Den Anspruch, zum goldenen Dutzend der weltbesten Hotels zu zählen, haben viele. Auch als «weltweit bestes Hotel» positioniert sich vollmundig so manches Haus – insbesondere jene, die Prunk ohne Stil und Luxus ohne Klasse bieten. Genauso verhält es sich mit den sieben (!) Sternen. Man stelle sich bildlich vor: *******. Dagegen wirken ***** geradezu kümmerlich. Doch offiziell gibt es weder sieben noch sechs Sterne. Alle Hotelklassifizierungen dieser Welt kennen nur deren fünf. Was also verändern sieben fantastische Sterne? Ganz einfach: Sie steigern die Ansprüche der Gäste ins Unermessliche, in den Himmel der Superlative. Auf dass der Absturz dann umso tiefer führt.
In der Schweiz hat sich bisher noch kein Hotel einen sechsten Stern verliehen, und unter den «zehn besten Hotels der Welt» sieht sich lediglich das im Frühjahr 2008 eröffnende Dolder Grand in Zürich. Die in der BILANZ-Rangliste top gesetzten Stadt- und Businesshotels, die sich seit Jahren hartnäckig mal zuoberst, mal an zweiter oder dritter Stelle positionieren können, treten in ihrer Selbstdarstellung mit gelassenem Understatement auf.
Erstmals auf Rang eins figuriert das Montreux Palace. Die besten Noten verdient sich der diesjährige Primus unter den hiesigen Stadt- und Businesshotels quer durch alle vier Bewertungssäulen: Das Haus geniesst höchstes Ansehen bei 143 beurteilenden Top-Hoteliers, 65 befragten Hotelsachverständigen sowie bei international massgebenden Hoteltestern und Reiseprofis (siehe «So wurde bewertet» im Nebenartikel). Der Siegeszug des «Montreux Palace» lässt sich, abgesehen von den gelungenen Umbauten in einer einheitlichen Gesamtästhetik, mit dem hochgradig gastbewussten Team begründen. Die Mitarbeiter passen hundertprozentig zum Hotel und sind darauf sensibilisiert, selbständig und situationsabhängig zu entscheiden, was für den Gast relevant und welche Form des Umgangs die geeignetste ist. «Uns ist es lieber, wenn ein Mitarbeiter auf seine eigene Art freundlich ist, als wenn er dem Gast mit austauschbaren Standardfloskeln begegnet», sagt Hoteldirektor Michael Smithuis. «Denn Eleganz ohne Wärme ist Arroganz.»
Auch das zweitplatzierte Victoria-Jungfrau in Interlaken ist von diesem Geist
geprägt: Hier gelingt ein grandioser Balanceakt zwischen Natürlichkeit und Eleganz, was sich in einem Perfektionismus widerspiegelt, der eine Seele besitzt.
Ein Ranglisten-Erster muss sich jeden Tag von neuem der Perfektion annähern. Beim letztjährigen Sieger, dem Beau-Rivage Palace in Lausanne, spürten wir im Berichtsjahr 2007 gewisse Schwankungen, die auch auf den Radarschirmen anderer von uns befragter Hotelexperten geortet wurden. Zwar bleibt der Hotelpalast trotz manchen renovationsbedürftigen Zimmern der eleganteste im Land, doch ist die Crew nicht mit Herz und Seele engagiert und leistet bloss Dienst nach Vorschrift. Die Kommunikation unter den Mitarbeitenden funktioniert schlecht und führt zu unkoordinierten Serviceabläufen. Das kostet zwei Ränge. Wer 140 Quadratmeter grosse Suiten verkauft, mit Bädern, in denen man tanzen kann, der muss dem Gast auch das Maximum an Konstanz und eine Aura der Wärme bieten. Komfort kann man sehen, Harmonie und Energie muss man spüren.
Einen grossen Schritt nach vorne machte das Les Trois Rois (6) in Basel. Nach einer dramatisch verunglückten ersten Saison im Sommer 2006 (heftige Gästekritik, verheerende Berichte), kriegte das aufwendig renovierte Hotel nach einem Neustart mit neuer Geschäftsleitung und neuem Küchenchef die Kurve und läuft nun reibungslos. Die jetzige Direktorin, Tanja Wegmann, hat eine sensible Hand – auch für komplizierte Gäste – und konnte das Haus mit Leben und Heiterkeit füllen.
In der Liste der Top Ten verbessern konnten sich das Genfer City-Resort La Réserve (4), das Designhotel Widder (7) in Zürich, das Trois Couronnes (8) in Vevey und das Park Hyatt in Zürich (9). Allen vier Aufsteigern gelingt es, ein legeres Lebensgefühl mit sublimem Service zu verbinden.
Seltsam: Ausgerechnet im Four Seasons des Bergues (19) in Genf springt der Funke vom Personal nicht über. Die Mitarbeiter wirken gestelzt und ferngesteuert. Man wird mit unverbindlichem Butterlächeln empfangen – ganz im Kontrast dazu, wie es das Pariser Flaggschiff der legendären Hotelgruppe, das Four Seasons George V, vorlebt. Im weltbesten Stadthotel vermitteln einem die Réceptionisten, Kellner und Türsteher eine Idee davon, worin der Luxus der Luxushotellerie jenseits riesiger TV-Flatscreens, Jahrgangs-Champagner und Bulgari-Pflegesets noch liegen könnte: im Gefühl, wirklich umsorgt zu sein.
«Gute Hotels müssen ihre Gäste verführen», sagt Peter Borer, Direktor im The Peninsula Hong Kong (2). «Die Menschen haben Träume, und wir müssen sie ihnen subjektiv erfüllen.» Kaum einer City-Herberge gelingt dies besser. Verständlich, wenn sich hier die Gäste nur im Notfall durch die Drehtür ins stinkende Verkehrschaos verabschieden.
Gleich fünfmal in der Weltbestenliste vertreten ist die derzeit modernste Hotelgruppe, Park Hyatt. Das Konzept ist denkbar einfach: zeitgenössisch, aber nicht trendy. Weder soll das Interieur vorzeitig altern, noch darf sich die Klientel durch zu viel «cutting edge» über Nacht selber vergreist fühlen. Und um Himmels willen keine gekünstelte Dienstbarkeit: «Exzellenter Service bemisst sich nicht mehr danach, was man bereit ist zu geben, sondern was der Gast erwartet – alles, was darüber hinausgeht, wird heute schnell als störend oder sogar als lästig empfunden», sagt Michel Jauslin, Hausherr im Park-Hyatt Paris-Vendôme (3).
Für engagierte Hoteliers keine leichte Situation: Es gibt immer mehr Top-Hotels, aber immer weniger Top-Angestellte. Diese wenigen werden von vielen umworben und die allerbesten mit dem begehrten BILANZ-Titel «Hotelmitarbeiter des Jahres» ausgezeichnet.
Die beiden führenden Ferienhotels der Schweiz, das Riffelalp Resort (1) ob Zermatt und das Castello del Sole (2) in Ascona, haben mit der Spitzengruppe der weltbesten Ferien- und Wellnesshotels eines gemeinsam: Sie wurden behutsam aus der Kultur der jeweiligen Region entwickelt. Der Gast kann mit allen Sinnen spüren, wo er ist. Das beginnt bei den Baumaterialien und Deko-Objekten und endet bei der Menugestaltung im Restaurant und dem Blumenschmuck im Zimmer. Auch bezüglich der heutigen Anforderungen an Raum und Privatsphäre stehen die beiden einheimischen Erstplatzierten ausländischen Hideaways wie dem Chiva-Som (1) in Thailand oder dem La Residencia (2) auf Mallorca kaum nach. Hier wie dort wird Luxus nicht an der Anzahl herumwieselnder Portiers und am Ausmass glitzernder Dekorationen gemessen, sondern an der Grosszügigkeit der Anlagen und am Gefühl von Geborgenheit. Die exklusivsten Retreat-Hotels stehen heute für maximale Naturnähe bei maximalen Wahlmöglichkeiten in authentischer Wohlfühlatmosphäre.
Natürlich gibt es löbliche Ausnahmen: Das Tolle an manchen Glamourhotels, wie dem Eden Roc (3) in Ascona oder dem Badrutt’s Palace (9) in St. Moritz, ist, dass sie im Zeitalter der Zurückhaltung, der schlichten Formensprache und der Bodenständigkeit alles gern übertreiben. Und zwar kompromisslos vom exzentrischen Dekor über die Auswahl von drei Dutzend verschiedenen Mineralwässern bis zum Butler für jeden Gast.
Das Gstaad Palace (4) komplettiert das Kleeblatt der Besten, das sich von den Namen her nicht verändert hat, nur bei den Rängen. Der Gstaader Alpenpalast verkörpert eine Hotelära, in der Hoteliers noch Hoteliers waren und keine Kapitalgesellschaften. Andrea Scherz, unser «Hotelunternehmer des Jahres», sorgt mit selbstverständlicher Grandezza für unangestrengten Luxus und ist nicht – wie manche seiner Kollegen – mit aller Kraft darum bemüht, etwas vorzuführen, was nicht vorhanden ist.
Hinter dem stabilen Spitzenquartett gibt es etliche Veränderungen. Die Lifestyle-Domizile Park Hotel Weggis (6), Albergo Giardino (7) in Ascona und Grand Hotel Bellevue (8) in Gstaad liefern sich, wie im vergangenen Jahr, ein Kopf-an-Kopf-Rennen – tauschen dabei aber die Plätze. Alle drei überzeugen mit einer unkonventionellen Gastlichkeit auf hohem Niveau und setzen auf ein feinsinniges Spa-Angebot sowie spannende Vielfalt für den Magen: das «Giardino» etwa mit Feinschmeckermenus der modernen molekularen (Hexen-)Küche.
In die Super League aufgerückt sind das Tschuggen Grand Hotel (11) in Arosa und das Park Hotel Waldhaus (12) in Flims. Ersteres punktet mit geschliffenem Service und irrem Spa. Letzteres hat den Sprung vom 19. ins 21. Jahrhundert geschafft und verbindet zeitgemässes Wellbeing souverän mit dem Charme vergangener Zeiten. Im Aufwind ist auch das Suvretta House (5) in St. Moritz, das lange von seinem guten alten Ruf lebte, sich aber in jüngster Zeit der globalen Spitzen-Benchmark angeglichen hat, ohne seinen Charakter als unsterbliches Gegenstück zur Designerwelle zu verlieren. Die Nostalgietour kann jedoch rasch in einen festgefahrenen «Klassizismus» führen. So hat etwa das Kulm St. Moritz (14) an Schwung verloren und das goldene Dutzend knapp verpasst. Würde ein Besucher von einem anderen Stern nach zwanzig Jahren heute wieder auf die Erde und ins «Kulm» zurückkommen, er hätte das Gefühl, nie fort gewesen zu sein.
Ein Blick auf die Hotel-Ratings renommierter ausländischer Wirtschafts- und Reisepublikationen genügt für die Feststellung, dass die Schweizer Luxushotellerie keinen Vergleich zu scheuen braucht. So unterschiedlich die Qualität der Hotels in den Weltbestenlisten gemessen wird, das Gesamtergebnis ist für unser Land erfreulich. Auch Trent Walsh, der zusammen mit einem Dutzend weiterer «Mystery Men» seiner Inspektionsfirma Leading Quality Assurance jährlich rund 600 Hotels in 80 Ländern testet – einschliesslich der 36 Fünfsternbetriebe von «Swiss Deluxe Hotels» –, stuft die Schweiz hoch ein: Gemäss seinem Benchmarking bringen es die Schweizer Luxushäuser insgesamt auf Platz fünf, hinter den höher bewerteten Hotels auf Mauritius und den Malediven sowie in den Arabischen Emiraten und Indien.
Bemerkenswert: Während die heimischen Top-Hotels vor hundert Jahren die höchsten Zimmerpreise überhaupt erreichten – entsprechend dem Image, das der Schweizer Tourismus damals im Ausland genoss –, verkaufen sich die Schweizer Luxushotels im internationalen Vergleich heute zu billig. Die durchschnittlichen Hotelpreise sind in den vergangenen Jahren weltweit drastisch gestiegen, während hierzulande sehr verhalten mit Preiserhöhungen umgegangen wird. Das Vorurteil, die Schweiz sei ein teures Reiseland, ist aus heutiger Sicht überholt. So verlangt etwa das Inselparadies North Island auf den Seychellen (Rang 3 der weltbesten Ferienhotels) stolze 3400 Euro als minimalen Eintrittspreis für zwei Personen pro Tag in Vollpension. Und die Nebenkosten sind grotesk: Eine klassische Massage wird beispielsweise mit 180 Euro abgebucht. Glücklicherweise schwebt man auch im zweitplatzierten La Residencia auf Mallorca immer ein bisschen über dem Boden – im Übrigen hauen einen die Zimmerpreise (zwischen 485 und 8000 Euro) glatt um. Gleiche Tarife gelten für die Edelketten Amanresorts und Four Seasons Resorts, die höchste Werte auf der Fernwehskala erreichen und in den
BILANZ-Charts der weltbesten Ferienhotels jeweils sechsmal vertreten sind. Im thailändischen Chiva-Som (Rang 1) beinhaltet der stolze Tagespreis von 608 bis 2224 Euro immerhin Vollpension und eine tägliche Massage. Die Zimmerpreise der tonangebenden Ferien- und Wellnesshotels der Schweiz wirken dagegen vergleichsweise moderat: «Riffelalp Resort» 400–2360 Franken, «Castello del Sole» 550–1510 Franken und «Eden Roc» 530–2000 Franken (jeweils mit Frühstück).
Bei den Stadthotels erzielen die Schweizer Nobelherbergen – pauschal gesagt – die gleichen Preise in Franken wie die ausländischen Spitzenbetriebe in Euros. Nur Deutschland und Österreich liegen preislich tiefer, doch seit der Schweizer Tourismus von der ganzen Welt herausgefordert wird und die Reisenden zu beliebiger Zeit überallhin reisen, stellen unsere deutschsprachigen Nachbarländer nicht mehr die grösste Konkurrenz dar.
«Viele Schweizer Luxushotels verlangen nicht den Preis, den sie haben müssten, um bei vergleichsweise unvorteilhafter Kostenstruktur rentabel wirtschaften und kontinuierlich neue Investitionen tätigen zu können», sagt Peter Tschirky, CEO der Grand Hotels Bad Ragaz. «Die Leistung der hiesigen Top-Hotels ist in der Summe aller Qualitäten absolut überdurchschnittlich und wird weit über die Landesgrenzen hinaus geschätzt, doch den Hoteliers fehlt es an Selbstbewusstsein», konstatiert Tschirky und ergänzt: «Wenn die Luxusprodukte eines Landes keine hohen Preise erzielen, ist dies eine Katastrophe für die normalen Anbieter.»
Warum also wird in den oftmals ausgebuchten Traumhotels zwischen Ascona und Zermatt kein besserer Return on Investment nach ausländischem Vorbild durchgesetzt? Eine mögliche Antwort liefert Emanuel Berger, unternehmerischer Mastermind der Victoria-Jungfrau-Hotelgruppe: «Die meisten hiesigen Luxushotels sind stark auf schweizerische und deutsche Gäste fokussiert. Diese sind, solange sie sich im deutschsprachigen Europa bewegen, ausgesprochen preissensitiv. Erstaunlicherweise akzeptieren jedoch viele dieser Gäste locker die teilweise astronomischen Hotelpreise im Ausland.» Der Vorteil der Hotel-Tiefpreisinsel Schweiz gegenüber den mehrheitlich hochprofitabel arbeitenden Spitzenhäusern in Italien und England, im Indischen Ozean und in den Weltmetropolen: Kaum ein Vielreisender wird sich hierzulande abgezockt fühlen und deshalb gerne wiederkommen. Mehr denn je.