Hinter der Nummer SV.11.0049-LAM verbirgt sich ein Strafverfahren mit politischer Sprengkraft. Im Fokus steht die Schweizer Justiz, aber auch die Grossbanken, Credit Suisse und UBS. Es geht um den Fall Magnitski.
Gleichzeitig soll der britische Hedgefonds Hermitage Capital Management seine Stellung als Zivilpartei verlieren. Dies neun Jahre nach Beginn der Ermittlungen, die just Hermitage seinerzeit mit einer Strafanzeige angestossen hat.
«Schweizer Justiz hat kapituliert»
Für Gründer Bill Browder ist die Einstellungsverfügung der Bundesanwaltschaft ein Affront: «Die Schweizer Justiz hat vor den Russen kapituliert», sagt er und kündigt auf allen Ebenen Widerstand an. Widerstand, der sowohl der Schweiz als auch den Grossbanken, UBS und CS, international massiv schaden könnte.
Gleichzeitig kündigt er im Gespräch an, Stefan Keller zu kontaktieren. Der von der Aufsicht eingesetzte Sonderermittler durchleuchtet die Ära des Bundesanwalts Michael Lauber hinsichtlich des Fifa-Falls. Doch hat sich Keller auch zu anderen heiklen Dossiers bereits ins Bild setzen lassen.
Die Aufsicht über die BA teilt derweil mit, man «beobachte» das Magnitski-Verfahren. Eine «allfällige eigene aufsichtsrechtliche Untersuchung» könne sie erst einleiten, nachdem der Einstellungsverfügung Rechtskraft erwachsen sei.
Amerikaner sind bereits aktiv
Bereits aktiv geworden sind dagegen die Amerikaner. Der republikanische Senator Roger Wicker präsidiert die Kommission über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Er schrieb im Sommer – also noch vor Ankündigung der Verfahrenseinstellung – einen Brief an den Schweizer Botschafter in den USA.
Darin fordert Wicker den Bundesrat auf, «das Vertrauen in die Integrität der Magnitski-Untersuchung wiederherzustellen». Er sei überrascht zu erfahren, dass ein Beamter des Bundesamts für Polizei Fedpol mit russischen Staatsanwälten, die von russischen Oligarchen bezahlt würden, auf Bärenjagd ginge.
Dazu muss man wissen, dass sich im Fall Magnitski der verfahrensführende Staatsanwalt des Bundes, Patrick Lamon, bei seinen Ermittlungen auf einen Fedpol-Mann verliess, der enge Beziehungen zur russischen Justiz pflegte.
Dieser russophile Ermittler hat eine klare Meinung zum Fall, wie er im Sommer vor Bundesstrafgericht ausführte: «Ich habe Lamon gesagt, dass wir das Verfahren sofort einstellen müssen. Er hat es nicht getan. Warum nicht? Weil man Angst vor Browder hatte. Browder machte überall Propaganda, um zu zeigen, wie der Fall aus seiner Sicht war.»
Browder hat Grossbanken im Visier
Eine Angst, die sich bewahrheitet: Denn nicht nur in Washington und Strassburg lobbyiert Browder. Über die «Financial Times» liess er jüngst die kontoführenden Banken, Credit Suisse und UBS, wissen, dass er sie in den USA verklagen werde für den Fall, dass die Banken die Russengelder freigeben würden.
UBS und CS könnten also zwischen Hammer und Amboss geraten: Entweder sie verletzen Schweizer oder amerikanisches Recht. Denn die mutmasslichen Geldwäscher mit hiesigen Konti stehen seit langem auf der US-Sanktionsliste, basierend auf dem sogenannten Magnitsky Act von 2012.
«Der Fall Magnitski hat das Zeug, den Ruf der Schweizer Justiz international weiter zu beschädigen.»
Mark Pieth, Strafrechtsprofessor
So zum Beispiel Vladlen Stepanov, CS-Kunde und Ehemann einer hochrangigen Moskauer Steuerbeamtin. Sie soll eine illegale Steuerrückerstattung genehmigt haben, mit der Browders Hermitage Fund um 230 Millionen Dollar betrogen wurde.
Die Millionen versickerten hernach auch auf Stepanovs Schweizer CS-Konten. Der damalige Wirtschaftsprüfer von Hermitage, Sergei Magnitski, habe diesen Betrug aufgedeckt und dafür mit dem Leben bezahlt. So lautet zumindest Browders Version der Geschichte – die Version eines Mannes, der im wilden Russland unter Präsident Jelzin sein Vermögen machte.
Ungeklärte Umstände im Fall Magnitski
Fest steht: Am 16. November 2009 starb Magnitski in Moskau in Untersuchungshaft unter bis heute nicht restlos geklärten Umständen. Er sass damals wegen Steuerhinterziehung in U-Haft. Browder habe der Tod seines Beraters tief betroffen gemacht, sagt Mark Pieth.
Der emeritierte Basler Strafrechtsprofessor konnte das forensische Gutachten der BA zum Fall einsehen. «Statt Ersatzwerten wie Immobilien nachzugehen, hat die BA auf jeder Geldwäsche-Stufe einen Teil der Vermögenswerte ausgeschieden», bemängelt Pieth das Vorgehen.
Entsprechend tief fällt die Summe an inkriminierten Geldern aus. Zugleich kritisiert der Geldwäschereiexperte die Verfahrensführung: «Lamon hat sich mit den Russen eingelassen.» Das werde sich nun rächen, prophezeit Pieth: «Der Fall Magnitski hat das Zeug, den Ruf der Schweizer Justiz international weiter zu beschädigen.»