Früher war das Erfolgsrezept für ein gutes Hotel: Lage, Lage, Lage. In den Neunziger- und Nullerjahren hiess es: Service, Service, Service. Heute geht es zunehmend um einzigartige Erlebnisse, wie sie nur an einem Ort und nirgendwo anders zu erfahren sind.
Wenn man zusammenfassen will, was derzeit die Hotelwelt – und damit das «Bilanz»-Hotel-Rating 2016 – prägt, zeichnen sich folgende sieben Trends ab:
Trend 1: Top-Einzelkämpfer
Weltweit gross im Kommen sind Traumhotels von leidenschaftlichen Aussenseitern, die stark vom Mainstream abweichen und in ihren Häusern etwas total Eigenständiges durchziehen. Einer dieser Rebellen gegen den Status quo ist Dietmar Müller-Elmau, der in seinem Schloss Elmau in Oberbayern ein gastliches Gesamtkunstwerk gegen die Gleichförmigkeit erschaffen hat und damit den Spitzenplatz unter den weltbesten Ferienhotels verteidigt. Ihren ganz eigenen Weg gehen beispielsweise auch Sonu und Eva Shivdasani im maledivischen Inselresort Soneva Fushi, Nicky und Steve Fitzgerald in der kenianischen Safari-Lodge Angama Mara oder Garance Primat in der Domaine des Etangs in Südwestfrankreich.
Trend 2: Die neue Gemütlichkeit
Heimelig-urbane Wohlfühlorte stehen vor allem bei jüngeren globalen Nomaden hoch im Kurs. Das neue Nomad in Basel oder das 1 Hotel Central Park in Manhattan beispielsweise oder das Ett Hem in Stockholm vermitteln eine Aura von Wärme und Nähe. Der Zeitgeist will es zudem, dass Hotels uns mit Begriffen wie «handgemacht», «lokal produziert» und «nachhaltig betrieben» ein gutes Gewissen vermitteln. Auch ein bisschen Vintage und wohldosiertes Chaos darf sein. Ausserhalb der Städte passen das Soho Farmhouse bei Oxford, das Solage Calistoga im Napa Valley oder das Cervo in Zermatt richtig gut zum Lebensrhythmus der digitalen Bohème.
Trend 3: Oldschool-Glamour
Zeitlos zauberhafte, über hundert Jahre organisch gewachsene Hotel-Ikonen wie das Hôtel du Cap-Eden-Roc an der französischen Riviera, das D’Angleterre in Kopenhagen oder das Le Ritz Paris erleben ihr glanzvolles Comeback und spiegeln die Sehnsucht nach echter Klasse und einer Umgebung, die allen Stürmen trotzt und Emotionen weckt. Auch das Gstaad Palace im Saanenland, das Suvretta House in St. Moritz und das Fairmont Le Montreux Palace am Genfersee verkörpern Werte, die in Zeiten von Tripadvisor und Instagram unverändert Bestand haben. Dennoch geht es in diesen Häusern um mehr als Nostalgie: «Tradition heisst für mich nicht stehenbleiben, sondern neue Energie reinstecken und weitergehen», sagt Reto Kocher, Gastgeber im Basler Les Trois Rois und unser «Hotelier des Jahres» (siehe Hotelmitarbeiter des Jahres 2016).
Trend 4: Hochluxuriös und tief gestapelt
Ebenfalls an Bedeutung gewinnen diskret elegante Rückzugsorte mit dem verschwiegenen Charme eines Speakeasy: Von aussen meist kaum als Hotel zu erkennen, zählen kleine, superfeine Luxusabsteigen wie das Aman Venice, La Réserve Paris, das J.K. Place Roma oder Ellerman House in Kapstadt jeweils zu den höchstbewerteten ihrer Destination.
Trend 5: Mehr als nur Wellness
Jahr für Jahr katapultieren sich mehr Hotel-Klinik-Hybride in die Hotelbestenlisten der «Bilanz». Gesundheit ist sexy – und steht im Mittelpunkt von Selbstoptimierern, die sich nach den Ferien körperlich und geistig so gut fühlen wollen wie noch nie. Zu den Pionieren, die Gesundheitsferien neu erfunden und die gute alte Kur wieder begehrenswert gemacht haben, zählen das Como Shambala Estate auf Bali, das Chiva Som in Thailand und das Palace Merano in Südtirol. Auch setzen Schweizer Spa-Ikonen wie La Réserve Genève und das Victoria-Jungfrau in Interlaken verstärkt auf ausgeklügelte Better-Aging-Programme, bei denen man seine Ferientage in heiter stimmendem Ambiente mit einem positiven gesundheitlichen Effekt verbinden kann. Jüngstes einheimisches Beispiel, wie sich ein luxuriöses Ferienhotel in Richtung Gesundheit entwickelt, ist das Giardino Ascona mit Schwerpunkt auf Ayurveda.
Trend 6: Remote Hotels
Der nächste Megatrend in der Reisebranche zeichnet sich bereits deutlich ab: Erlebnisbasierte Ferien breiten sich wie ein Schneeball über die ganze Welt aus – ähnlich wie vor zehn Jahren das Spa als Destination aufkam. Übersättigt von allem, wächst die Begierde nach neuen Horizonten und unvergesslichen Erlebnissen in spektakulären Landschaften. Architektonisch herausragende Lodges dienen als Basisstation an den entlegensten Plätzen der Erde – allen voran die Southern Ocean Lodge auf der südaustralischen Kangaroo Island und das Tierra Patagonia im chilenischen Nationalpark Torres del Paine.
Trend 7: Fabelhafte Gärten
Naturliebhaber gewinnen auch andernorts an Bedeutung: Hotels mit sinnbetörenden Gärten oder Privatparks stechen zunehmend in den «Bilanz»-Ranglisten hervor. Das in der Schweiz erstplatzierte Ferienhotel Castello del Sole in Ascona, die San Ysidro Ranch im kalifornischen Santa Barbara oder das Babylonstoren in den südafrikanischen Cape Winelands definieren Luxus vor allem als inspirierten Freiraum in der Natur. Selbst in manchen Stadtzentren kann man entspannt im Grünen wandeln, sofern man ein Zimmer im Hotel Cipriani in Venedig, im Four Seasons Hotel Firenze oder im La Mamounia in Marrakesch hat.
Das Bemerkenswerte am heutigen Reiseverhalten: Wir sind alle zu Chamäleons geworden und geben uns den unterschiedlichsten Stimmungen hin. Heute haben wir Lust auf Grandhotelzauber, morgen erträumen wir uns ein Abenteuer in wilder Natur, und dann muss es ein Wochenende im modischen Stadthotel sein. Einmal gönnen wir uns Ferien auf dem Schiff, ein andermal buchen wir zusammen mit Freunden über Airbnb eine Villa am Meer, und nächstens steht das Yoga-Retreat in den Bergen an.
Anders als vor zwanzig Jahren sind wir Gäste unberechenbar geworden – auch weil wir immer kurzfristiger buchen. Das macht die Hoteliers nervös. Ein Hinweis darauf, was Hotels in Zukunft bieten müssen, liefern Das Stue in Berlin und das Grand-Hôtel du Cap-Ferrat an der Côte d’Azur: Ersteres überrascht seine Gäste mit einem exklusiven Privatzugang zum direkt benachbarten Zoo. Letzteres winkt mit einem Besuch der exzentrisch ausgestalteten Villa der einstigen Kunst- und Modemäzenin Francine Weisweiller, die dort dreizehn Jahre lang mit Jean Cocteau zusammenlebte. Der frühere Hausmeister Weisweillers führt durch das Anwesen, gefolgt von einem Dinner inmitten bewohnter Kunst.
Gefragt sind heute kein aufgeplusterter Service und keine seelenlose Perfektion, sondern unvergleichliche Erlebnisse. «Die führenden Uhren- und Modemarken machen uns vor, wie man eine ganze Welt um ein Produkt herum kreiert», sagt Nathalie Seiler-Hayez, Direktorin im «Beau-Rivage Palace» in Lausanne: «Es liegt an uns Hoteliers, den Gästen vermehrt auch starke immaterielle Werte anzubieten und für ein bisschen Magie zu sorgen.»
Sehen Sie in der Bildergalerie unten die Top 10 der weltbesten Ferienhotels 2016: