Der Mann springt auf: «Fusion», ruft er begeistert in den Raum. Und nochmals: «Fusion – das ist das Thema.»
Jean-Claude Biver im alten Saft. Der umtriebige Mann, in der Presse gerne mit dem Etikett Marketing-Guru versehen, vibriert vor Begeisterung. Und erinnert an die Zeit, als er die sanft eingeschlafene Uhrenmarke Blancpain zum Mega-Erfolg katapultierte. Damals leistete Biver mit einem genialen Werbeslogan dem Revival des mechanischen Zeitmessers entscheidende Geburtshilfe: «Seit 1735 gibt es bei uns keine Quarzuhren. Es wird auch nie welche geben.»
Nach dem Verkauf der Marke Blancpain an Nicolas G. Hayek und einem Abstecher bei der Swatch Group ist Biver nun bei der kleinen Marke Hublot gelandet. Und hat mir ihr Grosses vor.
Hublot stellt mit rund 70 Mitarbeitern etwa 15 000 Uhren pro Jahr her. Der durchschnittliche Ladenpreis liegt bei 5600 Franken, Erfolg hat die Marke vorab in Spanien. Aufsehen erregte das Unternehmen 1980 mit einer frechen Idee, die erstaunlich erfolgreich wurde: Hublot kombinierte eine edle Golduhr mit einem Uhrenband aus Naturkautschuk – eine Kombination, die bislang als undenkbar gegolten hatte.
Im letzten Herbst stiess Biver als neuer Chef zu Hublot und liess sich zuerst einmal zwei Monate lang Zeit, das Unternehmen und seine Produkte kennen zu lernen. «Ich wusste», sagt er, «dass ich eine Botschaft brauche, um Hublot-Uhren zu verkaufen. Und nach zwei Monaten hatte ich sie endlich gefunden.»
Die Kombination eines traditionellen, edlen Materials mit einem modernen Material der Zukunft, so fand Jean-Claude Biver, sei der Kern der Marke. «Das nenne ich Fusion», sagt er. «Fusion heisst, dass ich ein Stück Tradition nehme und mit einem Stück Zukunft vermähle; immer werde ich beides in einer Hublot-Uhr vorfinden: Tradition und Zukunft.»
Konkret: An der Uhrenmesse in Basel wird Biver die neue Big Bang vorstellen, eine verwegene Kombination modernster Werkstoffe mit schöner alter Uhrentechnik: Die Lünette, so heisst der Ring um das Zifferblatt, ist aus Keramik. An der Gehäuseseite wurde der aus dem Rennsport bekannte Kunststoff Kevlar verbaut, die Anstösse sind aus Weissgold, das Zifferblatt ist aus Karbon und das Armband aus Kautschuk. Biver zählt die Stoffe auf wie ein begeisterter Schulbub. «Das», sagt er, «ist Fusion. Es ist sogar Multifusion.»
Im Uhrengeschäft ist Jean-Claude Biver ein alter Hase: Er war 1975 bei Audemars Piguet eingestiegen und hatte dann 1979 zur damaligen SSIH gewechselt, wo er bei Omega für das Marketing zuständig war. Richtig prominent wurde er, als er später das heruntergewirtschaftete Unternehmen Blancpain kaufte und zur Nobelmarke mit Weltruf machte.
Schon damals hatte Biver auf eine klare Botschaft gesetzt. Blancpain wurde als kompromisslose Antiquarz-Uhr mit einem edlen Stammbaum in Szene gesetzt.
Für Hublot sucht sich der gebürtige Luxemburger die schöne Story zur Uhr nun allerdings nicht nur in der Vergangenheit, sondern mitunter an eher verblüffenden Schauplätzen.
Am dritten März-Wochenende holte er sich aus diesem Grund in einem Schiesskeller eine kleine Schramme an der Hand. Biver hatte in Paris die französische Antiterror-Eliteeinheit GIGN (Groupe d’Intervention de la Gendarmerie Nationale) besucht und sich den Kratzer zugezogen, als er bei einer Übung am Gewehr selber mitmachen wollte. Der Besuch, man ahnt es, hatte weniger mit privater Begeisterung als mit beruflichem Interesse zu tun.
Die Spezialeinheit GIGN, muss man wissen, wurde gegründet, nachdem palästinensische Terroristen 1972 in München bei den Olympischen Spielen das israelische Manschaftsquartier überfallen, zwei Sportler getötet und neun Geiseln genommen hatten. Die Welt war geschockt, die Sicherheitsbehörden waren hilflos.
GIGN-Männer gehören zu den härtesten Soldaten der Welt. Ihr Job: die Intervention bei Geiselnahmen, Erpressungen, Flugzeugentführungen oder Gefängnisrevolten. Wer zum Auswahlverfahren zugelassen werden will, muss unter anderem auch 50 Meter mit gefesselten Armen und Beinen schwimmen können und von einem zehn Meter hohen Turm auf den nackten Boden herunterspringen.
Eine Uhr, die solches mitmacht, hat sich Biver überlegt, muss sich wohl gut vermarkten lassen. Und derzeit verhandelt er mit der Truppe über ein GIGN-Zertifikat für seine Big-Bang-Uhr.
Machomässig, so viel ist klar, wäre eine Steigerung nur noch schwer vorstellbar.