Calvin Klein, Daniel Hechter, Hugo Boss, Emporio Armani, D&G, Versace, Esprit und viele andere Lifestyle-Marken haben sich in den neunziger Jahren ins florierende Uhrengeschäft geworfen. Sie liessen zu ihrem Stil passende Ticker anfertigen und überschwemmten den Markt mit Millionen von Uhren zu attraktiven Preisen. Die Armbanduhr ist damit zu einem Accessoire geworden, das ohne Gewissensbisse in der nächsten Saison beiseite gelegt oder ausgewechselt werden darf. Und dieser Trend hält an.

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Weshalb aber gibt es eine ganze Reihe von Mode- und Accessoire-Marken, die sich nicht nur mit dem Vertrieb von modischen Quarztickern zufrieden geben, sondern auch als Hersteller von Uhren ernst genommen werden möchten? Warum liegt ihnen so viel daran, wenigstens einen Teil ihrer Zeitmesser mit mechanischen Uhrenwerken auszurüsten? Antwort: In den meisten Fällen ist es die Tradition, die es von ihnen fordert.

Das gilt in hohem Masse für Hermès. Das Sattlerei-Unternehmen, das 1837 gegründet wurde, um Zubehör für Reiter und später Gepäckstücke für Reisende herzustellen, produzierte Anfang des 20. Jahrhunderts auch Lederbänder für die ersten Armbanduhren, die damals aufkamen. Da lag es auf der Hand, sich gleich selber um den Nachschub der Uhren zu kümmern. Bereits in den dreissiger Jahren florierte der Uhrenverkauf an der inzwischen berühmt gewordenen Pariser Geschäftsadresse am Faubourg Saint-Honoré 24. Die Uhren mit dem Schriftzug Hermès auf dem Zifferblatt wurden damals allesamt in der Schweiz bestellt, unter anderen bei Audemars Piguet und Movado. 1978 eröffnete Jean-Louis Dumas, der in der fünften Generation das Familienunternehmen leitete, mit La Montre Hermès in Biel einen eigenen Fertigungsbetrieb für Uhren, wo heute jährlich weit über 120 000 Stück assembliert werden. Im Zuge der Mechanik-Renaissance wurden vermehrt Männermodelle mit mechanischen Automatikwerken, in erster Linie von ETA, ausgestattet, darunter die Linie Sésame mit einem skelettierten Uhrwerk.

Noch einen Schritt weiter ging Hermès 2003 durch die Zusammenarbeit mit der Manufaktur Parmigiani/Vaucher. Vom Modell Dressage gab es zunächst eine Uhr mit extraflachem Automatikwerk, dann Varianten mit Mondphase und COSC-Chronometer-Zertifikat. Dieses Jahr wird das quadratische Modell Cape Cod Huit Jours, dessen Look an die dreissiger Jahre erinnert, mit einer Acht-Tage-Gangreserve und Springender Stunde ausgerüstet – natürlich wieder von Vaucher.

Für Emmanuel Raffner, den neuen, seit 2005 amtierenden Generaldirektor von La Montre Hermès, ist es wichtig, dass das Familienunternehmen niemals zum blossen Markenzeichen verkommt. «Von unseren weltweit 6000 Mitarbeitern sind 3500 Fachleute in der Herstellung. Dieses traditionelle handwerkliche Wissen des Hauses schlägt sich in sämtlichen Produkten nieder. Das gilt für die Lederwaren genauso wie für die Seidentücher – und eben auch für die Uhren», sagt Emmanuel Raffner. «Wir werden der mechanischen Uhr bei Hermès in den nächsten Jahren kontinuierlich einen noch wichtigeren Platz einräumen.»

Eine der ersten Modemarken, die gross ins Uhrengeschäft einstieg, war Gucci. Bereits 1972 präsentierte das italienische Modehaus eine Uhrenkollektion. Die Idee dazu stammte von Severin Wundermann, dem heutigen Besitzer der Marke Corum. Zufällig machte der in die USA ausgewanderte belgische Geschäftsmann in den sechziger Jahren die Bekanntschaft von Aldo Gucci. Der Modekönig liess sich von Wundermann überzeugen, Uhren mit dem Namen Gucci zu produzieren. «Die beste Idee, die ich je hatte», meint Wundermann noch heute.

Der clevere Belgier mit langjähriger Erfahrung im Uhrenbusiness gründete eine Produktionsfirma in der Schweiz und begann, Uhren mit dem berühmten Namen Gucci in Lizenz herzustellen und zu vertreiben. Ihr Preis betrug damals nicht mehr als ein paar hundert Franken pro Stück. Zwanzig Jahre später war der Umsatz auf eine halbe Milliarde Franken gestiegen. Es gab Jahre, da gehörten die Gucci-Ticker zu den meistverkauften Schweizer Uhren. Doch 1997 war die Herrlichkeit für Severin Wundermann zu Ende. Gucci kündigte den Lizenzvertrag und wollte fortan den ganzen Kuchen des Uhrengeschäftes selber vertilgen.

Den Einstieg in den Markt der Mechanikuhren versuchte Gucci 2001 mit einer sehr sachlichen Uhr, die sich durch eine extrem gute Ablesbarkeit auszeichnete und mit einem Peseux-7001-Handaufzugwerk ausgerüstet war; zwei Jahre später folgte ein Automat. In diesem Jahr konzentriert sich Gucci allerdings auf Damenuhren mit Quarzwerken; eine endgültige Absage an die Mechanik solle dies, so beteuert man, keineswegs bedeuten. Bloss einen Aufschub. Man vertröstet auf nächstes Jahr.

Erst in den späteren achtziger Jahren ist das Modehaus Chanel auf den Uhren-Zug aufgesprungen und hat zu diesem Zweck 1987 die Division Horlogère Chanel in La Chaux-de-Fonds gegründet. Es folgte eine lange Reihe hübscher Damenuhren, die in der Regel zum berühmten Chanel-Kostüm und den anderen Produkten des Hauses passten. So erinnerte das erste Modell Première an die achteckigen Flakondeckel mancher Chanel-Parfums. Oder das Modell Mademoiselle, in Anspielung auf die von Coco Chanel ultimativ verlangte Anrede, ist seit 1990 in unzähligen Varianten erschienen.

Dann kam der Bruch, und kein Mensch weiss, was Mademoiselle dazu gesagt hätte. Seit 2000 dominiert der Creative Director Jacques Helleu die Uhrenkollektionen von Chanel mit der J12-Reihe. Jetzt gibt es auf einmal bei Chanel sportliche Uhren, die auch Damen gerne tragen. Jetzt ist Hightech gefragt. Als Material liebt Helleu Keramik. 2002 erschien ein COSC-geprüfter automatischer Chronograph mit drei Zählwerken in einem Gehäuse aus diesem Material, schwarz oder weiss, für die Damen zum Teil reich mit Diamanten besetzt. Nachdem die ganze Uhrenbranche von einem Tourbillon-Fieber erfasst worden war, liess es sich auch Chanel nicht nehmen, mit dieser Grande Complication aufzuwarten. Besonderheit: Das Tourbillon dreht sich nicht auf herkömmlichen Messingplatinen, sondern auf solchen aus Keramik. Das nächste Chanel-Modell, die J12 Superleggera, ist ein Chronograph mit Automatikwerk; dessen Stärken sind – der Name sagt es – das superleichte Hightech-Gehäuse und eine raffinierte Tachymeter-Skala. Den Erfolg seiner Uhren erklärt der französische Designer Jacques Helleu mit dem lapidaren Satz: «Das erste Modell der J12 habe ich für mich ganz persönlich entwickelt. Ohne Kompromisse, das scheint zu überzeugen.» Mit dem allerneusten Modell, der J12 Automatic Haute Joaillerie, will Chanel nicht nur Kompetenz als Uhrmacher, sondern auch als Juwelier demonstrieren: Zifferblatt, Lünette und Armband sind mit beinahe 600 Diamanten besetzt.

Den Einzug ins Uhrenbusiness hat der französische Luxusgüter-Leader Louis Vuitton 2002 im Eiltempo geschafft. Nachdem im Jahr 2000 mit Zenith, TAG Heuer und Ebel (Letztgenannte gehört heute zu Movado) renommierte Uhrenmarken zum Konzern LVMH gestossen waren, konnte Louis Vuitton von deren Know-how profitieren. In La Chaux-de-Fonds bezog die Luxusmarke eigene Assemblage-Ateliers. Schon die erste Kollektion – Tambour –, die in Design und Farbe der braunen Monogramm-Gepäcklinie nachempfunden ist, wurde teilweise mit El-Primero-Werken von Zenith ausgerüstet. Selbst eine Tambour Tourbillon liess nicht lange auf sich warten. Dieses Jahr steht die Tambour Diver im Vordergrund des Angebots, ein Automat, der mit dem bewährten ETA-2895-Werk ausgerüstet ist. Der jährliche Ausstoss von Louis-Vuitton-Uhren dürfte heute zwischen 30 000 und 40 000 Uhren pro Jahr liegen.

«Wir sind keine Modemarke, sondern eine vielseitige Luxusmarke, die unter anderem auch Uhren anbietet, dazu gehören selbstverständlich auch solche mit anspruchsvollen mechanischen Werken», sagt der 44-jährige Franzose Albert Bensoussan, der den Uhrenbereich bei Louis Vuitton leitet. «Von Beginn an haben wir zwischen 40 und 45 Prozent der Uhren mit mechanischen Werken ausgerüstet, und diesen Anteil beabsichtigen wir zu halten.» Und er verrät: «Zurzeit wird bei uns an zwei innovativen Projekten gearbeitet, die wir aber frühestens 2007 vorstellen werden.»

Auch Dior gehört zum Luxusgüterkonzern LVMH, und was die Synergien innerhalb der Gruppe betrifft, so gilt für die wohl berühmteste aller Modemarken Ähnliches wie für Louis Vuitton. Die Uhren von beiden werden in den Ateliers horlogers in La Chaux-de-Fonds assembliert und vertrieben. Die bisherigen Kollektionen wie Riva, My Dior und die neue Christal richten sich in erster Linie an die weibliche Kundschaft, für die 90 Prozent der Uhren gedacht sind. Doch der Chronograph Chiffre Rouge, den der Pariser Couturier Hedi Slimane letztes Jahr entworfen hat, bestätigte die Ausnahme von der Regel – und schlug ein! Der Purist Slimane, der am liebsten Weiss, Schwarz, Grau und Rot mag, hat den kräftigen, schwarz-silbernen Chronographen frech mit einer knallroten Ziffer im Datumsfenster und einem ebenso provokativen Drücker versehen. Endlich wieder mal was erfrischend Neues, atmete man beim Erscheinen der aparten Uhr auf. Eines dieser ersten Modelle, der COSC-geprüfte Chronometer Irreductible, war mit einem El-Primero-Werk von Zenith ausgerüstet. In der diesjährigen Chiffre Rouge A05 mit Kautschukband steckt ein ETA-Automatikwerk 2894, und auch sie ist mit einem COSC-Zertifikat versehen. Eines fällt auf: Hedi Slimanes favorisierte Farbkombinationen gefallen offensichtlich auch anderswo. In dieser Saison entschieden sich eine ganze Reihe von Marken für ein wenig Rot auf viel Schwarz.