Reichte es früher, Experte in einem Fachgebiet zu sein, um Karriere zu machen, so genügt das in Zukunft bei weitem nicht mehr. Bildungsforscher und Soziologen sprechen von Schlüsselqualifikationen im Zusammenhang mit dem Set an Fähigkeiten und Kompetenzen, das nötig ist, um in der Berufswelt von heute und besonders von morgen bestehen zu können. Das Beherrschen von Schlüsselqualifikationen wird das A und O für den Erfolg sein. Wer Karriere machen will, investiert eher in sie als in langweiliges Faktenlernen.

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Eine der Schlüsselqualifikationen die an Bedeutung gewinnt, ist die Sozialkompetenz, weil in der Arbeitswelt zunehmend projektbezogen gearbeitet wird. Viele Projekte werden in Zukunft noch stärker als heute von Teams realisiert werden. In vielen Unternehmen stellt schon heute der einsam vor sich hin Schaffende kein Erfolgsmodell mehr dar. Beispiel McKinsey: Die Topberater legen auf die soziale Verträglichkeit ihrer Mitarbeiter grossen Wert. «Das Killer-Kriterium ist bei uns die fehlende Sozialkompetenz», sagt Sabine Keller-Busse, Partnerin bei McKinsey in Zürich und für das Hochschul-Recruiting in der Schweiz zuständig, «Einzelkämpfer können wir nicht brauchen.» Mandate werden im Team abgewickelt, und da ist es für den Erfolg entscheidend, dass die Zusammenarbeit gut klappt. Auch im Kundenkontakt zahlt sich die soziale Kompetenz aus: «Man muss zuhören können, um wirklich zu verstehen, worum es geht.»

Deutlich wird, dass es in den meisten Branchen auf die Fähigkeiten des Einzelnen zu guter Zusammenarbeit ankommt. Selbst in technischen Berufen ist dieser Trend zu beobachten. Die ABB achtet neben einer exzellenten Fach- und Methodenkompetenz vor allem auf die Persönlichkeit. «Eigenverantwortlichkeit, Selbständigkeit sowie ein hohes Mass an sozialer Kompetenz sind wichtig», sagt Lukas Inderfurth, ABB-Sprecher.

Auch andere Unternehmen wie Novartis achten auf die sozialen Kompetenzen. «Sie können den Ausschlag zum Anstellungsentscheid geben», sagt Hans Locher, Personalchef Schweiz von Novartis. Diese Fähigkeiten lassen sich nicht anhand der Noten feststellen, deshalb durchlaufen die Bewerber spezielle Tests. Soziale und persönliche Kompetenzen sind auch für die Swisscom in hohem Mass bedeutungsvoll. «Wir überprüfen im Assessment vor allem diese Kompetenzen», sagt Swisscom-Sprecher Sepp Huber. Weil der Trend immer mehr dahin geht, von den Mitarbeitenden unternehmerisches Denken und Selbständigkeit zu fordern, ist Persönlichkeit gefragt. «Soziale und persönliche Kompetenzen spielen eine wesentliche Rolle», sagt Alexandra Shea vom UBS Hochschul-Recruiting. «Denn schliesslich geht es um die Person; es zählt also das Gesamtpaket.»
Neben der Sozialkompetenz zählt die Selbstkompetenz zu den wichtigen Schlüsselqualifikationen, die Experten für den künftigen Erfolg für entscheidend halten. Dazu gehört die Fähigkeit, sich selbst zu organisieren und stets neue Dinge zu lernen. Statt einer ein ganzes Arbeitsleben lang dauernden Beschäftigung mit einem eng umschriebenen fachlichen Thema, sieht man sich ständig ändernden Aufgaben gegenüber. Man müsse die Eigenverantwortung für die Lernbiografie übernehmen, meinen Bildungsforscher. Kurz: Man muss sich selber darum kümmern, sich in neue Themen rasch einzuarbeiten und à jour zu bleiben, was das berufliche Know-how betrifft. Das ist entscheidend, denn auch nachdem sich der Berufseinsteiger auf eine Richtung festgelegt hat, kann er sicher sein, dass er sich im Laufe der weiteren Karriere immer wieder an veränderte Gegebenheiten anpassen muss. Besonders auf diese Flexibilität sind Akademiker hervorragend vorbereitet, verlangt wird denn auch lebenslanges Lernen. «Die Credit Suisse legt Wert auf eine hohe Leistungs-, Kunden- und Resultatorientierung, Integrität, Teamfähigkeit, Initiative, Innovation sowie auf die Methoden-, Lern- und Sozialkompetenz», sagt Christian Machale, Head Private Banking Human Resources bei der Credit Suisse.

Nicht nur die Anforderungen haben sich geändert, auch das Karrierebild ist einem starken Wandel unterworfen. Wer heute eine Hochschule verlässt, muss sich auf eine unvorhersehbare Zukunft einstellen. An Arbeit wird es zwar nicht mangeln, aber die Karrieren in Management und Wirtschaft werden sich noch stärker verändern als bisher. Die zunehmend komplexeren Arbeitsinhalte, der Abschied von klassischen Hierarchien und Organisations- sowie Arbeitsformen sind die Treiber der Veränderungen in der Arbeitswelt. In der Schweiz hat in den achtziger Jahren eine Bildungsexpansion eingesetzt. Die Zahl der berufstätigen Akademiker hat sich in den letzten zwanzig Jahren mehr als verdoppelt. Prognosen deuten darauf hin, dass sich dieser Trend der Höherqualifizierung des Beschäftigungssystems in Zukunft fortsetzen wird: Die Arbeitswelt wird zunehmend akademisiert. «Heute werden auf Positionen Leute mit einem Uni-Abschluss eingesetzt, für die früher eine Berufslehre ausreichte», sagt Markus Diem, der für die Berufsberatung der Universität Basel verantwortlich ist. Dies hat nicht nur mit dem grösseren Angebot an Akademikern auf dem Arbeitsmarkt zu tun, sondern auch mit den steigenden Ansprüchen. Es betrifft vor allem Studiengänge, für deren Absolventen es keine klar abgegrenzten Arbeitsmärkte gibt, wie für die Geistes- und Sozialwissenschaften. «Bei ihnen beobachten wir eine vielfältige Neukomposition von Tätigkeitsfeldern», sagt er. Das Heer der Akademiker findet dadurch zwar Beschäftigung, doch damit verbunden sind Abstriche, welche die Absolventen bei ihren bisweilen ausgesprochen elitären akademischen Berufserwartungen machen müssen. Viele haben eine etwas realitätsferne Vorstellung davon, wozu eine Universitätsausbildung gut ist. «In der Regel ist ein Studium keine Ausbildung, die zu einem Beruf führt», sagt Markus Diem. «Das muss man vielen bei der Beratung erst einmal klar machen.» Jemand, der als Historiker oder Philosoph die Alma mater verlasse, dürfe nicht davon ausgehen, dass er auch tatsächlich einen Job finde, bei dem er seine Fachkenntnisse einbringen könne. Untersuchungen von Bildungsforschern zeigen, dass über ein Viertel der Absolventen sozialwissenschaftlicher Studiengänge im Berufsleben betriebswirtschaftliche Tätigkeiten ausüben. Solche Flexibilität verdanken diese dem methodischen Rüstzeug, das in einem Studium neben dem Fachwissen vermittelt wird und das in einer ganzen Reihe von Berufen Verwendung findet. «Dazu gehört die Fähigkeit, sich neue Themen zu erarbeiten oder Abläufe zu organisieren», sagt Diem.

Die Grundlagen für einen guten Berufsseinstieg werden im Studium gelegt. Dabei geht es nicht so sehr um die Wahl des Studienfaches. «Man muss das studieren, was einem am meisten Spass macht.» Für ihn ist klar: Der Hochschulabschluss ist die Eintrittskarte in das Berufsleben.

Die Folge ist ein buntes Sammelsurium an Absolventen verschiedener Studienrichtungen in einem Unternehmen, das sich positiv auf die Kreativität auswirkt. Deshalb ist die UBS zum Beispiel an Absolventinnen und Absolventen interessiert, die ein breites Spektrum an Hochschulabschlüssen aufweisen. «Das heisst, dass auch für Absolventen aus dem geisteswissenschaftlichen Studienzweig eine Karriere bei der UBS möglich ist», sagt Alexandra Shea vom Hochschul-Recruiting der UBS.

«Die Karrierebilder, die durch die Generation der heutigen Topmanager geprägt und massenmedial transportiert werden, haben mit der Realität von Business-School-Absolventen zunehmend weniger zu tun», sagt Andrea Egger-Subotitsch, Psychologin und Mitarbeiterin am Abif – dem Institut für Analyse, Beratung und interdisziplinäre Forschung in Wien. Nicht mehr primär der hierarchische Aufstieg in Organisationen prägt das Bild des erfolgreichen Managers der Zukunft. Stattdessen werden die neuen Karrieren nicht mehr gradlinig in Richtung Aufstieg verlaufen. Wer Karriere macht, verbringt weniger Zeit in mehr Positionen und wechselt im Zickzackkurs zwischen unterschiedlichen Feldern hin und her. «An die Stelle von langfristigen Lebenszyklen treten kurzfristige Lernzyklen, die das gesamte Berufsleben umspannen», sagt Thomas Kreiml, Soziologe am Abif. Das sorgt für Unsicherheit. Anders als früher sassen Akademiker, wenn sie einmal angestellt waren, bis zur Pensionierung fest im Sattel. Heute sind Erfolgsdruck und Ausscheidungskämpfe bis in späte Karrierephasen uneingeschränkt vorhanden. Nicht nur lebenslanges Lernen und Flexibilität sind nötig. «Neue Karrieretaktiken wie Selbstüberwachung und Networking sind gefragt», sagt Egger-Subotitsch. Auf diese veränderten Rahmenbedingungen müssen sich Hochschulabsolventen heute einstellen. Verlangt werden Kompetenzen, auf deren Vermittlung im Studium bislang wenig Wert gelegt wurde.

Wer wissen will, welche Kompetenzen während des Studiums erlangt werden sollen, wirft am besten einen Blick auf den Wunschzettel der Wirtschaft. Dort stehen der Praxisbezug, die Bereitschaft, sich für eine Sache zu engagieren und auch Strapazen in Kauf zu nehmen, um seine Ziele zu erreichen, ganz oben.

Bei Novartis setzt man auf die Kombination von fachlicher Qualifikation und Praxiserfahrung. «Wir prüfen, ob jemand bereits über den Tellerrand des jeweiligen Studiengebiets hinausgeblickt hat, egal ob innerhalb oder ausserhalb der Universität», sagt Hans Locher von Novartis. Auf «Stromliniencharaktere» setzt man auch bei McKinsey nicht. «Wir wollen Leute, die schon irgendetwas wirklich gut gemacht haben», sagt Sabine Keller-Busse, Leiterin Recruiting von McKinsey. Gute Noten sind das eine, wer aber in einem anderen Bereich etwas Hervorragendes geleistet hat, fällt den Beratern ebenfalls positiv auf.

Wer ohne einen Bezug zur Praxis den Einstieg in den Beruf plant, scheitert oft. Dieser fehlende Bezug ist ein Knock-out-Kriterium. Hier trennt sich die Spreu vom Weizen. «Absolventen, die vom Berufs- und Arbeitsleben keine Ahnung haben, haben kaum eine Chance», sagt der Bildungsforscher Hans-Henning Kappel von der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Das gilt vor allem für Wirtschaftswissenschaftler und BWL-Absolventen. Bildungsforscher belegen die Bedeutung der Praxiserfahrung für den Berufserfolg. Mehr als die Hälfte der Absolventen halten ihre beruflichen Vorerfahrungen für die Tätigkeit im derzeitigen Beruf für unbedingt notwendig. Für Unternehmen ist die Praxiserfahrung ein Vorteil, denn sie verkürzt die Einarbeitungszeit. «Ohne den Verweis auf einschlägige Praktika oder Teilzeitjobs, hat man es als Absolvent schwer beim Berufseinstieg», sagt Kappel. Bei den Wirtschaftsstudenten ist die Praxiserfahrung mittlerweile Standard, und es mutet etwas merkwürdig an, wenn jemand keine Praktika in seinem CV nennt. Etwas anders ist die Situation bei den Naturwissenschaftlern. Hier erwartet man die Praxiserfahrung nicht unbedingt, ist sie aber vorhanden, bedeutet dies ein Vorteil.

Weitere Erfahrungen zeigen die Vorteile nicht so klar. «Gehen Sie ins Ausland», empfehlen Personalberater landauf, landab den Studierenden, denn die Erweiterung des Horizonts soll auf die Karriere beflügelnd wirken. Der Bildungsforscher Stefan Wolter, Direktor der Schweizerischen Koordinationsstelle für Bildungsforschung in Aarau, hat sich in einer Untersuchung mit der Bedeutung des Auslandaufenthalts während des Studiums für den späteren Erfolg beschäftigt. «Wenn es um den Lohn, die bessere Stelle oder den Aufstieg in der Hierarchie geht, hat ein Auslandsemester keinen Einfluss», sagt Wolter. Der Grund ist einfach: Vor allem die Guten gehen ins Ausland, und die Guten, die in der Schweiz bleiben, machen genauso Karriere.

Bei einzelnen Unternehmen kann die Auslandserfahrung aber tatsächlich einen Vorteil bringen, denn sie gewährt, was für den Ablauf in einem internationalen Unternehmen, in dem viele Kulturen miteinander arbeiten müssen, wichtig ist. «Wir suchen offene Mitarbeitende, die ein dynamisches und von verschiedenen Nationalitäten geprägtes Umfeld bevorzugen und schon andere Kulturkreise kennen gelernt haben», sagt Hans Locher.

Die ABB Schweiz legt sehr grossen Wert auf einen «bunten» Lebenslauf. «Wir brauchen Persönlichkeiten, die schon vor und während des Studiums Erfahrungen gesammelt haben», sagt Lukas Inderfurth. Egal, ob sie diese in einem Entwicklungsprojekt erworben, ein Praktikum im Ausland gemacht oder eine Fremdsprache gelernt haben. «Dies erleichtert es, in interdisziplinär zusammengesetzten globalen Teams zu arbeiten.» Für McKinsey ist die Auslandserfahrung vor allem der Beweis, dass ein Absolvent für seine Ausbildung auch Unannehmlichkeiten auf sich nimmt, nämlich den bewährten Weg verlässt und aus seinem alltäglichen Umfeld ausbricht. Keller-Busse imponiert es besonders, wenn sich jemand seinen Praktikumsplatz selber gesucht hat. «Sich auch jenseits der Grenzen ins gemachte Nest zu setzen, ist nun wirklich keine Leistung», sagt sie.

Allerdings kann man es auch übertreiben. So warnt denn Christian Machate: «Das Studium sollte sich durch Praxiseinsätze und Auslandsaufenthalte nicht zu lange verzögern.» Bei der CS gilt ein rasch absolviertes, gut strukturiertes Studium mit guten Abschlussergebnissen als nach wie vor guter Leistungsausweis.

Beschäftigte müssen ihre Kenntnisse und Fähigkeiten ständig erweitern. Bereits heute ziehen Akademikerinnen und Akademiker die richtigen Schlüsse aus dieser Entwicklung, denn sie bilden sich häufiger als andere beruflich weiter. Während die Bereitschaft zur Weiterbildung gross ist, hapert es in anderen Bereichen der Schlüsselqualifikationen gewaltig. Unternehmen geben in Befragungen an, dass es den Absolventen hauptsächlich an sozialer und persönlicher Kompetenz mangelt. «Das sind die entscheidenden Defizite», sagt der Weiterbildungsexperte Hans-Henning Kappel. Schon heute ist es um die soziale Kompetenz in den höheren Etagen nicht gut bestellt. Was schon heute ein Manko ist, könnte sich in Zukunft als ernsthaftes Karrierehindernis erweisen. In einer Studie unter europäischen Führungskräften kommt das Gallup Institut zum Schluss, dass gerade bei diesen Kompetenzen der grösste Mangel auftritt. Doch hier ist Linderung in Sicht, denn die Hochschulen haben auf das Manko reagiert. Auslöser sind die Beschlüsse der Bologna-Konferenz zu einer Harmonisierung der europäischen Bildungslandschaft, die auch für die Schweiz verbindlich sind. Derzeit werden sämtliche Studiengänge der Universitäten und Fachhochschulen auf das Bologna-System umgestellt. Dazu gehört nicht nur die Einführung von Bachelor- und Masterabschlüssen, sondern auch die inhaltliche Ausrichtung auf die Berufsbefähigung der Studierenden. Eine wichtige Rolle spielt neben dem Praxisbezug auch die Vermittlung von Schlüsselqualifikationen. Sie soll gemäss den Vorgaben zwischen 15 und 25 Prozent der Studienzeit in Anspruch nehmen.

Es gibt allerdings auch Kritiker des neuen Systems, die um die Gewähr der fachlichen Ausbildung fürchten. Zu ihnen gehört Peter O. Brunner, Geschäftsführer von ETH Alumni. Er berät Absolventen kurz vor oder nach dem Abschluss über die Berufswahl. «Wenn man die Vermittlung der Sozialkompetenz ausbaut, geschieht das auf Kosten der fachlichen Ausbildung», sagt er. Die hält er nach seiner Erfahrung für entscheidend für einen erfolgreichen Berufseinstieg. «Die Arbeitgeber verlangen ganz klar nach hohen fachlichen Qualifikationen», sagt er. Vor allem KMU suchen Leute, die hohe Qualitätsansprüche erfüllen und nach dem letzten Stand des Wissens ausgebildet sind. Nach seiner Erfahrung ist vor allem für den Einstieg in Kleinunternehmen das Thema Schlüsselqualifikationen von geringer Bedeutung. Dort zählt allein das Fachwissen.

Peter O. Brunner setzt darauf, dass sich Berufseinsteiger wichtige soziale Kompetenzen, wie zum Beispiel Team- oder Führungsfähigkeit, während der täglichen Arbeit aneignen. «Ausserdem gibt es eine ganze Reihe an Weiterbildungsangeboten, wie etwa eine MBA-Ausbildung, die man belegen kann.» Hier können sich dann die Absolventen das notwendige Rüstzeug für Managementaufgaben holen.