Ich bin erstaunt, wie der ehemalige Staatssekretär des Bundes und Ex-Verwaltungsrat der an die Wand gefahrenen Grossbank CS, Jean-Daniel Gerber in seiner Stellungnahme zum geplanten Abkommen mit der EU um sich schlägt. Er brandmarkt die Gründer von Kompass Europa und damit alle Gegner des geplanten Unterwerfungsvertrages wie autonmiesuisse, Pro Schweiz und die SVP als Anti-Europäer und «Europagegner». Da ist vorab klarzustellen, dass Europa aus über 40 Länder, notabene inklusive der Schweiz, besteht, wogegen die EU nur 27 Länder umfasst. Die Gleichsetzung Europa und EU ist eine bewusste, leider weit verbreitete Irreführung. Die Schweizer Gegner des geplanten EU-Vertrages stammen damit aus der Mitte Europas und kämpfen nicht gegen sich selber. Weiter stehen die Souveränität und die direkte Demokratie sehr wohl zur Disposition, wenn die EU der Schweiz einseitig die Gesetze diktiert und der EU-Gerichtshof als oberste Instanz entscheidet, wie diese zu handhaben sind. Die diesbezügliche irreführende Begründung von Herrn Gerber lässt schon fast Schwindelgefühle aufkommen. Klar ist nämlich, dass sich das zwischengeschaltete, sogenannte Schiedsgericht ohne Wenn und Aber an die Direktiven des EU-Gerichtshofes halten muss. Absurd wird es, wenn Herr Gerber behauptet, dass die Schweiz nur jene Normen der EU einseitig anerkennen könne, die der hiesigen Wirtschaft passen, und die unpassenden ablehnen könne.
Der Gastautor
Adrian Amstutz ist ein Berner Politiker. Bis zur Pensionierung war er Mitinhaber und Geschäftsleiter eines Architektur- und Bauleitungsbüros. Der bald 71-Jährige war 16 Jahre lang im Bundesparlament und davon fünf Jahre als SVP-Fraktionschef. Er trat 2019 zurück. Amstutz verfocht im Parlament als Berner resolut den politischen Kurs des Zürcher Parteiflügels um Christoph Blocher.
Kaum einer weiss besser als Jean-Daniel Gerber, dass diese Behauptung falsch ist. Wenn er sich dazu noch zum von den Befürwortern hochgestemmten Begriff «Bilaterale III» versteigt, entblösst er sich endgültig. Dem ehemaligen Staatssekretär müsste eigentlich klar sein, dass dieser neu geplante Vertrag mit «bilateral» nichts mehr zu tun hat. Es ist ein einseitig von der EU diktierter Vertrag. Gerber spricht weiter von «Image». Image von wem und für wen? Selbstverständlich ist es für gewisse Politiker, Diplomaten und Staatsbeamte angenehmer, einfach Ja und Amen zu sagen, wenn Brüssel diktiert. Anders sieht es für das Volk aus. So müsste die Schweiz der EU in alle Zukunft wiederkehrend Abermilliarden Franken überweisen, obwohl die Schweiz der EU jährlich für rund 20 Milliarden Franken mehr Waren und Dienstleistungen abkauft als die EU der Schweiz. Haben beispielsweise China oder die USA, die weit mehr Waren in die EU verkaufen, solche Verträge und zahlen diese Länder der EU Milliarden, damit sie mit ihr Handel treiben können? Nein, das käme niemandem auf der Welt im Traum in den Sinn. Auch die Personenfreizügigkeit mit der einhergehenden ungesteuerten Massenzuwanderung lobt Herr Gerber. Die Folgen dieses Irrweges erwähnt er mit keinem Wort. Die Schweiz wird überfüllt, der Boden zugebaut, die Mieten steigen, Strassen, Züge und Trams sind verstopft und sowohl Spitäler, Schulen und selbst Gefängnisse laufen am Anschlag. Das alles spielt offensichtlich keine Rolle. Nein, Herr Gerber, die Gegner dieser EU-Unterwerfung sind weder Europagegner noch Anti-Europäer. Sie sind auch keine EU-Gegner. Sie sind aber dezidiert gegen einen Vertrag, wo Brüssel diktiert, Bundesbern pariert und das Volk schweigen, und bezahlen muss.
2 Kommentare
Sehr geehrter Herr Amstutz
In ihrem Gastkommentar vom 25.11.2024 mit dem Titel `Europapolitik: Wer lügt da wen an?` im Anschluss an das Interview mit Jean-Daniel Gerber stossen sie sich an der Gleichsetzung der Begriffe Europa und EU. Das sei irreführend. Europa bestehe aus 40 Ländern, die EU nur aus 27 Ländern.
Das ist zurzeit im Prinzip richtig, aber sie unterschlagen, dass es noch 8 Beitrittskandidaten gibt, die nur darauf warten, in die EU aufgenommen zu werden. Und da gibt es noch 3 EWR- Staaten Norwegen, Island und Lichtenstein, die zum Wirtschaftsraum der EU gehören, allerdings mit beschränktem Mitspracherecht, aber recht gut mit dieser Einschränkung umgehen können. Die Schweiz wird in Zukunft also mit grosser Wahrscheinlichkeit mit einem europäischen Wirtschaftsraum bestehend aus 35 EU- Staaten und den 3 EWR- Staaten konfrontiert sein. Im Jahr 2023 entfielen auf diese 38 Staaten ca. 97 % des gesamteuropäischen Aussenhandels der Schweiz, ein kleiner Rest von 3 % auf das Vereinigte Königreich, das sich von der EU verabschiedet hat. Für die Schweiz stellt sich daher nicht die Frage, welche vertragliche Bindung sie mit den 27 EU- Staaten haben will, sondern mit dem künftigen EU- Wirtschaftsraum von 38 europäischen Staaten. Da stellt sich wirklich die Frage : Wer lügt da wen an?
Fest steht, dass die EU die bestehenden bilateralen Verträge mit der Schweiz kaum erneuern wird. Sie werden zur Bedeutungs- oder Nutzlosigkeit erodieren. Die Option EWR hat die SVP im Jahr 1992 selbst beerdigt. Wenn die Schweiz damals den Beitritt zum EWR beschlossen hätte, müssten wir heute nicht um die Bilateralen III streiten. Rückblickend könnte man sagen, dass die SVP die Schweiz damals schon in die Irre geführt hat.
Die Option EU- Beitritt ist momentan kein Thema für die Schweiz. Wenn das Schweizer Volk aber die neuen bilateralen Verträge mit der EU nicht genehmigt, bleibt nur die Option eines geordneten Ausstieges aus den existierenden bilateralen Verträgen mit der EU und Abschluss von Freihandelsabkommen mit 38 Staaten aus dem EU- Wirtschaftsraum und dem Vereinigten Königreich. Alles andere ist Träumerei. Der Abschluss solcher Abkommen kann aber Jahrzehnte dauern. Die Schweiz muss sich entscheiden, ob sie individuelle Freihandelsabkommen mit 38 Staaten aus dem EU- Wirtschaftsraum haben will, oder ein Vertragsverhältnis mit Bruxelles, wohlwissend, dass der Abschluss von Freihandelsabkommen im Zeitalter des Protektionismus mit Zöllen etc. heute stark erschwert wird. Und es wären nicht das erste Mal, dass Freihandelsabkommen selbst an der schweizerischen Bauern- Lobby der SVP scheitern würde.
Es scheint Strategie der SVP zu sein, den europäischen Wirtschaftsraum kleinzureden. Das war schon bei der EWR- Abstimmung im Jahr 1992 so. Das Heil liegt in den USA, in China oder anderswo, nur nicht in Europa. Ein starker, gemeinsamer Wirtschaftsraum in Europa ist Gift für die schweizerische Unabhängigkeit. Da darf die Schweiz nach SVP- Strategen nicht mitmachen. Da können wir nur hoffen, dass Europa als Wirtschaftsraum wegen Partikularinteressen von 40 Staaten neben den anderen geeinten Wirtschaftsräumen nicht untergeht.
Ich mache mir keine Illusionen. Sie werden ihre Meinung nicht ändern. Alles was von der EU kommt ist des Teufels und muss bekämpft werden. Ich möchte aber von der SVP endlich mal hören, was die Alternative zu einem neuen Abkommen mit den künftig 38 Staaten aus dem EU- Wirtschaftsraum ist.
Daniel Seiler
Herr Amstutz; Ihre Aussage wegen Herrn Gerber, die CS an die Wand gefahren zu haben. Lesen Sie doch bitte den Artikel in der NZZ vom 8.4.2023. Ihre Aussage geht ganz schön unter die Gürtellinie. Und von wegen Europa als Kontinent und die Europäische Union als eine Organisation; Sie können glauben der Bürger kann unterscheiden. Und sicher auch Herr Gerber. Wir sprechen ja nicht von Andorra, dem Vatikan oder Monaco. Was soll da Irreführung sein?
Die Souveränität und direkte Demokartie sind zur Disposition. Das ist einfach eine falsche Behauptung. Alle Europäischen Gesetze können über das Schweizerische Politische System laufen; wenn nötig. Also Referendum, Volksabstimmungen, etc. Wir müssen nichts übernehmen. Wir passen ja dann leider nicht mehr richtig in den Binnenmarkt. Ja, das ist die Konsequenz. Ja, und Retorsionsmassnahmen sind möglich.
Sagen Sie, wenn ein Bauer nach Bern an den Markt fährt, dann will er dort einfach seine Produkte verkaufen; und muss sich an die Regeln der Marktorganisation halten. Er kann seinen Stand nicht im Eingang des Bundeshauses aufstellen. Oder schon?
Sie sprechen von einem einseitig diktierten Vertrag. Es geht ja um das Weiterführen der bekannten Verträge, wie zB. Landverkehr, Luftverkehr, Personenfreizügigkeit, Bildung, Ruhegehälter.
Herr Amstutz - Ihr Artikel ist einfach ein Rundumschlag. Gemäss Ihren Aussagen ist die EU (resp. die Personenfreizügigkeit) schuld an einer überfüllten Schweiz, zugebautem Boden, steigenden Mieten, verstopften Strassen, Züge und Trams.
Herr Amstutz - es hat doch keinen Sinn so zu argumentieren. Klar haben wir in der Schweiz Herausforderungen.
Nur - wer hilft im Seeland massgebend das Gemüse zu ernten? Bei Regen und Kälte. Personenfreizügler aus Europa!
Wer trägt merklich bei das Gesundheitswesen am Laufen zu halten. Unter anderem auch Personenfreizügler aus Europa!
Und die Personenfreizügler in Multinationalen Firmen - haben eben diese Multinationalen Firmen hergeholt. Vielleicht mal die Multinationalen fragen!
Wir Schweizer müssen uns auf einen sachlichen, faktenbasierten Diskurs begeben, um gute Lösungen umzusetzen. Die Bilateralen waren bis heute ein Teil des Erfolges unseres Landes.