Am Freitag, 23. Juni, um 8.00 Uhr treffen die Protagonisten der seit fünfeinhalb Jahren dauernden Affäre Hildebrand sich vor der II. Strafkammer des Zürcher Obergerichts. Die Verhandlungen führen wird Oberrichter Daniel Bussmann (SP).
Ende März 2016 hatte das Bezirksgericht Zürich den Whistleblower Reto T. und den Thurgauer Anwalt Hermann Lei, welche die unlauteren Devisengeschäfte des gestürzten Präsidenten der Nationalbank (SNB), Philipp Hildebrand, publik gemacht hatten, der Verletzung des Bankgeheimnisses schuldig gesprochen.
Lei fordert Freispruch
Das Bezirksgericht hatte wegen Verletzung des Bankgeheimnisses bedingte Bussen von 1350 Franken (für Reto T.) und 40'800 Franken (für Hermann Lei) ausgesprochen. Zudem sollten die beiden Hildebrand gemeinsam eine Prozessentschädigung von 10'840 Franken entrichten. Nun fechten sämtliche vier involvierten Parteien, die beiden Verurteilten, die Staatsanwaltschaft wie auch Privatkläger Hildebrand, die Entscheide der ersten Instanz vor Obergericht an.
Hermann Lei, der Hildebrands Kontoauszüge nur weitergeleitet hatte, plädiert weiterhin auf einen Freispruch. Er kündigt an, zusammen mit seinem Anwalt Valentin Landmann vertiefende rechtliche Begründungen zum Thema «Whistleblowing» einzubringen.
Staatsanwaltschaft fordert höhere Busse
Im Gegenzug gelangt aber auch die Zürcher Staatsanwaltschaft mit einer «Anschlussberufung» an die nächste Instanz. Staatsanwältin Alexandra Bergmann fordert eine massive Erhöhung der bedingten Strafe auf 51'000 Franken (ursprünglich hatte sie 16'500 Franken beantragt) sowie neu eine zusätzliche Busse von 1000 Franken.
Sprunghaft bis turbulent entwickelt sich das Verfahren gegen Reto T., den ehemaligen Mitarbeiter der Bank Sarasin, der 2011 Hildebrands Daten fotografiert und so die seit fünfeinhalb Jahren dauernde Affäre ausgelöst hatte. Er will vor Obergericht ebenfalls einen Freispruch erstreiten. In der Zwischenzeit hat er sich nicht nur von seinem zweiten Anwalt Viktor Györffy getrennt, der dank Indiskretion und Kooperation mit dem «Tages-Anzeiger» vor Bezirksgericht ein relativ günstiges Urteil erreicht hat. Auch die Zusammenarbeit mit zwei weiteren Rechtsvertretern wurde nach kurzer Dauer wieder beendet, so dass Reto T. gemäss Vorladung zurzeit ohne Anwalt in die zweite Runde steigt.
Hildebrand fordert Geld
Neue Ansprüche meldet schliesslich auch Privatkläger Philipp Hildebrand an, und zwar finanzielle. Die Prozessentschädigung von 10'800 Franken, die ihm zugesprochen worden war, sei ihm viel zu wenig, moniert der frühere Nationalbank-Präsident, der heute als Nummer zwei des weltgrössten Vermögensverwalters Blackrock grüsst.
Er fordert mit seinem Rekurs ans Obergericht eine mehr als doppelt so hohe Vergütung: nämlich genau 24'519 Franken und 25 Rappen, wie sein Anwalt Peter Bettoni in der Eingabe schreibt.