Die Tabakpfeife im Mund, stapft Thomas Schmidheiny den steilen Kiesweg nach oben, im Rhythmus der Schritte kleine Rauchwolken in die frische Herbstluft paffend. Am Stadtrand von Rapperswil liegt, unweit des Sees und hinter einem dünnen Gürtel von Einfamilienhäusern, der Rebberg Höcklistein. Vor Wochen wurden die Trauben gelesen, nun hängen noch einige gelbbraune Blätter an den Weinstöcken.

In einem kleinen, für Degustationen eingerichteten Holzhaus mit grandioser Sicht auf die Glarner Alpen lehnt sich Schmidheiny zurück. «Seit dem Sommer 2009 bewirtschaften wir hier 15 Hektaren, die haben wir gepachtet für 25 Jahre.» Gekeltert werden die Weine vom Höcklistein allerdings in der Ostschweiz, genauer in Balgach bei Heerbrugg. Dort betreibt die Industriellenfamilie, reich geworden im Zementgeschäft, ein eigenes Weingut. Ernst Schmidheiny, der Grossvater von Thomas, pflanzte vor 100 Jahren rund um den Wohnsitz Weinreben, Vater Max sorgte sich später um die Pflege. «Wir sind mit Wein aufgewachsen», erinnert sich Thomas Schmidheiny. Als Jugendlicher hat er mit seinen Geschwistern nach der Schule in den Reben gejätet – für zwei Batzen in der Stunde. «Treiber war meine Mutter Adda. Sie hat im Haus Schmidheiny die Kultur gepflegt, und dazu gehörte auch guter Wein.» Guter Rebensaft allerdings trug damals kaum das Etikett des Weinguts Schmidheiny. Schon Max Schmidheiny musste in den Restaurants mehr als nur sanften Druck ausüben, damit sie seine Weine in den Keller legten.

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In Qualität investiert. «Als ich das Weingut Schmidheiny in Heerbrugg übernahm, waren die Weine nicht sehr gut, und sie wurden immer schlechter», erzählt Thomas Schmidheiny. 1998 holte er Georg Hess – der einstige Finanzdirektor des Kantons Schwyz ist Önologe –, der ein neues Betriebskonzept erarbeitete. Darauf investierte Schmidheiny kräftig in die Modernisierung. Auch wurden neue Traubensorten angepflanzt und die Quantität zugunsten der Qualität reduziert. Das Konzept ging auf: Die unter griechischen Namen vertriebenen Premium-Weine erfreuen sich heute eines ausgezeichneten Rufs.

Längst haben sich die ehemaligen Nebenerwerbsweinbauern aus der Ostschweiz international ausgerichtet. Auf Anregung von Mutter Adda wurde 1979 das Weingut Cuvaison im kalifornischen Napa Valley gekauft. Zur Jahrtausendwende folgte, auf Empfehlung von Philipp Schwander, dem Schweizer Master of Wine und höchst geschäftstüchtigen Weinhändler, die renommierte australische Weinkellerei Chapel Hill aus dem McLaren Vale. Der jüngste Streich erfolgte in Argentinien: Am Fuss der Anden kaufte sich Thomas Schmidheiny Land in der Grösse von immensen 150 Hektaren. Ein Teil davon stammte von einem seiner neuen Nachbarn, dem Zürcher Dieter Meier, Wein- und Biobauern, Musiker oder «Maître de rien», wie er sich selbst kokett bezeichnet. In Südamerika muss Schmidheiny alles neu aufbauen. Und so kam die Finca zu ihrem Namen: «Decero», von null auf aufgebaut.

Thomas Schmidheiny, ist das Weinmachen für Sie mehr Hobby oder mehr Geschäft? «Es ist etwas zwischendurch. Wein fasziniert mich. Das ist doch viel interessanter als das graue Pulver Zement.»

Viel Faszination, wenig Ertrag. Cuvaison wirft zwar voluminöse 15 Prozent Gewinnmarge ab, dafür ist die Ertragsrechnung in Heerbrugg nur ausgeglichen. Argentinien und Australien schreiben sogar rote Zahlen. Den 65-jährigen Multimilliardär kratzt dies aber nicht. «Über alle Güter betrachtet, schreiben wir eine schwarze Null. Damit sind wir im Plan, denn einiges befindet sich erst im Aufbau. In einigen Jahren sollten wir anständige Gewinne erzielen.»

«Wir sind ein etwas grösserer Boutique-Weinmacher», sagt Schmidheiny. Das ist etwas gar bescheiden, in Heerbrugg werden jährlich gegen 110 000 Flaschen Wein abgefüllt, in den anderen Gütern sind es je zwischen 300 000 und 550 000 Flaschen. Als Ziel wird eine Million Flaschen ins Auge gefasst – pro Weingut. Bei der Expansion ist aber auch Konsolidierung angesagt: «Wahrscheinlich kaufen wir kein Weingut mehr. Und falls doch, dann wird es ein Riesenproduzent sein.»

Wie Thomas Schmidheiny ist auch Silvio Denz bereits in früher Jugend auf den Geschmack gekommen. «In unserer Familie war Wein ein Alltagsgut. Wir haben schon als Teenager am Sonntag Wein zum Essen getrunken.» Der Vater, der im aargauischen Fricktal einen Rebberg mit Blauburgunder hegte, sammelte Bordeaux-Weine, der Sohn sammelt Bordeaux-Weingüter. Das war schon als Schüler sein grosser Traum: eines Tages im Bordelais ein angesehenes Château sein Eigen zu nennen. Vor einigen Jahren machte er sich auf die Suche, als Berater mit dabei war sein Schulfreund Stephan Graf von Neipperg, der selbst Weingüter besitzt, zum Beispiel das berühmte Château Canon-La Gaffelière. Gegen 40 Rebberge durchstreiften die beiden Schulfreunde, ohne dass dabei der Funke gesprungen wäre.

Herzblut investiert. 2004 wurde Denz auf das zum Verkauf stehende Château Faugères aufmerksam. «Ich habe mich sofort in das Weingut verliebt», blickt der 55-Jährige zurück. Er erkannte das Potenzial der mit teilweise alten Rebstöcken bepflanzten Weinberge und des hervorragenden Terroirs. Der Kauf machte sich innert weniger Jahre bezahlt. «Für Château Faugères habe ich 16 Millionen Euro bezahlt, heute dürfte es etwa 25 Millionen wert sein», rechnet Denz vor. Trotz dieser Wertsteigerung denkt er «nicht im Traum daran zu verkaufen».

Kein Wunder, denn Denz, der vor allem in London lebt, hat nicht nur Herzblut, sondern nebst dem Kaufpreis auch sehr viel zusätzliches Kapital in Faugères investiert. Dabei schreckte er nicht davor zurück, im traditionsreichen Weingebiet alte Mauern einzureissen. So sorgte er im Bordelais für eine kleine Revolution, als in seinem Auftrag der Tessiner Stararchitekt Mario Botta auf einem Hügel unübersehbar einen Turm samt Terrasse und tiefen Gewölben hinwuchtete, einen hochmodernen Weinkeller, eine «Kathedrale für den Wein», wie Denz damals schwärmte. Auch in Sachen Beratung scheute er keine Kosten. Auf Château Faugères erteilt Michel Rolland, einer der weltweit bekanntesten Önologen, Ratschläge. «Rolland ist sehr wichtig für den Erfolg meiner Weingüter. Er hat sein Gut in der Nähe, und vor der Lese kommt er täglich vorbei, um den Reifegrad der Trauben zu kontrollieren», sagt Silvio Denz. Mittlerweile «sind wir sehr gute Freunde geworden».

Silvio Denz, der mit Parfumdüften zu einem Vermögen von aktuell 200 bis 300 Millionen Franken gekommen ist, hat sich ein feines Weinimperium aufgebaut. Über seine Ermitage Holding mit Sitz in Zollikerberg steuert er die weit verzweigten Beteiligungen, so an Weinhandlungen sowie weiteren Bordeaux-Gütern, beispielsweise an Château de Chambrun oder Péby Faugères. Dazu kommen Anteile am spanischen Weinproduzenten Clos d’Agon oder eine Partnerschaft mit der Tenuta Montepeloso in der Toskana.

Wie es um die Erträge im Weinreich von Silvio Denz bestellt ist, lässt er im Dunkeln. Auf die Frage, ob sich eine Kapitalanlage im Weingeschäft heute überhaupt noch lohne, meint er: «Solche Investitionen muss man unter langfristigen Gesichtspunkten betrachten. Wenn man eine hohe Qualität produziert, das Weingut in einer bekannten Appellation liegt und man einen guten Marketing- sowie Vertriebsjob macht, dann zahlt sich das auf Dauer meistens aus.» Und falls doch nicht, sieht Denz seine «Weingüter auch als Immobilienanlage».

Im Land der Träume. Thomas Bär bäckt zwar weitaus kleinere Brötchen als Thomas Schmidheiny oder Silvio Denz – doch mit Bestimmtheit nicht von schlechterer Qualität. Der studierte Jurist, Mitgründer der mächtigen Zürcher Anwaltskanzlei Bär & Karrer, die gut hundert Anwälte beschäftigt, war als Vertreter der dritten Generation bis 2003 für die Privatbank Julius Bär Holding als Präsident tätig. Seit seinem Rücktritt ist er laut eigenem Bekunden «vom Bankier zu einem 80-Prozent-Weinproduzenten geworden. Ein Fünftel meiner Zeit wende ich noch für die Kanzlei auf.»

Wein stellt der 73-Jährige in der Toskana her, auf dem Weingut Gagliole, unweit von Castellina in Chianti, also im Herzen des Chianti-Classico-Gebiets. «Willkommen im Land der Träume», so wird der Besucher virtuell auf der Homepage begrüsst. Für ihren Traum, ein eigenes Weingut in dieser Region Italiens, mussten Thomas und Ehefrau Monika Bär lange kämpfen. «Meine Frau hat zeitweise in der Toskana gewohnt. Sie wusste, dass dieses Weingut zu verkaufen ist. Nach einer Besichtigung waren wir beide begeistert», blickt der Altbankier zurück. Ihr Enthusiasmus ist verständlich: Gagliole ist ein Gut, wie man es aus dem (Wein-)Bilderbuch kennt – Zypressen, idyllische Lage, südländische Villa, berauschende Aussicht.

Nur wollte der Besitzer nach ersten Verhandlungen plötzlich nicht mehr verkaufen. Nach langatmigen Gesprächen mochten dann die Bärs nicht mehr. Und als sie wieder wollten, zog sich der potenzielle Verkäufer erneut zurück. 1990, nach fünf Jahren Hin und Her, klappte es doch noch. Seither produzieren «i due svizzeri» ihre eigenen Rebensäfte, drei Rotweine und einen Weisswein, je nach Jahrgang zwischen 75 000 und 90 000 Flaschen. Dazu kommen 2000 Flaschen Olivenöl und etwas Grappa. Das reicht nicht, um reich zu werden. «Wein ist zwar meine grosse Passion. Doch ein wirtschaftliches Standbein kann dieser Zweig nicht sein», stellt Thomas Bär denn auch fest.

Obwohl seine Weine von Jahr zu Jahr besser werden. Der angefressene Weinmacher träumt davon, im Olymp des internationalen Weines Einlass zu finden: 100 Punkte von den Kritikern, die Heiligsprechung. Nur gerade einige Dutzend Weine haben das bislang geschafft. Die Bärs sind auf gutem Weg zu höchsten Weihen. Der Gagliole Pecchia, in homöopathischen Dosen von jährlich 2000 bis 3000 Flaschen produziert und beim Weinhändler Riegger für 106 Franken im Gestell, hat es mit dem Jahrgang 2005 schon auf 96 Punkte gebracht.

Vor kurzem haben die Bärs, die knapp zwei Drittel des Jahres auf Gagliole leben, den Winter aber in Erlenbach verbringen, unweit ihres Gutes in Panzano einen kleinen Weinberg mit fünf Hektaren erworben. Die Lage verspricht absolute Spitzenqualität. «Wenn es uns da nicht gelingt, einen ausgezeichneten Wein zu keltern, dann hören wir am besten damit auf», meint Bär lachend. Absatzprobleme jedenfalls kennt der Jurist nicht. Zumal die Nachfrage nach Gagliole-Weinen auch in Asien steigt. «Wir verkaufen bereits ein Zehntel unserer Weine in China, Tendenz stark steigend», stellt Thomas Bär fest. Der wichtigste Absatzmarkt aber ist unverändert die Schweiz, die traditionell ein guter Weinmarkt ist. Und jetzt hilft noch der schwache Euro.

Unter den 300 Reichsten in der Schweiz haben sich gut zwanzig weitere auf das Weinmachen verlegt. Der profilierteste unter ihnen ist Donald Hess (75). Der Kosmopolit und Kunstsammler, der 2003 mit dem Verkauf der Valser Mineralquellen an Coca-Cola einige hundert Millionen Franken einstreichen konnte, betreibt acht Weingüter auf vier Kontinenten. Der einer Brauerei-Dynastie entstammende Berner richtet gross an: Der Markt wird jährlich mit rund 20 Millionen Flaschen geflutet.

Weingut mit Hotel. Für die Erben des deutschen Luftfahrtpioniers Claudius Dornier, die in der Zentralschweiz leben, ist das Weinmachen ebenfalls weitaus mehr als nur ein Zeitvertreib. Sie unterhalten nahe Stellenbosch in Südafrika eine 180 Hektaren umfassende Farm, davon stehen zwei Fünftel unter Reben. Die Domäne Dornier entstand 1995 aus der Zusammenlegung von vier Obst- und Rinderfarmen, die ersten Flaschen wurden 2002 abgefüllt. Trotz ihrem jugendlichen Alter geniessen die Dornier-Weine bereits hohes Ansehen und werden auch in Restaurants in der Schweiz geführt. Auffällig, ja im Kapstadter Weinland fast schon eine Sehenswürdigkeit ist der Weinkeller, entworfen von Christoph Modeste Dornier, dem 2008 verstorbenen Sohn des Flugpioniers Claudius. Auf dem von den Kindern Dorniers geführten Anwesen steht zudem ein schönes Boutique-Hotel.

Die Verbindung von Kulinarik, Wein und luxuriösem Ausspannen pflegt Andy Rihs in Südfrankreich. Der Mitgründer des Hörgeräteherstellers Sonova brachte mitten in der Provence das heruntergewirtschaftete Weingut Domaine de la Coquillade mit viel Hingabe und noch mehr Geld auf Vordermann. Der dort produzierte Wein namens Aureto ist etwas vom Besten, was die Côtes du Luberon zu bieten hat. Das zum Gut gehörende Hotel, eigentlich ein kleines Dorf, darf seit diesem Jahr den fünften Stern führen. Einen «Michelin»-Stern kann das Restaurant «Le Gourmet» vorweisen. Dort erholt sich auch der 69-jährige Andy Rihs vom Alltagsstress – und dem Insiderskandal bei Sonova.

Im Wein- und Hotelgeschäft tätig ist auch Michel Reybier, Frankreichs einst führender Wurster, berühmt geworden unter dem Spitznamen «Roi du Saucisson». Der Wahlschweizer führt drei Luxushäuser. Am meisten Aufmerksamkeit schenkt der 66-Jährige seinem Weingut im Bordelais. Das Château Cos d’Estournel gehört zu den berühmtesten Weingütern und ist als «Deuxième Grand Cru Classé» in der zweithöchsten Klassifikation eingestuft. Vor drei Jahren wollte Reybier für mehr als 100 Millionen Dollar das kalifornische Weingut Montelena übernehmen. Der Deal scheiterte, der enttrohnte Wurstkönig tröstete sich mit einer Beteiligung am ungarischen Tokajer-Produzenten Hétszölö.