Seit einiger Zeit hängt bei meinen Nachbarinnen ein Banner am Fenster. «Vaterschaftsurlaub, jetzt» steht darauf. Ohne dieses wäre mir vielleicht gar nicht aufgefallen, dass wir im September über eine Vorlage abstimmen, die es eigentlich gar nicht mehr geben sollte, weil das Gesetz schon lange in Kraft sein müsste.
Der Vaterschaftsurlaub hat eine harzige Vorgeschichte. Sie ist zwar nicht so lang wie die des Mutterschaftsurlaubs. Dieser brauchte vom Arbeitsverbot für junge Mütter bis zum bezahlten Urlaub im Jahr 2005 stolze 128 Jahre. Doch die Diskussionen waren nicht minder emotional. Abgestimmt wird jetzt über ein Gesetz, das eine radikalere Initiative verhindern soll. Radikal heisst übrigens vier Wochen Vaterschaftsurlaub. Jetzt im Angebot sind zwei.
Wenig im europäischen Vergleich
Die Schweiz ist eines der letzten entwickelten Länder, das keinen Vaterschaftsurlaub kennt. Oder eine gemeinsame Elternzeit, die sich die Eltern nach Bedarf aufteilen können. Zwar bezahlen einige Arbeitgeber freiwillig Urlaub für junge Väter.
Doch viele Angestellte erhalten gerade mal einen oder zwei Tage frei, wenn es Nachwuchs gibt. Eine wirkliche Entlastung der Mutter oder Betreuung des Kindes ist damit kaum möglich. Es reicht knapp, um an der Geburt dabei zu sein. Hier braucht es mehr, für alle.
Wenn diese Botschaft ankommt, ist das mehr wert als die zehn Arbeitstage.
Beim Vaterschaftsurlaub geht es zudem um mehr als die paar Tage zu Hause. Es geht um ein Signal des Staats. Als heute 41-Jähriger bin ich mit dem Bewusstsein aufgewachsen, dass Männer und Frauen vor dem Staat die gleichen Rechte und Pflichten haben. Was auf dem Papier halbwegs aufgeht, ist in der Gesellschaft aber noch lange nicht angekommen.
Ein offizieller Vaterschaftsurlaub signalisiert, dass der Staat von den Vätern eine aktive Rolle erwartet. Er gibt ihnen das Recht, freizunehmen. Aber auch die Pflicht, zu Hause zu sein. Wenn diese Botschaft ankommt, ist das mehr wert als die zehn Arbeitstage.
Die Gegner der Vorlage, vor allem SVP und Gewerbeverband, führen die Kosten ins Feld. Die zehn Tage sollen über die Erwerbsersatzordnung (EO) finanziert werden – wie bei Mutterschaft und Militär. In Anbetracht der bestehenden Ausgaben halten sich die Mehrkosten allerdings in Grenzen: 1,7 Milliarden Franken bezahlte die EO 2018 aus. 230 Millionen kämen mit dem Vaterschaftsurlaub dazu, rechnet der Bund vor.
Die Kosten pro Person sind gering
Die so nötige Beitragserhöhung führe dazu, dass jemand mit 8000 Franken Monatslohn 4 Franken mehr Prämie bezahlen müsste. Die Hälfte davon via Arbeitgeber. Diesen Solidaritätsbeitrag leiste ich gerne an meine Kollegen mit Kindern.
Wenn man schon sparen will, geht das übrigens deutlich einfacher über den EO-Posten «Armee». Ich habe nachgeschaut: In meiner bescheidenen Laufbahn als Sanitätssoldat brachte ich es auf 233 Tage Dienst, die über die EO abgegolten wurden. Für gleich viele Tage hätte ich – nach dem vorgeschlagenen Gesetz – bis heute jedes Jahr für ein Kind Vaterschaftsurlaub beziehen können. Und ich hätte sogar noch ein Kind zugute. Anders gesagt: Einen WK weniger, und der Vaterschaftsurlaub ist finanziert.