Es war eine aufsehenerregende Meldung, die jüngst durch die Presse ging: 50'000 Hausfrauen mit abgeschlossenem Studium oder höherer Berufsausbildung gab es 2013 in der Schweiz, wie die Zahlen aus der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (Sake) zeigen. Nicht nur eine Verschwendung von Ressourcen, auch ein «miserabler Return on Investment», so Economiesuisse- Chefökonom Rudolf Minsch.
Rund 5,75 Milliarden Franken wurden in die Hochschulausbildung von Frauen investiert, die zurzeit nicht in ihrem Beruf arbeiten. Vergeudetes Geld und Know-how. Was diese Talente an Wissen und Kreativität mitbringen, kann die Wirtschaft nicht nützen.
Die Work-Life-Balance
Das soll doch jede Frau so machen, wie sie es für richtig hält, lautet der Einwand oft. In der Tat gibt es gut ausgebildete Mütter, die sich bewusst dafür entscheiden, die ersten Jahre ganz fürs Kind da zu sein. Dafür kündigen sie ihre Stelle; das gilt es zu akzeptieren, und man soll nicht darüber werten. Für andere aber ist klar: Sie wollen wegen ihrer Familie nicht aufhören zu arbeiten. Dass sie aufgrund mangelnder Optionen gezwungen sind, ihre Stellen und ihre Laufbahnen aufzugeben, ist nicht zielführend.
Umfragen des Employer-Branding-Unternehmens Universum (siehe Grafik in der Bildergalerie oben) zeigen es deutlich: Hochschulabsolventinnen legen Wert auf eine gute Work-Life-Balance. Die jungen Frauen sehen keinen Sinn darin, sich zwischen Familie und Beruf aufzureiben. Sie wollen beides, und sie wollen beidem gerecht werden, ohne dabei auszubrennen. Grundlagen dafür sind Strukturen und eine Firmenkultur, die dies möglich machen.
«Die Kultur eines Unternehmens hat einen wesentlichen Einfluss auf die Wahl eines Arbeitgebers – bei Frauen noch stärker als bei Männern», sagt Yves Schneuwly, Country Manager Schweiz von Universum. Er verweist auf die Erhebung zu den wichtigsten Auswahlkriterien für den idealen Arbeitgeber, wo der Aspekt «Kultur und Leute» bei den Frauen mit 30 Prozent an erster Stelle kommt. Bei den Männern rangieren die Charakteristiken des Jobs selber ganz oben (siehe Grafik in der Bildergalerie oben).
Beruf und Familie
Viele Firmen reagieren darauf und pflegen eine familienfreundliche Firmenkultur. Sie verweisen auf messbare Kriterien wie Teilzeit- und Jobsharing-Statistiken, Jahresarbeitszeit oder Krippenplätze. Einzelne Firmen geben auch Vaterschaftsurlaub, etwa fünf statt der gesetzlich vorgegebenen ein oder zwei Tage.
Damit ist es aber nicht getan. Wie in der Praxis mit dem Thema umgegangen wird, darauf kommt es an. Denn ob und wie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie akzeptiert und gelebt wird, lässt sich aus keiner Broschüre herauslesen. Die Erfahrung vieler Kaderfrauen ist, dass viele Unternehmen offener mit der Frage umgehen, wie Väter und Mütter ihren Alltag am besten organisieren können. Dies freilich auch im eigenen Interesse. Eltern, die emotional und zeitlich unter Druck stehen, bringen im Beruf keine gute Performance. Die schaffen sie nur, wenn sie am einen Ort die Batterien für den anderen Ort aufladen können.
Der Patron oder die HR-Managerin zeigen deshalb vermehrt Verständnis, wenn Mitarbeitende mit konkreten Anliegen und Ideen kommen: Ist es möglich, meine Tochter abends dreimal in der Woche von der Krippe abzuholen? Kann ich auch als Vater daheim bleiben, wenn mein kleiner Sohn krank ist? Meine Kollegin und ich könnten uns die Abteilungsleitung im Tandem vorstellen und haben dazu Vorschläge ausgearbeitet. Können wir darüber diskutieren? Unkonventionelle Lösungen sind gefragt, Vorgesetzte, die mit- und querdenken.
Gut ausgebildete Frauen sind wählerisch
Laut Angelika Bräm, Geschäftsführerin der Firma Evalution, die auf die Vermittlung von Kaderfrauen spezialisiert ist, sind gut ausgebildete Frauen wählerisch – und sie dürfen und sollen es sein. Sie legen Wert auf eine Firmenkultur, in der sie über schwierige Dinge offen und direkt reden können. Sie wollen etwas Nützliches und Sinnvolles tun, einen Beitrag leisten für die Gesellschaft. Führungsfunktionen wählen viele Frauen deshalb oft nicht aus schierem Karriere- und Prestigedenken, sondern deshalb, weil damit ihr Spiel- und Wirkungsraum grösser wird – und sie sich so mit ihrem Team ganz in den Dienst einer Sache stellen können.
Die Berufsfrauen achten zudem genauer darauf, ob ein Unternehmen moralisch tadellos agiert. Ein Grund, warum Berufseinsteigerinnen und berufstätige Akademikerinnen etwa dem Finanzsektor eine Zeit lang den Rücken gekehrt haben. Allmählich dürfte sich das Bild wieder ändern. «Die Banken haben in den letzten Jahren im Rahmen ihrer Corporate Governance viel dafür getan, ihr angekratztes Image aufzubessern», sagt Bräm. Und sie werden sich in den kommenden Jahren noch einmal fundamental ändern. Somit dürfte die Finanzbranche auch für Frauen weiter attraktiver werden.
Sinnstiftende Arbeit
Eine Trendwende in der Finanzbranche: Bei den meistpräferierten Branchen hat der Bankensektor in der Gunst der Frauen in den letzten Jahren leicht verloren, eine Entwicklung, die allerdings auch bei den Männern zu beobachten ist. Dennoch: Mit 22 Prozent ist der Bankenbereich noch immer die begehrteste Branche für Männer, bei den Frauen ist es mit 24 Prozent der Bereich Ausbildung und Wissenschaft (siehe Grafik in der Bildergalerie). Auch die NGOs, die Nicht-Regierungs- Organisationen, stehen bei Frauen hoch im Kurs. «Die Generation Y möchte einen tieferen Sinn in ihrer Arbeit erkennen. Das schlägt sich im Ranking der beliebtesten Branchen insbesondere bei den Frauen nieder», so Yves Schneuwly.
Stark sind die Unterschiede auch heute noch beim Lohn, werden Frauen doch immer noch schlechter bezahlt. Bei gleicher Qualifikation und identischer Ausbildung beträgt der Unterschied beim Einstiegslohn laut Bundesamt für Statistik 280 Franken pro Monat. Die Zahlen zeigen zudem, dass die Lohnentwicklung bei Männern steiler verläuft als bei Frauen. Eine Universum- Umfrage bestätigt: Hochschulabsolventinnen gehen mit weit niedrigeren Lohnerwartungen ins Vorstellungsgespräch als ihre Kollegen (siehe Grafik in der Bildergalerie). Sie bescheiden sich also von vornherein, obschon sie genau die gleichen Voraussetzungen mitbringen.
Härter Auftreten
Sie sollten forscher auftreten und härter verhandeln, lautet eine Forderung. Sie können durchaus auch pokern, aber dazu benötigen sie zuverlässige Informationen. Die Schweiz kennt keine Lohntransparenz, entsprechend schwierig ist es, sich zuverlässige Quellen zu erschliessen. HR-Experten empfehlen Firmen, sich dem «Logib-Test» des Bundes zu unterziehen. Der liefere Anhaltspunkte über die Lohnstruktur. Der Bundesrat will Firmen zu regelmässigen Lohnanalysen verpflichten, um Diskriminierungen aufzudecken.
Für die künftige Positionierung der Frau im Arbeitsprozess dürfte dies entscheidend sein. Solange Männer mehr verdienen, bleibt das Bild des Mannes als Ernährer der Familie gefestigt. Paare haben heute vermehrt den Wunsch, sich Familien- und Erwerbsarbeit zu teilen, denken vielleicht sogar über einen Rollentausch nach. Das geht aber nur, wenn Frauen gleich viel Geld nach Hause bringen wie Männer. Lohngerechtigkeit ist also auch ganz im Sinne moderner Väter.