Fabrice Zumbrunnen hatte am Dienstag seinen ersten Auftritt. Vor drei Dutzend Journalisten und ebenso vielen Finanzanalysten kommentierte er am Hauptsitz in Zürich die Geschäftszahlen vom letzten Jahr. Dabei klang der 48-Jährige wie der CEO eines Finanzkonzerns, nicht wie der Generaldirektor der Handelsgenossenschaft, die die Migros ist.
«Damit können wir uns nicht zufrieden geben», sagt er und es sind noch keine fünf Minuten vergangen. Gemeint ist der um 24 Prozent tiefere Gewinn. Immer noch eine halbe Milliarde Franken, notabene. So sympathisch sein Frankoakzent, so hart seine Worte: Effizienz, Einsparungen, Marktführerschaft – die Journalisten reiben sich die Augen.
Ein Zeichen setzen
Eigentlich präsentiert Zumbrunnen ein kerngesundes Unternehmen mit 15 Milliarden Eigenkapital (eine Quote von 67 Prozent), 22 Prozent Marktanteil im Kerngeschäft und schwindelerregenden 105’000 Angestellten. Aber eben: Pro verdientem Franken bleiben der Migros nur 1,8 Rappen in der Kasse. Das passt dem neuen Chef ganz und gar nicht. Auch wenn das im Detailhandel vertretbar ist. Und obwohl es bei der Migros keine Aktionäre gibt, die ihre Anteile an der Börse veräussern könnten.
Er will ein Zeichen setzen. Auf dem Podium sitzt neben ihm nur Finanzchef Jörg Zulauf. Zumbrunnens Vorgänger Herbert Bolliger wurde jeweils von Marketingchef Hansueli Siber flankiert, der fröhlich neue Produkte und Kampagnen pries und Seitenhiebe gegen die Konkurrenz in witzige Annekdoten verpackte. Diesmals ist Siber nicht einmal im Raum. Auch seine Management-Kollegen fehlen. Kein Beat Zahnd, der gerade das zentrale Departement Handel komplett umbaut. Kein Walter Huber, der die mächtige M-Industrie führt. Einzig die neue HR-, Kultur- und Kommunikationschefin Sarah Kreienbühl ist da.
Beim Migros-Rivalen Coop sitzt die Geschäftsleitung an der wichtigsten Pressekonferenz des Jahres immer stramm in der ersten Reihe. «Es ist eine Bilanzmedienkonferenz und wir fokussieren uns auf die Zahlen und die Zukunft», erklärt Zumbrunnen. «Die Kollegen haben im Moment etwas anderes zu tun.» Heisst: Das Management soll arbeiten, nicht mit Journalisten plaudern.
Kontrollierter Zahlenmenschen
Die Zukunft definiert Zumbrunnen in klaren Schlagworten: konsequente Ausrichtung auf die neuen Kundenbedürfnisse, Ausbau der Führungsrolle im Onlinehandel, Bestes Preis-Leistungs-Verhältnis, Ausbau des Gesundheitsangebots. Er zeigt ein sympathisches Lächeln, doch die Begriffe gehen wie Ohrfeigen auf die Anwesenden nieder. Als diese nach konkreten Ausführungen fragen, schwadroniert der Chef wie ein alter PR-Hase: «Wir beobachten die Entwicklungen aufmerksam.» Es ist zum Verzweifeln.
«Der Nette», stand im letzten Oktober auf dem BILANZ-Cover. Seine Weggefährten beschrieben ihn im Porträt als zuvorkommenden, empathischen Intellektuellen mit diplomatischem Feingefühl. Doch bei seinem ersten Auftritt sah man einen kontrollierten und ambitionierten Zahlenmenschen. Vielleicht braucht die Migros angesichts der Herausforderungen ja genau das.