Weder kursiert bei Novartis ein Werkinventar, das die verstreuten Bilder und Kunstobjekte verbindlich auflisten würde, noch gibt es beim Pharmakonzern eine Fachkommission, die über laufende Ankäufe entscheidet. Nach offizieller Sprachregelung unterhält der Basler Pillenmulti, dessen Name etwa «neue Kunst» bedeutet, gar keine Kunstsammlung im eigentlichen Sinn. Novartis sitzt nur auf einem Berg von Skulpturen und Bildern. Der auf über 4000 Objekte geschätzte Fundus, ein qualitativ breit gestreutes Allerlei, geht auf die Bestände der beiden Vorgängerfirmen Ciba-Geigy und Sandoz zurück. Ciba – oder vielmehr deren US-Tochter – brachte ein respektables Konvolut amerikanischer Nachkriegskunst in die Ehe ein. Aber an ein konsequentes Weiterentwickeln der Sammlung war in den Jahren nach der Fusion nicht zu denken.
Ohne sich auf ein kunsthistorisch bewandertes Gremium abzustützen, erwirbt heute Exekutivpräsident Daniel Vasella gewissermassen freihändig, was ihm gefällt. So geht in den Labors am Grossbasler Rheinufer der Spruch, der Chef konzentriere sich neuerdings auf das Sammeln von «Wandaktien», sprich: auf wertsteigerungsträchtige Kunst. Die Verwaltung der disparaten Bestände im Novartis-Besitz fällt in den Zuständigkeitsbereich von Vasellas persönlicher Assistentin. Wie heisst es doch? «Kunst ist Chefsache!» Höflich, aber bestimmt blockt die Vorzimmerdame alle Auskunftsbegehren ab, lässt aber durchblicken, dass der weltweit viertgrösste Pharmakonzern ohne eigentliches Budget für Kunstkäufe auskommt.
Ob man daraus schliessen darf, dass der Boss den Wandschmuck für die Firma aus der eigenen Tasche bezahlt? Wohl kaum, auch wenn Daniel Vasella weitgehend unkontrolliert darüber zu entscheiden scheint, wann und mit welchen Mitteln bestimmte Kunstwerke angeschafft werden. «Herr Vasella hat bereits privat und für die Firma bei uns eingekauft», bestätigt ein lokaler Kunsthändler, der in diesem Fall verständlicherweise auf Diskretion zählt. «Meine Ansprechperson dabei war immer er selbst.» Wie aus Galeriekreisen verlautet, interessiert sich Vasella ausser für Malerei aus dem Reich der Mitte etwa auch für die grossformatigen Holzschnitte des Schweizer Ausnahmekünstlers Franz Gertsch. Dass die Werke des gefeierten Slow-Motion-Technikers zahlenmässig sehr beschränkt sind und im Handel entsprechend selten auftauchen, muss den Jagdtrieb eines werthaltig denkenden Topshots umso mehr anstacheln.