Die Börse hat 2020 leicht im Minus geschlossen. Hat dies auch auf den AHV-Fonds durchgeschlagen?
Manuel Leuthold: Die Börsen sind im März brutal gefallen. Aber ab April gab es eine starke Erholung, und gewisse Börsen sind jetzt über dem Niveau von Anfang 2020. Obwohl Compenswiss – die Verwalterin der Ausgleichsfonds von AHV, IV und EO – einer vorsichtigen Anlagepolitik folgt, erreichten wir am tiefsten Punkt ein Minus von über 10 Prozent für das ganze Portfolio. Aber wir haben dann richtige Entscheide getroffen.
Manuel Leuthold ist seit 2016 Präsident der Compenswiss. Der öffentliche Anstalt obliegt die Verwaltung der Ausgleichsfonds von AHV, IV und EO. Als Präsident des Verwaltungsrats von Compenswiss ist der ehemalige UBS- und Rothschild-Banker für die Bewirtschaftung von rund 37 Milliarden Franken verantwortlich.
Nämlich?
Vor allem sind wir nicht aus den Aktien ausgestiegen; wir sind investiert geblieben und haben so von der Erholung voll profitiert. Der Einsatz von Absicherungsinstrumenten hat sich ebenfalls positiv ausgewirkt.
Das heisst fürs ganze Jahr 2020?
Wenn nichts Widriges in den letzten Tagen passiert, sollten wir das Jahr mit den drei Ausgleichsfonds bei ungefähr plus 3 Prozent abschliessen.
Die Rendite ist also unterdurchschnittlich ausgefallen. Letztes Jahr schaffte der Fond fast 10 Prozent Rendite. Kommt da Wehmut auf?
Drei Prozent würde ich nicht als unterdurchschnittlich bezeichnen. In einem negativen Zinsumfeld und angesichts unserer Risikotoleranz und unseren Liquiditätsanforderungen ist 3 Prozent schon gut. Klar, 2019 war ein ausserordentlich positives Jahr.
«Es war wahrscheinlich, dass nach so einem starken Absturz eine positive Korrektur folgen würde. Aber die Stärke des Rebounds hat mich schon sehr überrascht.»
Ist dieses Rekordergebnis in den nächsten 10 Jahren überhaupt wieder zu erreichen?
Hoffentlich! Ich möchte aber lieber weniger spektakuläre, dafür aber stabilere Ergebnisse erleben wollen. Weil ausserordentlich guten Resultate fast immer mit Verlustjahren verbunden sind. 2019 war sehr gut, nachdem wir 2018 einen Verlust von 4 Prozent erlitten. Man muss immer Resultate über eine längere Zeitperiode betrachten.
Wegen Corona ist die Börse im Frühling massiv getaucht. Sie haben immer an eine Erholung geglaubt?
Wie gesagt, waren wir gegen Ende März bei minus 10 Prozent. Es war wahrscheinlich, dass nach so einem starken und raschen Absturz eine positive Korrektur erfolgen würde. Aber die Stärke des Rebounds hat mich schon sehr überrascht. Natürlich haben die Zentralbanken auch dazu massiv beigetragen.
In den drei Ausgleichsfonds Fonds liegen 37 Milliarden Franken. Tendenz sinkend?
Für die AHV sollte das Umlageergebnis ungefähr ausgeglichen sein. Die negative Tendenz der letzten Jahre wegen der demographischen Entwicklung setzt sich fort. Sie wird aber dank des zusätzlichen Beitrags aus der STAF – der vom Volk angenommenen Steuervorlage – von zirka 2 Milliarden pro Jahr kompensiert. Wenn dazu noch ein positives Anlageergebnis kommt, sollten wir 2020 im schwarzen Bereich abschliessen.
Konkret: Sie können 2020 mit den 3 Prozent Rendite beim AHV-Ausgleichsfonds das Defizit bei der AHV ausgleichen, das durch das Umlageverfahren entsteht?
Das Defizit des Umlageergebnisses aus der demographischen Entwicklung kann leider nicht mit dem Anlageergebnis nachhaltig kompensiert werden. Es braucht dafür zusätzliche Einnahmen – wie mit STAF. Für 2020 erwarten wir ein ausgeglichenes Umlageergebnis. Das Anlageergebnis – zirka eine Milliarde bis –kommt dazu.
Wird das Volksvermögen immer noch durch Blackrock, Barings und State Street verwaltet?
Richtig, wir suchen immer für die Fonds die besten Asset Managers, die über eine breite Erfahrung verfügen und einen soliden Track Record auf mehrere Jahre aufzeigen.
«Ich bin nicht überzeugt, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, um massiv in den Schweizer Immobilienmarkt zu investieren.»
Die Aktienquote haben Sie nicht gesenkt? Auf unter 24 Prozent? Oder gar erhöht?
Nein, wir sind während des ganzen Jahres bei rund ein Viertel des Vermögens in Aktien geblieben.
Könnte es sein, dass 2021 die Stimmung dreht – mehr Insolvenzen, steigende Arbeitslosigkeit? Weil die Kurzarbeitsprogramme der Schweiz auslaufen?
Es gibt im Moment viel Ungewissheit bezüglich 2021. Die 2020 umgesetzten Unterstützungsmassnahmen haben es erlaubt, die Auswirkungen der Krise auf die Wirtschaft zu begrenzen. Zum Beispiel ist die Anzahl der Konkurse im schwierigen Jahr 2020 gegenüber dem guten Jahr 2019 stark gesunken, was so nicht zu erwarten war. Die Realität wird uns aber einholen. Doch ich bin nach wie vor positiv bezüglich der Schweiz und der Wirtschaft. Wir sind aus meiner Sicht viel besser positioniert als viele andere Länder.
Hätten Sie nicht Ihre Immobilienquote längst erhöhen müssen? Diese liegt bei 10 Prozent. Aber gerade da geht auch wegen der tiefen Zinsen seit Jahren die Post ab.
Über die letzten Jahre haben wir unseren Anteil an indirekten Immobilien auf 10 Prozent aufgebaut, in der Schweiz und im Ausland, in kotierten und nicht-kotierten Anlagen. Idealerweise hätten wir im direkten Besitz ein früher erworbenes Immobilienportfolio an den besten Standorten in der Schweiz (lacht). Nur ist das leider nicht so – und die Preise sind seit ein paar Jahren sehr hoch. Ich bin nicht überzeugt, dass es jetzt der richtige Zeitpunkt ist, massiv in den Schweizer Immobilienmarkt zu investieren.
«Die demographische Entwicklung bleibt der Haupttreiber. Eine Reform der Altersvorsorge ist nach wie vor notwendig.»
Werden Sie Donald Trump vermissen? Immerhin hat er die Unternehmenssteuern in den USA massiv gesenkt und zum Börsenboom beigetragen.
Es ist richtig, dass die letzten Jahre für die US-Wirtschaft und ihre Finanzmärkte klar positiv waren. Man muss aber sehr vorsichtig sein, wenn man eine Person und eine Wirtschaft in Verbindung setzt. Es gibt viele andere Einflussfaktoren.
Wann wird der AHV-Ausgleichsfonds leer sein? 2035 – oder früher?
2035 war das Datum vor der Corona Krise. Nun könnte dieser Zeitpunkt etwas früher eintreten. Aber meiner Meinung nach ist es verfrüht, jetzt Prognosen zu machen. Die demographische Entwicklung bleibt nach wie vor der Haupttreiber. Eine Reform der Altersvorsorge ist nach wie vor notwendig.
Sie sitzen in 15 Verwaltungsräten und haben 7 VR-Präsidumsmandate. Ist das nicht zu viel? Keine Interessenskonflikte?
In meinem ganzen Berufsleben habe ich immer viel gearbeitet. Ich bin persönlich gut organisiert und habe keine operationelle Tätigkeit. Ich bin der Meinung, dass es für meine Funktion als Präsident von Compenswiss positiv ist, dass ich eine breite Erfahrung aus der Wirtschaft und aus der Finanzwelt einbringe. Meine Mandate werden öffentlich ausgewiesen. Das erlaubt, Interessenkonflikte zu vermeiden oder wenn der Fall vorliegen sollte, diese klar zu regeln.
Allein das AHV-Fonds-Präsidenten-Mandat beansprucht 35 Prozent.
Für mich hat die Woche etwas mehr als 40 Stunden (lacht).