Der rekordtiefe Referenzzinssatz hat Auswirkungen auf die Mieten. In diesem Punkt sind sich Mieterverband (MV) und Hauseigentümerverband (HEV) einig. «Die Chancen stehen jetzt gut für eine Mietzinssenkung», erwartet Michael Töngi, Generalsekretär des Mieterverbandes. Und auch Monika Sommer vom Hauseigentümerverband sagt: «Ich vermute, dass es eine erhebliche Zahl an Senkungen geben wird».
Der Grund für die unübliche Einhelligkeit: Der Zinssatz, der als Berechnungsgrundlage für die Mieten gilt, ist von zwei Prozent auf rekordtiefe 1,75 Prozent gefallen. Das bedeutet, dass Mieter eine Reduktion von 2,91 Prozent verlangen können. Doch wie sollen sie vorgehen, wenn sie tatsächlich weniger bezahlen wollen, fürs Wohnen?
«Die meisten Vermieter gehen runter»
«Bevor man gross zu rechnen beginnt, sollte man einfach dem Vermieter schreiben», so Michael Töngi. «Denn nach unserer Erfahrung gehen die meisten Vermieter runter, wenn die Mieter fragen.» Im Schreiben sollte man erwähnen, dass der Referenzzinssatz gesenkt wurde und man deshalb um eine Senkung ersuche. Und wer den Brief nicht selber formulieren mag, kann sogar ein Muster auf der Webseite des Mieterverbandes herunterladen.
Auf den Brief muss der Vermieter innert 30 Tagen reagieren. Wenn das Ersuchen abgelehnt wird oder der Zins aus Sicht des Mieters zu wenig gesenkt wird, kann sich dieser innert 60 Tagen an die Schlichtungsstelle wenden. Diese muss dann überprüfen, ob tatsächlich ein Anspruch besteht. Denn das Anrecht auf eine Mietzinssenkung hängt von verschiedenen Faktoren ab.
«Jeder Fall muss geprüft werden»
«Es gibt keinen Automatismus, jeder Fall ist anders und muss geprüft werden», sagt Monika Sommer vom HEV. «Nicht alle Vermieter müssen den Mietzins nun senken». Insbesondere kann der Vermieter 40 Prozent der Teuerung seit der letzten Anpassung und gestiegene Unterhalts- und Betriebskosten aufrechnen. Auch wertsteigernde Investitionen können gegen die Senkung sprechen.
«Unsere Hotline wird wieder heisslaufen», so Sommer, denn die allermeisten Mitglieder wollten bei der Berechnung der Mietzinsen korrekt sein. Nun seien viele unsicher, wie sie vorgehen sollten. Denn auch wenn ein Vermieter keine kostendeckende Rendite erziele, müsse er die Mieten nicht senken. «Das Bundesgericht hat festgehalten, dass eine Senkung in diesem Fall nicht zumutbar ist.»
Allermeiste Fälle berechtigt
Anders als beim HEV ist man beim MV überzeugt, dass die meisten Vermieter, die ihre Mieten nicht gesenkt haben, einen zu hohen Ertrag erzielen. Seit 2008 habe sich der Zins für Hypotheken fast halbiert, so der Verband in einer Mitteilung. Auf ein Hypothekarvolumen von 870 Milliarden Franken bedeute dies, dass die Zinszahlungen der Eigentümer um 14 Milliarden Franken gesunken seien.
Von den gesetzlichen Ausnahmen sollten sich die Mieter denn auch nicht abschrecken lassen, rät Töngi vom MV. «Die allermeisten Fälle gehen nicht in die Schlichtung.» Das liege daran, dass viele Leute schon frühere Referenzzinssenkungen nicht bekommen hätten und ihr Anspruch deshalb völlig einwandfrei sei. Auch wenn der Mietzins oberflächlich oft willkürlich erscheinen möge, gäbe es genaue Regeln zur Berechnung.
Sinkende Zinsen für Hypotheken weitergeben
Missbräuchlich ist beispielsweise neu eine Rendite von mehr als 2,25 Prozent auf das Eigenkapital des Hausbesitzers. Die Grenze liegt immer ein halbes Prozent über dem Referenzzins. Mit dieser Regel soll gesichert werden, dass die Vermieter einen Teil der Einsparungen bei sinkenden Hypothekarzinsen an die Mieter weitergeben müssen.
Der einheitliche Referenzzinssatz ist seit der Einführung entsprechend von 3,5 Prozent auf 1,75 Prozent gesunken. Die Mieten hätten also in den letzten sieben Jahren gleich mehrfach erheblich sinken müssen. Erhöht wurde der Referenzzins überhaupt noch nicht, seit er gesamtschweizerisch eingeführt wurde. Trotzdem blieben automatische Senkungen von Seiten der Vermieter eine grosse Ausnahme.
Gesetz überprüft nur Missbräuche
Denn die Vermieter müssen den Mietzins nicht von sich aus senken. Stattdessen ist es an den Mietern ihr Recht einzufordern. Das Gesetz überprüfe nur Missbräuche, so Töngi. Wer eine Schlichtung in Anspruch nehmen wolle, solle sich deshalb mit dem Mietzinsrechner auf der Webseite des MV vorbereiten. Dabei habe man im Moment aber gute Argumente in der Hand.
Was aber, wenn der Vermieter betont, dass er sowieso schon einen niedrigeren Mietzins verlange, als üblich? Dieses häufige Argument habe mietrechtlich weder Hand noch Fuss, sagt Töngi. «Der Vermieter muss anhand von fünf vergleichbaren Objekten beweisen können, dass der Mietzins orts- und quartierüblich ist.»