Wer, wie die meisten, ab und zu mit dem Schweizer Gesundheitswesen Bekanntschaft schliesst, der weiss, wie mühsam die viel zitierte mangelhafte Digitalisierung im Alltag werden kann. Da gibt es Ärztinnen, die mit ihren Patienten ungesichert per Mail kommunizieren. Da gibt es Rezepte, die durch ein halbes Dutzend Hände gehen, bis die Medikamente endlich bei denen sind, die sie brauchen. Und da gibt es renommierte Spitäler, bei denen Untersuchungsbefunde im Nirgendwo verschwinden.

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Teure Ineffizienz auf Kosten der Patienten

Nicht besser sieht es auf der systemischen Ebene aus. Auch hier leistet man sich trotz stetig steigender Gesundheitskosten und Krankenkassenprämien kostspielige Ineffizienzen und Zusatzschlaufen. Ein Dauerärger ist die mangelnde Interoperabilität von IT-Programmen, die Ärzte und Pflegende zur Verzweiflung bringt und Ressourcen bindet, die bei der Betreuung der Patientinnen fehlen. Nicht selten müssen Patientenakten am Schluss doch wieder von Hand geführt werden – eben weil die Systeme zwar da sind, sich aber nicht verbinden lassen. Und die elektronische Patientenakte bleibt auch nach ihrer offiziellen Einführung von drei Jahren ein Murks, weil die Infrastruktur bei vielen Gesundheitsdienstleistern noch immer nicht wirklich steht. 

Dass es auch anders geht, zeigt ein Blick auf die Ränder des Schweizer Gesundheitswesens. Dort, wo Startups mit viel Cleverness und Klugheit das scheinbar Unmögliche möglich machen und im Monatstakt digitale Angebote auf den Markt bringen. Jüngstes Beispiel ist Everyman: Die Plattform des Zürcher Gründers Jon Eisler bietet Potenzmittel wie Viagra auf Rezept, aber ohne Arztbesuch an. Dies wird von einem Algorithmus ermöglicht, der die Ärztinnen bei der Anamnese unterstützt – dem besonders aufwendigen Teil eines Arztbesuchs, bei dem es darum geht, sich ein umfassendes Bild vom Gesundheitszustand und vom Leiden des Patienten zu machen.

Bei den etablierten Playern fehlt es am richtigen Spirit

Victor Charlier watet mit seiner Senos Group von Wallisellen aus sogar erfolgreich durch die Untiefen des deutschen Gesundheitswesens. «Roger», so der Name seiner Software, ist eine Art digitales Heinzelmännchen, das deutschen Zahnärzten alles abnimmt, was nicht direkt mit der Arbeit an der Patientin zu tun hat: Terminvereinbarungen, Rechnungsstellungen, ja selbst die Teilzahlungsvereinbarungen laufen über Roger. «Alles Roger» eben, wie es im Flugverkehr heisst. Erwünschte Nebenwirkung: Es braucht weniger medizinisches Praxispersonal – ein unschätzbarer Vorteil in Zeiten, in denen solches fast nicht mehr zu finden ist. 

Die beiden Jungunternehmer und Dutzende andere Health-Tech-Startups zeigen: Digitalisierung ist auch im Gesundheitswesen machbar. Was es braucht, ist der Mut, ausgetretene Pfade zu verlassen und bei aufkommenden Bedenken auch mal die Frage zu stellen, welche Nachteile denn mit der Beibehaltung des Status quo verbunden sind. Ein Spirit, der bei den etablierten Playern noch immer zu wenig vorhanden ist. In Zeiten von Kostendruck und zunehmenden medizinischen Möglichkeiten ist das nicht nur eine verpasste Chance für alle Beteiligten, sondern ein No-Go.