Der Goldpreis bricht laufend neue Rekorde. Seit Anfang Jahr ist er um einen Drittel auf 2750 Dollar pro Feinunze gestiegen. In Franken kostet das Kilo noch nie dagewesene 76’876.
Darüber kann sich freuen, wer noch ein paar Goldvreneli in einer Schublade hat oder einen Teil des Vermögens in einem Gold-ETF lagert.
Doch der steigende Goldpreis muss auch zu denken geben. Denn die gestiegene Nachfrage ist diesmal nicht nur den üblichen Mechanismen geschuldet, wie etwa fallenden Zinsen oder einem schwächeren Dollar.
Gold profitiert von der Angst vor Trump
Natürlich schwingt aktuell auch die Angst mit, dass die USA ihr eigenes Haus nicht in Ordnung bringen und, falls Trump gewinnen sollte, er seinen Einfluss auf die Notenbank geltend machen könnte. Das würde die Werthaltigkeit des Dollars noch stärker in Zweifel ziehen.
Doch das grosse Interesse an Gold hat einen noch tiefer liegenden Grund: In vielen Regionen schwindet das Vertrauen in die USA als Weltmacht und Beschützerin der internationalen Rule of Law, seit sie selbst einseitig Zölle erheben und den Dollar als Waffe einsetzen.
Angefangen hat die Entkoppelung des Goldpreises vom Zins- und Dollar-Muster mit den zunehmenden Goldkäufen der Zentralbanken. 2022 und 2023 lagen diese fast doppelt so hoch wie im Spitzenjahr 2018. Und es war längst nicht mehr bloss die chinesische Zentralbank, die ihren Goldtresor füllte.
Es geht dabei nicht mehr nur darum, die Devisenreserven besser zu diversifizieren, sondern auch darum, mögliche Alternative zum Dollar-basierten Zahlungssystem zu haben.
Das Einfrieren von Devisenreserven als Warnschuss
Dass die USA und ihre Verbündeten im Konfliktfall einen Gegner so einfach finanziell lahmlegen können – Russland wurde vom internationalen Zahlungssystem Swift ausgeschlossen, und Teile der Devisenreseven im Ausland wurden eingefroren –, hat andere Länder aufgeschreckt, welche die Werte des Westens nicht unbedingt teilen.
Gold bietet für sie einen Ausweg. Und das wissen auch Spekulantinnen und springen auf den Zug auf.
Der hohe Goldpreis zeugt also von einem tiefen Misstrauen in die USA und in die internationale Finanzinfrastruktur, die von den Vereinigten Staaten dominiert wird. Und er erinnert uns daran, dass wir nicht mehr in der relativ friedlichen Welt der Nullerjahre leben, als die Grossmächte zusammen an einem Tisch sassen und internationale Regeln eingehalten wurden.
Zu diesem Bild passt auch der Brics-Gipfel, der dieser Tage im russischen Kasan stattfindet. Als der Goldman-Sachs-Banker Jim O’Neill das Kürzel für die Länder Brasilien, Russland, Indien und China erfand, stand es für Hoffnung auf neue Wachstumstreiber. Unterdessen ist daraus ein geopolitisches Projekt geworden. Es steht nicht mehr für Hoffnung, sondern für die wortwörtlichen «Bricks»: für eine Mauer gegen den Westen.