Kater Leo schläft selig neben dem Schreibtisch von Guido Fluri in dessen Büro in Cham ZG. So ruhig wie sein Haustier ist der Unternehmer nicht. «Ich hatte in den letzten Wochen einige Telefonate mit Kollegen wegen der Juso-Initiative.» Diese treibt in diesen Tagen die Superreichen der Schweiz um. Die Jungsozialisten wollen, dass Erbschaften und Schenkungen ab 50 Millionen Franken einmalig zu 50 Prozent besteuert werden. Diese Einnahmen sollen dann in die Bekämpfung des Klimawandels fliessen.
Guido Fluri, Ihr Vermögen wird auf 375 Millionen geschätzt. Haben Sie mit Ihren Kindern schon übers Erbe gesprochen?
Nein, dafür ist es noch zu früh. Mein Sohn ist 22 Jahre alt, meine Töchter sind 20 und 17. Sie würden sich gar nicht getrauen, das Thema anzusprechen. Meine Kinder müssen erst lernen, Verantwortung zu übernehmen, und finanziell unabhängig werden. Es ist wichtig, dass sie wissen, was es heisst, von Grund auf etwas aufzubauen.
Ist Geld vererben unmoralisch?
Ich bin nicht gegen die Erbschaft. Aber man muss bei den Erben ein Signal setzen: Es ist nicht selbstverständlich, ein grosses Vermögen einfach so zu erhalten. Ich bin arm aufgewachsen und sage darum: Ein grosses Erbe kommt mit einer noch grösseren Verantwortung.
Haben Sie selbst irgendetwas geerbt?
Nein. Ich bin ohne Vater aufgewachsen, und meine Mutter hatte kein Geld. Sie konnte nichts dafür. Mit 16 Jahren hat sie mich bekommen, und kurz nach der Geburt erkrankte sie an chronischer Schizophrenie. Wir sind viel umgezogen und haben jeden Tag dafür gekämpft, unsere Bedürfnisse abzudecken. Meine Mutter und ich mussten im Dorfladen anschreiben. Als uneheliches Kind hörte ich von allen Seiten, ich sei nichts wert und könne nichts. Das hat mich angetrieben.
Stadler-Rail-Chef Peter Spuhler hat damit gedroht, wegen der Juso-Initiative auszuwandern. Andere Unternehmer zogen nach. Sie auch?
Nein, diese Überlegung habe ich mir nie gemacht.
Die letzte Initiative, die Millionenerbschaften besteuern wollte, wurde 2015 mit 71 Prozent abgelehnt. Machen sich die Superreichen unnötig Sorgen?
Es ist gefährlich, davon auszugehen, dass die Initiative abgelehnt wird. Die Zeiten haben sich geändert.
Können Sie die Ängste Ihrer Kollegen verstehen?
Peter Spuhler beschäftigt heute 13 000 Mitarbeitende. Unternehmer wie er sind grosse Risiken eingegangen, haben jahrelang viel Energie in ihr Unternehmen gesteckt. Wenn sich seine Erben aufgrund der Juso-Erbschaftssteuer verschulden oder die Firma verkaufen müssten, wäre das verantwortungslos! Das gilt auch für den Wirtschaftsstandort Schweiz und die Zehntausenden Mitarbeitenden. Ich glaube nicht, dass sich die Initiantinnen und Initianten der Auswirkungen bewusst sind. Ich will aber wegkommen von den zugespitzten Diskussionen und dem ewigen Schlagabtausch. Wir müssen Lösungen finden.
Wie wäre es, die Erbschaftssteuer nur aufs Privatvermögen anzuwenden?
Da muss man vorsichtig sein. Es gibt immer mal weniger gute Zeiten für Familienunternehmungen. Wegen des wirtschaftlichen Wandels, der veränderten Zinsen, des Drucks der Banken, die nicht immer bereit sind, Kredite zu erhöhen. Viele Patrons schiessen dann privates Geld in die Firma, damit es weitergehen kann.
Was halten Sie davon, die Vermögenssteuer in den Kantonen zu erhöhen?
Das Vermögen wurde ja schon besteuert. Ich bin 58 Jahre alt und habe in meinem Leben gegen 100 Millionen Franken Steuern bezahlt. Dann müssten meine Kinder dieses Vermögen wieder besteuern, und ihre Kinder wieder. Das wäre doch gewaltig.
Welche Lösung sehen Sie?
Stellen Sie sich vor, die 300 Reichsten oder diejenigen mit einem Vermögen ab 50 Millionen Franken würden einen ganz kleinen Anteil pro Jahr in eine Stiftung einzahlen – nur 0,1 Prozent des Vermögens! So würden Hunderte von Millionen in diesen Topf fliessen. Mit einer solchen Stiftung könnte man ganz gezielt auf die Armutsbekämpfung in der Schweiz einwirken oder sich für den Klimawandel einsetzen. Was das für eine Wirkung hätte! Unternehmer, die selbst etwas aufgebaut haben, wären Feuer und Flamme für so eine Lösung. Die wollen Einfachheit und Klarheit.
Wer würde über die Verwendung des Geldes entscheiden?
Ein Stiftungsrat mit einer namhaften Besetzung aus allen politischen Lagern.
Mit Ihrer Stiftung setzen Sie sich für Verdingkinder, Geflüchtete aus der Ukraine und Menschen mit Hirntumoren und Schizophrenie ein. Warum machen Sie das?
Es ist so befreiend, mit seinem eigenen Geld die Welt etwas besser zu machen. Die Stiftung gibt mir Kraft für Neues. Viel mehr, als wenn ich mir eine schöne Jacht an der Côte d’Azur kaufe oder mit dem Privatjet um den Globus fliege. Aber ich muss aufpassen, sonst werde ich zum Supergutmenschen stilisiert. Das will ich nicht.
Wie viel Ihres Geldes fliesst in die Stiftung?
Jedes Jahr geht von der Holding meiner Gruppe ein Drittel in diese steuerbefreite Stiftung. Über die letzten zehn Jahre waren das etwa 15 Millionen. Jeder Franken wird für Stiftungszwecke verwendet, ich kann das Geld nicht zurückholen. Dafür sorgt eine Bundesaufsicht.
Würde es nicht allen besser gehen, wenn alle gleich viel Geld hätten?
Nein, das ist ja absurd. Der Kommunismus hat nichts zum Guten verändert. Der Wettbewerb gehört dazu in diesem Land mit seiner sozialen Marktwirtschaft, in dem fast alles mit Fleiss und Arbeit aufgebaut worden ist.
Sie waren früher sehr arm, heute sind Sie superreich. Wie viel Geld braucht man, um ein würdiges Leben zu führen?
Man muss genügsam sein und darf sich nicht über das Geld definieren. Wer aber jeden Tag kämpfen muss, damit es bis Ende Monat reicht, und deswegen schlaflose Nächte hat, führt kein gutes Leben. Das müssen wir ändern. Nicht mit einer Umverteilung, sondern mit individueller Unterstützung für Menschen in Not.
Wann haben Sie so richtig realisiert, dass Sie zu den Reichsten gehören?
Vor ein paar Jahren, als mich die «Bilanz» auf die Liste der 300 reichsten Schweizer gesetzt hat. Aber Geld war nie ein Parameter für mich, um mich besser zu fühlen. Und ich habe immer darauf geachtet, nicht abzuheben.
Ist es Ihnen gelungen?
Früher habe ich oft das Portemonnaie aufgemacht, und es reichte nicht. Diese Erfahrung hat mich stark geprägt. Bis heute habe ich die diffuse Angst, dass das Geld nicht reicht. Egal, wie viel ich auf dem Konto habe, ich mache mir Sorgen, dass ich meine Verpflichtungen nicht erfüllen kann.
Haben Sie sich schon einmal geschämt, so viel Geld zu besitzen?
Es gibt Situationen, in denen ich mich damit auseinandersetze. Wenn es Medienberichte über mich gibt und Leute meiner Assistentin schreiben, warum es nötig sei, dass ich einen 300 Meter langen Seeanstoss besässe. Das sei egoistisch. Der See gehöre allen. In der Schweiz sorgen reiche Leute für viel mehr Kontroverse als etwa in Amerika. Man ist sehr kritisch. In dem Dörfchen, in dem ich aufgewachsen bin, investierte ich über zehn Millionen Franken in die Infrastruktur. In einen Lebensmittelladen, eine Arztpraxis und in einen Gasthof. Trotzdem kamen aus der Dorfbevölkerung auch kritische Stimmen. Dabei wollte ich helfen. Solche Situationen habe ich oft erlebt.
Haben Sie manchmal das Gefühl, dass Freunde Sie nur wegen des Geldes mögen?
Meine Freunde interessiert es nicht, was ich habe. Aber es gibt schon auch Menschen, die fragen, ob ich ihren Gartenumbau oder das Einfamilienhaus finanzieren könne. Ich bekomme jede Woche Bettelbriefe. Auf der anderen Seite erlebe ich eine enorme Wertschätzung von Menschen, die wirklich wenig haben, von den Hunderten Verdingkindern, die ich zu einem Sommerfest eingeladen habe. Sie konnten umsonst essen. Marc Sway, Francine Jordi und Pepe Lienhard haben Musik gemacht. So eine Dankbarkeit habe ich selten gespürt. Das ist für mich, was zählt, und das bestinvestierte Geld.
Dieser Artikel erschien zuerst bei Schweizer Illustrierte unter dem Titel «Guido Fluri: «Grosses Erbe kommt mit noch grösserer Pflicht».
1 Kommentar
Herr Fluri, Sie haben alles richtig gemacht, ebenso Ihr Gedankengut.
Als Kind wollte ich auch so schnell wie möglich selbständig und unabhängig werden. Ich lebe in meinem Zweifamilienhaus und bin glücklich für jedem Mieter der mehr verdient als ich, denn der kann sicher die Miete bezahlen! Aber die faulen Sozis, die am liebsten jammern und das Geld der andern abkassieren und nur 50 oder weniger Prozent arbeiten wollen, müssen, die .... äh, will mich nicht weiter äussern, sonst werde ich beleidigend.