliches Mittagessen hoch oben am Berg. Auch mischt der junge Küchenchef Mattias Roock das gastronomische Angebot in den vier Restaurants lustvoll auf, und fast jede der zehn Disziplinen der von BILANZ gekürten «Hotelmitarbeiter des Jahres» könnte derzeit auch mit guten Geistern aus den eigenen Reihen besetzt werden, allen voran Concierge Luca Turvano und die beiden Restaurantleiter Sergio Bassi und Daniele Sardella.
Gelebte Gastfreundschaft
Im benachbarten Eden Roc weiss Concierge Raffael Reisig – mit Rückendeckung seines Kollegen Roberto Bonfardeci – alles Mögliche und Unmögliche effizient zu erfüllen und die unterschiedlichen Bedürfnisse seiner Gäste rasch einzuschätzen. Dabei geht es um mehr als um das richtige Trendlokal oder den passenden Wandertipp. «Es geht um die Persönlichkeit der Menschen», sagt Reisig. «Der eine Gast fühlt sich mit Hilfe und guten Ratschlägen schnell bevormundet, der andere kann gar nicht genug Zuwendung und Unterstützung erhalten.»
Die vielleicht spannendste Tendenz in der Schweizer Bettenbranche aber ist, dass manche Luxusherbergen von den vorwiegend mit jungen Mitarbeitern besetzten Hotelcrews abkommen und auf einzelne individuelle Charaktere setzen. Persönlichkeiten wie Franco Paloschi (Restaurantleiter im The Alpina Gstaad) oder Amanda Wassmer Bulgin (Sommelière und Maître im 7132 Hotel in Vals) geben ihren Häusern erst den unvergleichlichen Touch und sind ihren Teams leuchtende Vorbilder, was gelebte Gastfreundschaft ist.
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