Kennen Sie die Buchstabenfolge NIMBY? Vielleicht nicht. Die Idee dahinter ist Ihnen aber sicher vertraut. NIMBY steht für «Not in my Backyard», nicht in meiner Nachbarschaft. Und dies beschreibt die Krux bei einem der drängendsten Probleme im Land: beim drohenden Wohnungsmangel – und dabei, wie er sich beheben liesse.
Denn bekanntlich sind freie Bleiben rar geworden, die starke Zuwanderung, der Trend zum Alleinleben und das Leben auf immer mehr Fläche trocknen den Schweizer Wohnungsmarkt aus. Gleichzeitig entstehen immer weniger neue Wohnungen, weil es sich wegen der steigenden Zinsen weniger rechnet und das Bauen durch strengere Vorgaben immer schwieriger wird.
Die widersprüchlichen Ziele von Parmelin
Da das Recht auf Wohnung seit 1970 in der Verfassung steht, tritt Guy Parmelin jetzt pflichtbewusst in Aktion und kündigt in der «Sonntagszeitung» Massnahmen an.
Die Rahmenbedingungen sollen besser werden, und der neue Wirtschaftsminister skizziert auch die Stossrichtung. Was löblich ist, aber leider problematisch, weil die drei Ziele in die entgegengesetzte Richtung zeigen: Erstens soll sich das Wohnungsangebot erhöhen, zweitens soll es mehr preisgünstigen Wohnraum geben und drittens soll beides «bedarfsgerecht» erfolgen.
Es braucht eine Wachstumsdiskussion
Dabei ist es viel einfacher: dem Markt mehr vertrauen. Da ist Deregulierung gefragt, weil das Wohnungsangebot nur steigt, wenn der Markt spielt. Sprich: wenn es sich für Investorinnen und Bauherren lohnt, neue Mehrfamilienhäuser zu bauen. Wenn ihnen Preisvorgaben und weitere Auflagen gemacht werden, stimmt die Rendite aber eben häufig nicht. Das zeigt etwa der Blick auf die Stadt Zürich, wo das Stimmvolk eine Grossüberbauung der SBB («Neugasse») mit der überrissenen Forderung torpedierte, dass sämtliche Wohnungen gemeinnützig sein müssen.
Was ist zu tun? Es braucht in erster Linie eine ehrliche Diskussion über das Wachstum, denn dies ist – neben den steigenden Zinsen – der Hauptgrund, wieso uns die freien Wohnungen ausgehen.
Wir müssen an NIMBY rütteln
Wollen wir eine florierende Wirtschaft, die der Bevölkerung ermöglicht, auf grossem Fuss zu leben, und viele Menschen aus dem Ausland anlockt? Dann müssen wir auch zulassen, dass neue Wohnungen entstehen – und am NIMBY rütteln: Viel zu häufig scheitern und verzögern sich neue Bauvorhaben an den Einsprachen Einzelner.
Die Schweiz muss auch über Lockerungen beim Mietrecht und bei der Raumplanung sprechen. Beim Mietrecht, weil dieses in die Jahre gekommen ist und die Entkoppelung von Altmieten und Neumieten bewirkt. Derweilen müssen Bauvorhaben schneller bewilligt und muss zu strenge Regulierung abgeschafft werden.
Ein gutes Beispiel sind die vom Bundesrat Ende Jahr vorgeschlagenen Lockerungen beim Lärmschutz im Umweltschutzgesetz. Dadurch könnten in Zürich und in den anderen grossen Städten Hunderte von Wohnungen stehen, deren Bau bislang an den strengen Lärmschutzvorgaben scheiterte.
Natürlich können wir uns als Schweiz entscheiden, die Zuwanderung zu begrenzen und das Bauen weiter zu erschweren. Wir müssen aber auch bereit sein, die für alle unangenehmen wirtschaftlichen Folgen zu tragen.