So will es der Bundesrat jetzt also: dass Pensionierte beim Bezug von Vorsorgevermögen aus der zweiten und aus der dritten Säule das Geld voll versteuern, und zwar zum Satz, der auch für das normale Einkommen gilt. Der Steuerrabatt auf den Kapitalbezug von Vorsorgevermögen soll aufgehoben werden.
Das kann ins Geld gehen. Denn je höher das übrige Einkommen, desto mehr Vorsorgevermögen soll als Steuer an den Fiskus fliessen. Die jahrzehntealte Gewissheit, dass freiwilliges Sparen fürs Alter gefördert wird, wäre dahin.
Dass der Bundesrat politisch entschieden hat, ist verständlich. Es ging ihm um Opfersymmetrie bei den Sparmassnahmen. Die Linken sehen die zweite und dritte Säule der Altersvorsorge als ein Steueroptimierungsvehikel der Vermögenden. Wenn man den Linken die Abschaffung dieses Vehikels vorschlägt, so das Kalkül, werden sie es als Zückerchen nehmen, um dann einem Subventionsabbaupaket zuzustimmen, das sie sonst ablehnen würden.
Doch warum hat der Bundesrat sich ausgerechnet die frisch Pensionierten herausgepickt, um ihnen ein Steuerprivileg wegzunehmen? Er hätte genauso gut 42 andere Steuerprivilegien zur Abschaffung vorschlagen können. Die Gaillard-Expertengruppe zur Aufgaben- und Subventionsprüfung des Bundes hat sie fein säuberlich aufgelistet. Etwa für den Traktordiesel in der Landwirtschaft, Kostenpunkt: 65 Millionen Franken. Oder die Dieselverbilligung von Pistenbullys für 7 Millionen, die Aufhebung der tiefen Mehrwertsteuersätze für Restaurants oder Steuerrabatte für das Busbenzin des ÖVs. Die Liste ist lang. Doch der Bundesrat hat sich nur die Pensionierten als «Opfer» herausgepickt.
Massnahme erscheint politisch willkürlich
Wenn der Bundesrat konsequent alle Steuerprivilegien abschaffen würde, wäre es verständlich. Aber jetzt erscheint die Massnahme vereinzelt und willkürlich. Das Vorgehen ist durchsichtig: Der Bundesrat findet die Massnahme «effizient» und «ergiebig», um das fehlende Geld zu holen. Die Expertengruppe sagt, es gehe unter anderem um Steuergerechtigkeit. Renten würden heute zum regulären Einkommenssatz versteuert, der Kapitalbezug hingegen geniesse ein Steuerprivileg; dieser Satz liege bei einem Fünftel des Normalsteuersatzes. Das sei unfair. Deshalb sei die Besteuerung von Kapitalbezug und Rente gleich zu behandeln.
Damit hat die Gaillard-Gruppe unfreiwillig offengelegt, dass die heutige Rentenbesteuerung zum normalen Steuertarif zu hoch ist und einer Überbesteuerung gleichkommt. Warum? Renten sind das Resultat von Sparen, Vermögenserträgen und von Kapitalgewinnen. Letztere zu besteuern, wäre dem Fiskus – im privaten Vermögen – eigentlich verboten. Doch Renten werden heute wie normales Einkommen versteuert, ergo auch Kapitalgewinne. Das ist unfair.
Man könnte also argumentieren: Der Anteil der Kapitalgewinne in Renten – geschätzt etwa die Hälfte davon – darf eigentlich gar nicht besteuert werden, denn dies bedeutet eine Schlechterstellung der Altersvorsorge gegenüber Privatanlagen. Korrekterweise müssten Renten neu zu einem tieferen Satz besteuert werden, und nicht etwa das bezogene Kapital zu einem höheren Steuersatz. Der Bundesrat sollte sich davor hüten, bei den Kapitalbezügen zuzufassen.