Gemäss einer neuen Studie der ETH ist die Energiestrategie des Bundes gescheitert: Netto null Treibhausgasemissionen bis 2050 können nicht allein mit Solar- und Windenergie, sondern nur mit neuen Kernkraftwerken erreicht werden. Das ist kaum aufregend, aber gesunder Menschenverstand. Aufregend ist hingegen, wie viele frühere ETH-Studien die Bundesstrategie stützten.
Was ist hier los? Die ETH ist sehr gross. Entsprechend findet man zugunsten von sehr vielem qualifizierte Studienmacher. Sie müssen nur richtig identifiziert, ausgewählt, begleitet und entschädigt werden. Regelmässig kann das nur einer im Land: der Bund, genauer seine Verwaltungseinheiten. Wie andere Auftraggeber schreiben sie das Erstellen von Studien aus, laden einige Kandidaten zur Präsentation ihrer Forschungsstrategien und erwarteten Resultate ein, bestellen eine oder mehrere Studien, diskutieren die Zwischenergebnisse mit den Autoren, helfen bei der Redaktion zumindest von Zusammenfassungen, Einleitungen und Folgerungen und haben eine Schublade für «verwirrliche» Ergebnisse. So schaden dann die Ergebnisse nur selten den Interessen der Auftraggeber – und sind so wie bei der genannten Energiestudie ganz anders, wenn sie Economiesuisse statt der Bund bestellt.
Der Gastautor
Reiner Eichenberger ist Professor für Theorie der Finanz- und Wirtschaftspolitik an der Universität Fribourg und Forschungsdirektor von CREMA – Center for Research in Economics, Management and the Arts.
Für eine gute Zukunft sollten die Studien möglichst objektiv sein. Dafür müssen sie neutral vergeben werden. Ansonsten wird die Wissenschaft unglaubwürdig und einflusslos – Covid, Migration, Europapolitik, Klima und Energie sind nur die Spitzen der Eisberge. Was also tun? Ich empfehle Folgendes:
- Erstens könnte mit der Vergabe jeder vom Bund beauftragten Studie immer auch ein gewisses Budget (z.B. ein Drittel) an unabhängige «Gegenstudien-Zentren» vergeben werden, die dann selbständig oder auf Antrag von Dritten Studien beauftragen können, die die vom Bund bestellte Studie kritisch hinterfragen und Alternativen formulieren.
- Zweitens könnten Studien des Bundes nur noch über unabhängige Vergabestellen vergeben werden. Dazu müssten die Verwaltungseinheiten die Fragen definieren, zu denen sie wissenschaftlich fundierte Antworten suchen, und ein Budget festlegen. Die unabhängige Vergabestelle würde dann die Studienautoren identifizieren und aussuchen. Die Verwaltungseinheiten könnten diese weiterhin begleiten. Denn weil die Studienvergabe unabhängig von den erwarteten Ergebnissen und ihrer «Bundesdienlichkeit» erfolgt, wäre der Einfluss der Verwaltung auf die Studienmacher klein. So oder so: Beide Modelle würden die Politik ehrlicher, effektiver und wissenschaftsnaher machen und die Macht der Verwaltung eindämmen.