Kurz vor Ende seiner Amtszeit schlägt Joe Biden mit einem echten America-First-Hammer zu. Die USA planen, den Export von Chips für künstliche Intelligenz (KI) zu beschränken. Das gab Washington Anfang Woche bekannt. Laut Medienberichten soll ein dreistufiges System eingeführt werden, um zu verhindern, dass die Hochtechnologie in die Hände von Ländern wie China und Russland fällt.

Während enge Verbündete wie Südkorea oder Deutschland ungehinderten Zugang zu den in Amerika entwickelten KI-Chips erhalten, würde die Schweiz zuer Mehrheit der zweiten Kategorie angehören. Für sie könnte in diesem Fall eine Beschränkung auf etwa 50’000 Hochleistungschips innerhalb der nächsten zwei Jahre gelten.

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Zum Verständnis: Diese Art von Chips ist essenziell für die Entwicklung und Anwendung von KI, maschinellem Lernen, Big Data und anderen Hochleistungsanwendungen. Die beschränkte Anzahl der Chips würde in der Schweiz wohl noch für mittelgrosse Anwendungen reichen, grosse Konzerne und Datenzentren würden jedoch schnell an ihre Grenzen stossen, insbesondere bei rechenintensiven Sprachmodellen wie Chat GPT und autonomen Systemen. Selbst US-Konzerne in der Schweiz wie Google und Open AI brauchen in dem Fall für die Nutzung höherer Rechenleistungen eine zusätzliche Genehmigung über das VEU-System (Validated End-User). Ein unlimitierter Zugang zu den besten Chips ist jedoch nicht nur eine technische Notwendigkeit, sondern auch eine strategische Grundlage für den langfristigen Erfolg, für die Sicherheit der Schweiz und um den Anschluss an die Spitzenforschung nicht zu verlieren.

Eine Alternative zu den von den USA entwickelten und grösstenteils in Taiwan hergestellten Chips gibt es nicht. Die USA verschärfen mit den Exportkontrollen ihre Handelspolitik des «Friendshoring», nämlich Handel vor allem mit jenen Ländern zu betreiben, mit denen man gemeinsame Werte teilt. Und jene gezielt auszubremsen, die als Wettbewerber gesehen werden. Die offene Schweiz wird in dieser geopolitischen Gemengelage zur Verliererin.

Will die Schweiz in Sachen KI zur Kategorie der privilegierten Partnerländer der USA gehören, könnte sie politisch und wirtschaftlich unter Druck gesetzt werden. Washington wirft Bern seit Beginn des Ukraine-Kriegs vor, nicht genügend gegen Sanktionsumgehungen via die Schweiz zu unternehmen. Noch verheerender ist das Szenario einer neuen Trump-Regierung, die bereit ist, eigene Interessen ungeachtet diplomatischer Gepflogenheiten und Allianzen mit dem Vorschlaghammer durchzusetzen. Was, wenn Trump die Sanktionen gegen China ausweitet und Länder wie die Schweiz erpresst: KI-Chips oder Geschäfte mit China?

Das darf nicht passieren. Beim WEF nächste Woche hat die offizielle Schweiz die Gelegenheit, die indirekten Chips-Sanktionen zu verhindern. Da das Thema Chips alle Departemente betrifft, müssen Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter und ihre Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat das Ausfuhrverbot in Davos zur Priorität machen – spätestens, wenn gegen Ende der Woche angeblich noch hochrangige Mitglieder der Trump-Regierung beim WEF erwartet werden.

Die Bundesräte können einiges in die Waagschale werfen: So hat sich die Schweiz den Sanktionen gegen Russland angeschlossen. Sie regelt für die USA die diplomatischen Beziehungen mit dem Iran. Sie nimmt an Nato-Übungen teil. Sie unterhält wesentliche Forschungsbeziehungen mit den USA. Und sie ist nicht zuletzt ein wichtiger Standort für die amerikanischen Tech-Konzerne.

In Davos muss der Bundesrat dringend klarmachen: Das «Friendshoring» der USA geht im Fall der KI-Chips zu weit.