Es herrscht Wohnungsnot. Das ist inzwischen Allgemeingut. Aber es ist wie mit dem Kinderkriegen: Erst wenn man selber betroffen ist, lernt man, was das wirklich bedeutet. Derzeit gehöre ich unfreiwillig zu den Suchenden und stelle fest: Die Belastung ist riesig. Vergleichbar mit Arbeitslosigkeit. Vor allem wenn Kinder, eine Deadline und finanzielle Limiten vorhanden sind. Wir sollten deshalb nicht mehr nur über Wohnungsbau reden, sondern auch über die psychosozialen Folgen des überhitzten Marktes. Wer sucht, wird mit allerlei neuen Phänomenen konfrontiert.
Die Reaktion des Umfelds etwa: Verlieh einem die Nachricht, dass man eine Wohnung suche, einst die Aura der Abenteurerin und Veränderungswilligen, so reagieren die Leute heute so, als hätte man ihnen von einer schlimmen Erkrankung erzählt. «Was Du suchst ’ne Wohnung? O mein Gott - das tut mir leid» lautet die Standardreaktion, gefolgt von entmutigenden Bemerkungen wie «Wenn alle Stricke reissen, hätten wir noch ein Zimmer» oder einem spitzen «Bin ich froh, dass wir Wohneigentum haben!». Besitzer oder Nicht-Besitzer – durch das Mieterland Schweiz zieht sich ein neuer Graben.
Auch Baugenossenschaften und Stiftungen schützen sich vor Ansturm
Ein Spiessrutenlauf auch das Anklopfen bei den grossen Immobilien- und Verwaltungsgesellschaften, die manchmal heillos überlastet sind und ihre Kommunikation deshalb aufs Minimum reduzieren. Rückrufe? Nicht mehr gesetzt. Selbst die Baugenossenschaften und Stiftungen können ihrer Leuchtturmfunktion nur noch bedingt gerecht werden: Sie, die die Sozialen im kapitalistischen Markt sein sollten, schützen sich notgedrungen ebenfalls vor dem Ansturm verzweifelter Interessentinnen.
Die Gastautorin
Karin Kofler ist Geschäftsführerin der Zuger Wirtschaftskammer und freischaffende Publizistin.
Bei manchen Institutionen stehen gar keine Telefonnummern mehr auf der Website. Oder die schriftliche Anmeldung für die Warteliste wird mit aufmunternden Sätzen quittiert wie «Sehen Sie davon ab, nach Einreichen des Gesuchs nachzufragen, ob eine Wohnung für Sie verfügbar ist». Kampfzone Wohnungsmarkt: Was eigentlich ein privates Thema ist, greift so auch in die Arbeitswelt über.
Denn die Suche nach einem Zuhause mutiert zum Grossprojekt, das Taktik, Nerven und zeitliche Ressourcen erfordert: Permanent auf Flatfox, Homegate und so weiter herumlungern, sofort zum Besichtungstermin eilen, aufwendige Bewerbungen schreiben, um herauszustechen, die Angst, nichts zu finden oder etwas Überteuertes nehmen zu müssen – wie soll man da noch vernünftig arbeiten? Am stossendsten ist aber, wie die Gruppe der Mietenden mit bezahlbarem Wohnraum aus ihrem Privileg Kapital schlägt.
Wer die Immobilien-Newsletter durchforstet, realisiert, dass es in der stark nachgefragten Stadt Zürich sehr wohl noch preiswerten Wohnraum gibt. Der wird aber selbstredend nur noch befristet untervermietet, weil die Bewohner auf «Familienreise» oder ins Ayurveda-Retreat gehen möchten und noch ein bisschen Feriengeld dafür brauchen. Das wird Menschen wie mir dann als super Geschäft verkauft: «Mit zwei Birma-Katzen im Seefeld», stand kürzlich in einem Immobilien-Inserat. Bleiben (und zahlen) durfte man in diesem Fall einmal drei Wochen und ein zweites Mal drei Monate. Katzen füttern inklusive.
1 Kommentar
wer einmal in hongkong gewesen ist, wird die miet-hochhäuser dort nicht vergessen. massenweise miet-hochhäuser, soweit das auge reicht. irgendwann wird es auch bei uns soweit sein. falls nicht, aus öko- oder sonst irgendwelchen verboten, wird die etablierte schweizer bevölkerung ins nahe ausland wohnen gehen, und bleiben wird die arbeitende ausländerbevölkerung, die dann mit ghettos vorlieb nehmen muss. falls dann der franken noch etwas wert sein wird (was sehr fraglich ist), wird man in konstanz oder varese seine ahv & pensionskasse in fränkli erhalten, billigere mieten zahlen, während der italienische nachbar als pendler täglich von varese nach locarno fährt, um dort an der tankstelle zu arbeiten. und als währschafte/r schweizer/*/in wird man weiterhin für fremdenfeindliche volksinitiativen stimmen, und nicht zur EU dazugehören wollen.