Nein, der Bundesrat redet nicht von «Nachverhandlungen»: Im Schreiben, das die Schweizer Regierung an EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker geschickt hat, kommt der Begriff nicht vor. Kein Wunder auch: Die EU hatte Nachverhandlungen über den Rahmenvertrag kategorisch ausgeschlossen.

Der Bundesrat wünscht also lediglich «Klärungen» und «Präzisierungen».

Drei Knacknüsse

Gegenüber Juncker argumentiert der Bundesrat, dass das neue Abkommen mit der EU «so gut wie sicher» vors Volk komme. Zudem werde bald über eine Initiative zur Kündigung der Personenfreizügigkeit abgestimmt.  Und es sei absehbar, dass drei Elemente des Entwurfs für ein institutionelles Abkommen in der vorliegenden Form nicht mehrheitsfähig seien: Lohnschutz, staatliche Beihilfen, Unionsbürgerrichtlinie.

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Der Bundesrat will daher folgende Punkte nochmals festgehalten haben:

  • Regeln über staatliche Beihilfen dürfen nicht in einem Bereich wirksam werden, in denen die Schweiz keinen vertraglich abgesicherten Zugang zum EU-Binnenmarkt hat.
  • Ein Lohnschutz auf dem in der Schweiz geltenden Niveau garantiert werden.
  • Das Rahmenabkommen dürfe nicht so interpretiert werden, dass die Schweiz zur Übernahme der Unionsbürgerrichtline verpflichtet werden könnte.

Falls es in diesen drei Punkten zu einer Lösung kommt, werde der Bundesrat unterschreiben, sagte Aussenminister Ignazio Cassis vor den Medien in Bern. Sonst nicht. 

Unterschrift möglich

Der Bundesrat sei bereit, mit der EU in diesen drei Aspekten eine für beide Seiten befriedigende Lösung zu suchen, heisst es in einer Medienmitteilung. «Diese soll es erlauben, das Abkommen zu unterzeichnen und dem Parlament zu unterbreiten.»

Zum zeitlichen Rahmen wollte man sich nicht äussern: «Fristen sind nicht im Interesse der Schweiz», sagte Justizministerin Karin Keller-Sutter. «Es wäre taktisch falsch, wenn die Gegenpartei weiss, bis wann wir zu einem Abschluss finden müssen.»

Chefunterhändler Roberto Balzaretti hatte schon vor einem Monat durchblicken lassen, dass der Bundesrat das Abkommen in der ausgehandelten Form nicht unterzeichnen werde – zu viel Widerstand zeichnete sich ab. Auf der anderen Seite war eine klare Absage an die EU auch nicht zu erwarten gewesen. 

Zugleich betonten die Regierungsvertreter in Bern mehrfach, dass sie zum bilateralen Weg stehen. Er bedeute «Wohlstand und 80'000 Arbeitsplätze in der Schweiz», sagte Bundesrätin Karin Keller-Sutter. Deshalb lehnt der Bundesrat auch die Kündigungs-Initiative der SVP ab. «Eine Kündigung der Personenfreizügigkeitsabkommens wäre nichts weniger als ein Schweizer Brexit

Erwartet, dass die Börsenäquivalenz verlängert wird

Man habe in den letzten Monaten «alles möglich gemacht, was möglich war» für die Beziehungen zur Europäischen Union, so Keller Sutter weiter: Beide Abstimmungen vom 19. Mai 2019 – also zur EU-Waffenrichtlinie und zur Steuerreform – seien letztlich EU-Abstimmungen gewesen. Angesichts dessen erwarte der Bundesrat, dass die EU ihrerseits die Börsenäquivalenz verlängert.

(rap | sda)