Die norditalienische Region Emilia mit den Städten Parma, Reggio nell’Emilia und Modena ist von jeher für viele Schlemmer und Feinschmecker ein Gebiet, das in kulinarischer Hinsicht dem Schlaraffenland auf Erden nahekommt. Parmaschinken, Parmesankäse, Mortadella, Coppa und Tortellini: Diese und noch zahlreiche weitere deftig-schmackhafte Spezialitäten sind der Stoff, aus dem viele Schlemmerfantasien gewoben sind. Einzig beim Lambrusco, dem roten Perlwein, den man traditionellerweise zu den Gerichten der emilianischen Regionalküche trinkt, will keine Begeisterung aufkommen. Im Gegenteil – denn der aus der gleichnamigen Traubensorte gekelterte Lambrusco gilt als Inbegriff eines minderwertigen, süssen Massenweins, der vorab in Supermärkten und bei Billig-Discountern rund um den Globus für einen Spottpreis verkauft wird. Tatsächlich ist ein Grossteil der rund 180 Millionen jährlich erzeugten Lambrusco-Flaschen zu dieser Kategorie zu zählen.
Doch es gibt sie auch, die frisch-fruchtigen, trockenen Lambrusco, die wunderbare Essensbegleiter sind und wahre Trinkfreude bereiten. Leider sind sie eher rar und ausserhalb der Herkunftsregion noch kaum zu finden. Die Lambrusco-Rebe, von der es rund 60 Subvarietäten gibt, ist für ihren ausserordentlichen Ertragsreichtum bekannt. Die erlaubten Hektarerträge in den sieben DOC-Appellationen liegen zwischen 16 und 23 Tonnen pro Hektar. Gleichwohl sind heute qualitativ hochstehende Lambrusco in beinahe allen DOC-Appellationen zu finden.
Der Lambrusco di Sorbara (aus dem Anbaugebiet um den Ort Sorbara, nördlich von Modena) ist für Kenner der wohl typischste Lambrusco: Mit seiner hellroten Farbe, seinen Aromen von Himbeeren und roten Johannisbeeren und seiner knackigen Säure ist er der ideale Begleiter für die deftigen, fettreichen Speisen der emilianischen Küche. Zuweilen wird er auch als Grundwein für in der Flasche vergorene Schaumweine verwendet. Das Anbaugebiet des Lambrusco Grasparossa di Castelvetro liegt im Süden von Modena. Diese violettfarbige, von Brombeeraromen geprägte, tanninreich-kräftige Lambrusco-Variante wird meist mehr oder weniger restsüss abgefüllt. Wer einen trockenen Grasparossa wünscht, sollte deshalb beim Kauf auf den Vermerk «secco» achten. Das mengenmässig bedeutendste Lambrusco-Anbaugebiet ist die DOC-Appellation Reggiano Lambrusco um die Stadt Reggio nell’Emilia, der meist aus verschiedenen Lambrusco-Sorten assembliert wird.
Wie aber findet man einen guten Lambrusco? Mit Sicherheit nicht im Discountgeschäft zu Preisen unter zehn Franken. Bei den Weinhändlern also? Gewiss. Doch wer hierzulande bei den Weinhändlern nachfragt, wird bald feststellen, dass nur wenige den Mut haben, einen Wein zu importieren, der in erster Linie wegen seines schlechten Rufs bekannt ist. Sie scheinen lieber auf Bewährtes und Etabliertes zu setzen, als sich die Mühe zu nehmen, gute Lambrusco ausfindig und diese ihren Klienten schmackhaft zu machen. Die Tatsache jedoch, dass der italienische Weinführer Gambero Rosso letztes Jahr erstmals Lambrusco-Weine mit den begehrten drei Gläsern ausgezeichnet hat, lässt einen die Prophezeiung wagen, dass den roten Perlweinen aus der Emilia wohl bald auch hierzulande mehr Beachtung geschenkt werden wird.
Glücklicherweise gibt es einige mutige Weinhändler, die erkannt haben, welch grossen Trinkspass die Lambrusco von qualitätsorientierten Produzenten wie Albinea Canali, Cavicchioli, Ceci, Chiarli, Corte Manzini, der Cantina Sociale Gualtieri, Medici Ermete, Venturini Baldini, Virgili und Zucchi bereiten. Das sind keine Billigstweine für Geizkragen, aber Weine, die ein optimales Preis-Genuss-Verhältnis aufweisen und ganz besonders im Sommer grossen Trinkspass bereiten. Rudolf Trefzer
Folgende Weinhändler führen qualitativ hochstehende Lambrusco:Wein Feer, Münchenstein (www.wein-feer.ch); Silvino, Uster (www.silvino.ch); Vinovin, Alpnach-Dorf (www.vinovin.ch); Weine Simone Lanz, St. Gallen (www.weinesimonelanz.ch); Wein und Kultur, Hombrechtikon (www.weinundkultur.ch).