Auf Italiens neuester Bahnlinie brauchen die Züge Tage, um ihr Ziel zu erreichen, und die Fahrkarten kosten Tausende von Euro. Die Reise selbst ist das Ziel, und die ist recht exklusiv.
«La Dolce Vita» heisst das neue Bahnangebot. Ab nächstem Jahr wird eine Auswahl von Reisen mit einer bis drei Übernachtungen angeboten, etwa von Rom aus nach Venedig und Portofino oder durch Sizilien zu einem Preis ab 6000 Euro (rund 5850 Franken) für zwei Personen. Die Routen führen durch Reiseziele wie Montalcino, Siena, Maratea, Palermo, Palena, Matera, Venedig und Portofino. Die exklusivsten Kabinen kosten mindestens 25’000 Euro pro Nacht.
Reisen mit Stil, aber ohne schlechtes Gewissen
«Es ist wie eine Luxuskreuzfahrt, nur auf Schienen», sagt Paolo Barletta, Geschäftsführer der Luxusreisegruppe Arsenale S.p.A., die den Service in Zusammenarbeit mit der berühmten Marke Orient Express betreiben wird. «Der Zug ist ein Transportmittel, das für viele eine Leidenschaft ist. Zugreisen sind romantisch und haben einen ganz besonderen Charme.»
Der Service, der mit der Marke Orient Express verbunden ist, entspringt zwei wichtigen Trends: dem Wiederaufleben des Reisens nach der Pandemie und dem erneuten Interesse an Zügen im Zusammenhang mit der Klimakrise. Nach den Lockdowns in der Pandemie haben die Menschen immer noch einen Nachholbedarf beim Reisen. Das gilt vor allem für die Wohlhabenden, die abseits der ausgetretenen Pfade reisen wollen, aber mit Stil und ohne schlechtes Gewissen.
Italien ist wegen seiner Küche, Kultur und Geschichte ein begehrtes Reiseziel. Nach Angaben des Fremdenverkehrsamtes Enit kamen im Jahr 2022 mehr als 3 Millionen Besucher der höheren Einkommensschichten nach Italien und gaben durchschnittlich umgerechnet 3500 Franken aus. Das Amt geht davon aus, dass die Einnahmen von internationalen Reisenden aus dieser Zielgruppe zwischen 2020 und 2024 um 31 Prozent steigen werden.
«Luxustouristen sind auf der Suche nach etwas Neuem, denn Kreuzfahrten sind so etwas wie ein alter Hut», sagt Dina Ravera, Gründerin und Vorsitzende des gehobenen Reiseveranstalters Destination Italia S.p.A. Neben Ballonfahrten ins Weltall, Fahrten mit dem U-Boot auf den Meeresboden oder Campen in der Safari erleben auch nachhaltige Reisen einen Aufschwung. «Nachhaltiges, langsames Reisen auf alternativen Routen und Panoramastrassen durch Italien ist bei konsumfreudigen Touristen sehr gefragt», sagt Ravera.
Investitionen von 240 Millionen Euro
Das Luxussegment ist vom Inflationsdruck und wirtschaftlichen Ängsten nicht betroffen. Eine Umfrage des Zahlungsdienstleisters Flywire ergab, dass 83 Prozent der Reisenden im gehobenen Segment im Jahr 2023 mehr ausgeben wollen als im Vorjahr.
Um die Nachfrage zu befriedigen, investiert Arsenale 240 Millionen Euro in den Start des Dienstes. Das Geld fliesst vor allem in die Umrüstung der veralteten Züge des nationalen Betreibers Trenitalia, um daraus rollende Luxushotels zu machen. Zu den Annehmlichkeiten an Bord gehören feine Speisen an messinggetäfelten Tischen und Suiten mit Holzvertäfelung und Wohnzimmern.
Die Inneneinrichtung ist vom italienischen Design des 20. Jahrhunderts inspiriert und kombiniert gedämpfte Orange-, Terrakotta- und Lilatöne. Die Deluxe-Kabinen verfügen über Teppichböden und Holztäferung an der Decke sowie über ein eigenes Bad. Die Suiten werden mit einem Sofa, einem Tisch und zwei Sesseln ausgestattet.
Zwischenstopp in der Mailänder Scala
Im Speisewagen werden italienische Aperitifs und lokale Weine serviert, und zu den Delikatessen gehören Seeigel und Speisen mit Trüffeln. Während des Abendessens im Le Grand Soir wird ein Fotograf für die Gäste alte Polaroids aufnehmen. In den Zwölf-Wagen-Zügen können bis zu 62 Passagiere mitfahren.
Die Routen verlaufen teilweise auf Nebenstrecken in der Nähe der Berge und des Meeres. Die Reisenden können für Veranstaltungen zu- und aussteigen, etwa für den nächtlichen Besuch des Markusdoms in Venedig oder eine Aufführung in der Mailänder Scala. Es wird auch die Möglichkeit geben, in den Arsenale-eigenen Orient-Express-Hotels in Rom und Venedig zu übernachten, die ebenfalls 2024 eröffnet werden sollen.
Die ersten beiden Züge werden von Rom aus nach Nord- und Süditalien fahren und auch Sizilien bereisen. Bis 2025 sollen vier weitere Züge folgen, die Routen durch das ganze Land anbieten.
Die Nachfrage ist gross
Eine Ausweitung des Konzepts auf die arabische Halbinsel ist geplant, nachdem Arsenale mit Etihad Rail und Saudi Arabia Railways Vereinbarungen zur Entwicklung ähnlicher Dienste in den Vereinigten Arabischen Emiraten und Saudi-Arabien unterzeichnet hat.
Voranmeldungen für die ersten La-Dolce-Vita-Reisen sind bereits möglich. Es hätten genug Leute die Anzahlung von 500 Euro geleistet, um alle verfügbaren Plätze für das kommende Jahr zu besetzen, sagt Barletta. Er hat Arsenale im Jahr 2020 gemeinsam mit der Annabel Holding gegründet, dem Unternehmen des Milliardärs Nicola Bulgari. Die finalen Buchungen sollen nach diesen Sommer beginnen.
Die meisten Kunden werden wahrscheinlich aus den USA, Europa und dem Nahen Osten kommen, aber auch italienische Inlandreisende zählten dazu, sagt Barletta. Asien hinke hinterher.
Für Dolce-Vita-Reisende ist der Preis kein Thema. «Der Kauf einer Tasche einer Topmarke kann das Gleiche kosten wie eine massgeschneiderte Reise, aber sie bietet nicht das gleiche emotionale Erlebnis», betont der Manager. (Bloomberg/ali)